Über den antiken Autor
Theophrastos/Theophrast wurde als Tyrtamos, Sohn des Tuchhändlers Melantes, um 371 v. Chr. in der Stadt Eresos auf der Insel Lesbos geboren. Zuerst war er dort Schüler des Philosophen Alkippos, ging dann aber nach Athen, um von Platon unterrichtet zu werden. Schließlich wandte er sich Aristoteles zu. Dieser war es auch, der ihm den Namen "Theophrastos" gab, was so viel wie "göttlicher Sprecher" heißt. Später übernahm er von Aristoteles' die Leitung der - heute vielleicht etwas skurril anmutenden - peripatetischen Philosophenschule.
Die Diadochenherrscher Kassandros und Ptolemaios scheinen ihm ebenso zugetan gewesen zu sein wie die Einwohner Athens; letzteres bezeugt ein Gerichtsprozess, der gegen Theophrast angestrengt wurde; jener Athener nämlich, der die Anklage angestrengt hatte, zog sich dafür den Zorn großer Teile seiner Mitbürger zu. Theophrast starb im hohen Alter von 85 Jahren.
Über die vorliegende Ausgabe
Von den rund 200 Schriften des Theophrast wurden nur vergleichsweise wenige überliefert, darunter jene, die im Mittelpunkt der vorliegenden Ausgabe steht: "Über die Winde." Daneben hat der Herausgeber und Übersetzer Kai Brodersen aber noch weitere themen- und artverwandte Texte beigefügt. Und zwar relevante Teile der "Meteorologika", verfasst von Theophrasts Lehrer Aristoteles. Außerdem die vermutlich irrtümlich wieder Aristoteles zugeschriebenen Texte "Über Zeichen für Regen, Winde, Stürme und schönes Wetter" sowie "Lagen der Winde"; sie stammen wohl von Theophrast. Fälschlicherweise dem Aristoteles angedichtet wurde überdies das Werk "Problemata"; das umfangreiche Kapitel über Wetterphänomene darin wurde in dieser Ausgabe von DeGruyter ebenfalls abgedruckt. Selbiges gilt auch für den verbliebenen Teil von Theophrasts überwiegend verlorenen gegangener Schrift "Meteorologika" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Werk des Aristoteles). Zu guter Letzt hier enthalten ist noch die Biographie Theophrasts aus der Feder des Diogenes Laertios. Vor allem ihm verdankt die Nachwelt Informationen über das Leben des Philosophen.
Neben den zweisprachig abgedruckten antiken Texten beinhaltet das 240-seitige Buch eine erhellende Einleitung und ein nützliches Register. Verpackt wurde das alles in einem robusten Einband. Insgesamt also eine gelungene Ausgabe. Ob das jedoch den ziemlich saftigen Preis von über 40 Euro rechtfertigt, muss jeder selbst beurteilen.
Etwas ungeschickt finde ich übrigens den Titel, denn er suggeriert, dass ausschließlich Theophrasts Text "Wind und Wetter" enthalten ist.
Beispiele aus dem Inhalt
Die Mutmaßungen antiker Denker zu Naturphänomenen lassen uns heute mitunter schmunzeln. Das im Buch behandelte Wetter ist da keine Ausnahme, wie das folgende Beispiel sehr schön zeigt. 😄
[...] und Blitze werden durch Kälte erzeugt, indem sie durch die Kondensation der Wolken ausgetrieben werden. Aristoteles, Meteorologika |
Doch halt! Andere Denker waren, ohne die wirklichen physikalischen Hintergründe zu kennen, durchaus auf der richtigen Spur. Demnach ist eine der Ursachen für das Entstehen von Blitzen ...
... das Schlagen und die Reibung. Etwas anderes können wir auch bei uns beobachten: Wenn ein Stein auf den anderen schlägt, dann kommt Feuer aus ihm heraus. [...] Theophrastos, Meteorologika (syrische und arabische Version) 2 |
Weitere Erklärungen zu Wetterphänomenen, die nicht selten auf Jahrhunderte oder Jahrtausende alten Beobachtungen fußen dürften, lassen uns unschlüssig zurück. Könnte hier nicht etwas Wahres dahinterstecken? Wertvolles uraltes Wissen, das die moderne Forschung mitunter übersehen hat? Gerade diese Textstellen machen das Buch besonders interessant.
Wenn bei schönem Wetter die Bienen nicht weite Strecken fliegen, sondern dort herumfliegen, wo sie sind, zeigt das an, dass es einen Sturm geben wird. vmtl. Theophrastos, Über Zeichen 46 |
Ein Hund, der sich auf dem Boden wälzt, ist ein Zeichen für heftigen Wind. vmtl. Theophrastos, Über Zeichen 29 |
Man darf hier nicht vergessen, dass Tiere oft wesentlich sensibler auf Veränderungen in der Natur reagieren; so können sie etwa Erdbeben wittern, lange bevor diese tatsächlich auftreten. Das alles drückt sich oft in ungewöhnlichen Verhalten aus.
Unzweifelhaft ernst zu nehmen sind jene Beobachtungen, die Rückschlüsse auf historische Klimaveränderungen und ihren Einfluss auf den Menschen zulassen.
Wenn es aber wahr ist, was andere sagen, besonders jene, die auf Kreta leben, dass jetzt die Winter größer sind und mehr Schnee fällt, dann ist es ein Beweis dafür, dass die Berge einst bewohnt waren und Getreide und Obstbäume trugen, weil das Land bepflanzt und kultiviert wurde. Es gibt ja weite ebenen unter dem Ida-Gebirge und unter den anderen, von denen jetzt keine bewirtschaftet werden, weil sie keinen Ertrag bringen. Einst aber waren sie, wie gesagt, tatsächlich besiedelt, weshalb die Insel in der Tat voller Menschen war. Damals gab es nämlich starke Regenfälle während viel Schnee und winterliches Wetter ausblieb Theophrastos, "Über die Winde" 13 |
Eventuell sollten sich jene Weltuntergangspropheten, die wegen der gegenwärtigen Klimaerwärmung (eigentlich eine Rückerwärmung nach dem Ende der "Kleinen Eiszeit") ihre Hände an Straßen kleben, mit historischen Berichten wie diesem vertraut machen. Dann würde ihnen auffallen, dass es für die Menschheit unterm Strich von Vorteil gewesen ist, wenn das Klima im Vergleich zum langjährigen Mittel vergleichsweise warm war. Weil dann nämlich die Ernteerträge deutlich höher ausfielen. Und wen schriftliche Überlieferungen wie die obige nicht überzeugen, der sollte dringend die unzähligen naturwissenschaftlichen Belege betrachten, welche beispielsweise die archäologische Forschung in den vergangenen Jahrzehnten vorgelegt hat.
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Weiterführende Informationen:
Hallo, mir gefallen solche fast total unbekannten antiken Texte, die Randthemen behandeln, besonders wenn es naturwissenschaftlich sind. Würde mich freuen, wenn du da zukünftig vielleicht noch mehr aus der Richt bringst.
AntwortenLöschenAuf jeden Fall komm noch mehr zu solchen Themenbereichen. Eine Rezension ist schon in Vorbereitung.
LöschenJa nicht auf die natürliche Rückerwärmung nach der kleinen Eiszeit hinweisen, denn da kommt gleich Michael Mann daher, und schwingt seinen Hockey Stick!!! 😉
AntwortenLöschenDa gibts nicht mehr viel zu schwingen, nachdem ihm kürzlich sogar einer seiner Hockey-Stick-Mitautoren gehörig in die Parade gefahren ist ;-)
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