Sonntag, 14. Juli 2019

📖 Buch: Bildung, Schule und Universität im Mittelalter

In "Bildung, Schule und Universität im Mittelalter" gibt der Mediävist Robert Gramsch-Stehfest einen umfassenden Überblick hinsichtlich des Bildungsystems im mittelalterlichen Europa.
Die Ausführungen beginnen jedoch schon mit der Antike, da auf deren Fundamenten das Mittelalter gerade im Bildungsbereich ruhte. Chronologisch arbeitet sich der Autor dann über das Frühmittelalter und Hochmittelalter bis ins Spätmittelalter und die beginnende Renaissance vor. Wobei der Schwerpunkt eher beim Hoch- und Spätmittelalter liegt, da in Sachen Bildung hier die bedeutendsten Entwicklungen stattfanden - wie etwa das Entstehen von Domschulen und besonders die Gründung der ersten Universitäten. Gerade ihr Einfluss auf die Geschichte ist kaum zu überschätzen, denn sie waren die Grundlage für eine europäische Wissensgesellschaft, die sämtliche anderen Kulturräume innerhalb relativ kurzer Zeit weit überflügelte.
Wie der Leser feststellt, verbesserten sich Bildung und Gelehrsamkeit im Verlauf des rund 1000-jährigen Mittelalters nicht in jedem Bereich; so nahm der Aberglaube nicht etwa ab, sondern mitunter sogar zu: z.B. war im Frühmittelalter der biblische Teufel noch als relativ machtlos angesehen worden; Hexen wiederum galten als bloße Spukbilder, die nicht reell sind. Beides änderte sich im Hochmittelalter und führte zur Inquisition im Spätmittelalter sowie den berüchtigten Hexenverfolgungen bis weit in die frühe Neuzeit hinein. Auch nahm die insgesamt ohnehin nicht übermäßig starke Bedeutung von gelehrten Frauen wie Hildegard von Bingen oder Heloisa ab dem 12. Jahrhundert weiter ab, als Klöster ihre herausragende Stellung als zentrale Orte der Bildung an die neu entstandenen Universitäten verloren, in denen Frauen normalerweise nicht studieren durften.
An Beispielen wie diesen wird gut ersichtlich, wie ungemein aspektreich die behandelte Thematik ist.

Der Buchinhalt ist sehr übersichtlich gegliedert; die Texte sind in der Regel allgemein verständlich formuliert, ungewöhnliche Fremdwörter werden meist erläutert bzw. übersetzt.
Immer wieder wurden mittelalterliche Originalquellen ausgiebig zitiert; für den Leser ist diese Praxis meiner Ansicht nach nicht immer im gleichen Maß gewinnbringend. In der Regel lassen sich allzu langatmige Zitate aber problemlos überspringen.
Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Lektüreempfehlungen sowie Fragestellungen und Anregungen (interessant für Studenten und Dozenten). Das Buch verfügt außerdem über drei getrennte Register für Orte, Sachen und Personen.

Ernsthaft zu kritisieren habe ich eigentlich nichts, außer vielleicht den Kaufpreis von rund 25 Euro. Dafür hätte man dieser Publikation ruhig ein robustes Hardcover spendieren können.

Ranbemerkung: An einigen Stellen im Buch musste ich schmunzeln und dachte mir, wehe das lesen die 'falschen' Leute. Etwa wenn es heißt, die Kuppel der Aachener Pfalzkapelle wirkt in architektonischer Hinsicht "wie aus der Zeit gefallen". Diese Erkenntnis dürfte ein Heribert Illig sehr zu schätzen wissen 😄.  Wiederum einen Erich von Däniken könnte das angebliche Auftreten von "Wettermachern" interessieren, die, aus dem mythischen Land "Magonia" kommend, mit ihren "fliegenden Schiffen" bzw. fliegende Untertassen am mittelalterlichen Himmel erschienen sein sollen 😉
Immerhin, man sieht an solchen Beispielen, dass selbst die mittelalterliche Geschichte von Schule und Bildung überraschende Einblicke bietet und für gute Unterhaltung sorgen kann! Aber auch ansonsten handelt es sich hier um ein lehrreiches und interessantes Buch.

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