Kindesmisshandlung war auch dazumal kein Kavaliersdelikt!
Aufgrund der Schul- und Kindheitserinnerungen meiner Großmutter, die mir u.a. von so unschönen Dingen wie dem Scheitelknien erzählt hat, war bei mir der Eindruck entstanden, dass Kindesmisshandlung, zumindest bis in die Zwischenkriegszeit hinein, als völlig rechtmäßige schulische Disziplinierungsmaßnahme betrachtet wurde. Doch das dürfte so nicht gewesen sein, wie ein Artikel der Wiener Allgemeinen Zeitung nahelegt, in dem von einem Fall die Rede ist, der sich im Jahr 1900 zutrug; also sogar schon eine Generation bevor meine Großmutter überhaupt geboren wurde.
(Kindermißhandlung in der Schule.) Vor einiger Zeit erschien die Wäscherin Katharina Neumann in Begleitung ihres Söhnchens KarI beim Polizeicommissariate Alsergrund und brachte zur Kenntniß, daß der bezeichnete Sohn an demselben Tage vom Classenlehrer Paul Kettner in der Schule 9. Bezirk. Gemeindegasse mit einem Lineal verlezt worden sei. Der Polizeiarzt fand sowohl am Kopfe, als auch an der einen Hand Verlezungen. Der Knabe erzählte auch, daß Lehrer Kettner die Kinder gewohnheitsmäßig mit dem Lineal schlage. Nachträglich wollte die Mutter ihre "Klage" wieder zurückziehen, allein auf Grund des ärztlichen Pareres mußte der Act dem Bezirtsgerichte Josephstadt zugemittelt werden, woselbst sich Kettner heute wegen Mißhandlung eines anvertrauten Schülers (§ 420) vor dem Einzelrichter Secretär Dr. Fröhlich zu verantworten hatte. Der noch sehr junge Mann, Aushilfslehrer, war geständig, sich öfters des Lineals zu bedienen, da seine Classe widerspenstig sei. Er wurde schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von dreißig Kronen verurtheilt. |
Wenn es damals Lehrern bzw. Fremden verboten war, Kinder körperlich zu züchtigen, war es den Eltern dann möglicherweise auch nicht gestattet? Zumindest theoretisch, denn dass die Erziehungspraxis selbst in moderner Zeit sich mitunter drastisch von den Gesetzen unterscheiden kann ist völlig klar - da muss man nur die Kinder von Thomas Gottschalk fragen ^^.
Leider konnte ich zu den damaligen rechtlichen Grundlagen nichts finden - obwohl die österreichische Nationalbibliothek, von deren Online-Portal der obige Artikel stammt, auch ein praktisches juristisch-historisches Nachschlagewerk zur Verfügung stellt. Doch vielleicht werde ich mir die Sache noch genauer ansehen, wenn ich in den Weihnachtsferien entsprechend Zeit dafür habe. In diesem Fall komme ich im Rahmen des Blogs vielleicht auf das Thema zurück.
Das UFO/UAP von Bronsfeld
Im Juli des Jahres 1884 berichtet die Wiener Morgenpost von einer Lichterscheinung, die man in der modernen wissenschaftlichen UFO-Forschung als "UAP" bzw. Unidentified Aerial Phenomenon bezeichnen würde.
*(Der „Seeschlange") folgt jetzt schon die ,,Himmelsschlange". In einem rheinpreußischen Blatte lesen wir folgenden Bericht: In der Nacht zum 7. Juli wurde in Bronsfeld von vielen Personen eine merkwürdige Erscheinung am Himmel gesehen. Zwischen 2 und 3 Uhr entstand plözlich eine große Helle. Man gewahrte am Himmel ein großes Licht, welches sich wie zu einer Schlangengestalt ausdehnte und bewegte. Dann zogen sich die beiden Enden zu einem Kreise, schließlich zu einer Scheibe zusammen, welche allmälig kleiner wurde und zulezt ganz verschwand." |
Um es mit den Worten von Mr. Spock zu sagen: Faszinierend! Denn ich halte es für fraglich, dass eine Beobachtung wie diese, die laut dem obigen Bericht "von vielen Personen" gemacht wurde, in einer irgendwie 'natürlichen' Weise erklärt bzw. rationalisiert werden kann. Was hier nämlich wie ein niedergehender Meteorit beginnt, endet als etwas, das im höchsten Maße ungewöhnlich ist.
Geheime Krankheiten
Beim Lesen der Anzeigenteile alter Zeitungen stolpere ich immer und immer wieder über den Begriff "Geheime Krankheiten". So auch in der Publikation Neues Wiener Tagblatt. In der Ausgabe vom 21. März 1868 findet sich folgendes.
Geheime und Haut- Krankheiten (auch veraltete) werden gründlich geheilt in der Ordinations-Anstalt des Dr. Singer, Stefansplatz Nr. 10, 2. Stock (dem Hauptthore der Kirche gegenüber). - Ordination von 10-2 und 4-5 Uhr. - Fremden wird auch brieflich Rath ertheilt. - Herren und Damen haben separate Wartezimmer. |
Direkt vor dem Wiener Stephansdom, das war wohl keine billige Adresse. Doch was sind diese "geheimen Krankheiten", die mitunter auch als "maladies secretes" bezeichnet wurden? Ganz einfach, es handelte sich dabei um Geschlechtskrankheiten, vor allem um die Syphilis. Sehr gut bezeugt das eine Anzeige aus dem Jahr 1850 (rechts unten).
Dass man über solche Dinge als Betroffener eher weniger gerne gesprochen hat ist verständlich; galten Geschlechtskrankheiten doch als etwas, das man sich üblicherweise bei Prostituierten holte. Interessant ist freilich am obigen Beispiel, dass sogar brieflich vom Arzt Rat erteilt wurde - vielleicht weil es einigen Betroffenen zu peinlich gewesen ist, persönlich zu erscheinen. Wie darf man sich den Ablauf aber konkret vorstellen darf? Schickte man mit der Anfrage das Geld für das Rück-Porto - und vielleicht auch ein Honorar für die Beratung - gleich mit? Gab es damals schon so etwas wie ein Postfach, wohin man sich den ärztlichen Antwortbrief anonym hinschicken lassen konnte?
Und was beschreibt im Zusammenhang mit den geheimen Krankheiten das Wort "veraltete"??? Fragen über Fragen!
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Weitere interessante Themen:
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Wieder einmal eine interessante historische UFO Meldung. Die werde ich mir gleich mal kopieren und in mein Archiv geben. Danke!
AntwortenLöschenGerne! Zu diesem Thema kommt ca im Monatsrythmus noch einiges mehr an Quellen.
Löschengrüß gott! in der angelegenheit spreche auch ich vor! darf ich den Bericht übernehmen? dank und gruß aus münchen!
AntwortenLöschenservus! bin mir nicht sicher ob mein kommentar angekommen ist. der fall würde mich sehr für meinen blog interessiern, darf ich ihn übernehmen? dank & gruß w. raab
AntwortenLöschenServus, ist angekommen! Natürlich darfst du den Bericht wieder übernehmen. Je mehr Menschen von diesen interessanten historischen UFO-Berichten erfahren, umso besser.
Löschenherzlichen dank, ich war so frei:
AntwortenLöschenhttps://ufoscriptorium.blogspot.com/2024/12/1885-himmelsschlange-uber-bronsfeld.html 👍👽
Ich betrachte ja grundsätzlich alles ergebnisoffen, was mich aber im Falle der "Himmelsschlange" allerdings zu einem "Polarlicht" führt. Andernortes war das möglicherweise Tagesgespräch, aber keine Zeitungsmeldung wert gewesen.
AntwortenLöschenDie Bewegung spräche schon einmal für Sonderformen von Polarlichtern.
Die Farbe der Erscheinung wäre natürlich interessant gewesen. Ein rotes Band hätte für ein schwaches Erdmagnetfeld und tief eindringendes Plasma, ein (obwohl sehr seltenes) blaues Leuchten für sehr hoch "geratene" Stickstoffmoleküle gesprochen.
Im Juli 1884 war zudem die Sonnenaktivität recht hoch:
https://meteo.plus/sonne-1884.html
Und der umliegende Zeitraum entsprach wohl dem Maximum des SC12:
https://www.spaceweatherlive.com/de/sonnenaktivitat/sonnenzyklus/historische-sonnenzyklen.html (bitte ggf. den Schieberegler auf den fraglichen Zeitraum ziehen).
Mehr Daten würden evtl. zu anderen Ergebnissen führen, aber wenn ich nehme, was ich habe...
PS: Eigentlich wollte ich mich über einen WELT-Artikel aufregen, in dem die mittelalterlichen Leibstrafen nicht als Abschreckung, sondern als Gaudium gedeutet wurden - basierend auf dem 30 Jahre alten Erguss eines zwischenzeitlich emeriterten Rechtsphilosophen und Strafrechtslehrers.
[ https://www.welt.de/geschichte/article254825190/Todesstrafe-Die-Knochen-wurden-zerschlagen-und-aufs-Rad-geflochten.html ]
War magisches Denken Teil der Motivation? Zweifellos.
War der Ehrbegriff maßgeblich? Wenn das Hundetragen der Todesstrafe ebenbürtig war, durchaus.
Dass man dem Volke ein Spektakel präsentieren wollte, mag ja in Einzelfällen vorgekommen sein. Aber dass das die treibende Motivation gewesen sein soll, in einer Zeit, in der die Haft kaum weniger komfortabel war als das Arnenhaus, erscheint mir doch alles andere als plausibel. Darf ich das hier einmal zur Diskussion stellen oder mir das gar von dir beblogt wünschen?
Ein Polarlicht ist eine plausible Überlegung. Ich habe mir aufgrund der Beschreibung die Lichterscheinung ja relativ kleinräumig vorgestellt, aber ein großes ringförmiges Polarlicht wäre natürlich schon auch denkbar.
LöschenIch muss aber sagen, dass Polarlichter/Nordlichter damals wissenschaftlich schon lange bekannt waren, erforscht wurden und in Zeitungen auch korrekt benannt wurden. Warum man das - wenn es sich auch im konkreten Fall um ein Polarlicht gehandelt hat - unterlassen hat, ist die Frage. Ich sehe zwei Möglichkeiten: Es war doch kein Polarlicht oder es handelt sich um einen weiteren Fall journalistischer inkompetenz (ich halte es ja für ein unbewiesenes Gerücht, dass der Journalismus früher wesentlich besser war).
Eine der Kernaussagen im "Welt"-Text ist extrem spekulativ: In Mittelalter und Früher Neuzeit ging es im Wesentlichen nicht um eine Abschreckungswirkung, man dachte bis zur Aufklärung nicht funktionell-rational. Stattdessen ging es um das Ausleben von Gefühlen, das fast ästhetischen Gesetzen folgte.
Das ganze System des Strafens und der Gesetze dient in einer Gesellschaft immer primär der Abschreckung; man wollte Dinge verhindern, die als sozial unerwünscht galten. Folgt man hingegen der "Welt", dann sind Gesetze früher vor allem in der hinterhältigen Hoffnung erlassen worden, dass man damit Darsteller für blutige Volksbelustigungen generieren kann. Was für eine unsinnige Vorstellung...
Hinzu kommt, dass etwa im Frühmittelalter Todesstrafen bei uns relativ unüblich waren. Damit auch öffentliche Hinrichtungen (von der Prügelstrafe abgesehen). Das Passt nicht so recht zum pauschalisierenden Urteil im "Welt"-Text.
LöschenNun waren im Frühmittelalter auch Städte bzw. dichte Zusammenballungen von Menschen in Europa relativ selten. Die Frage stellt sich daher eher: War die brutale öffentliche Hinrichtung nicht eher eine verzweifelte, zumindest aber abschreckende Antwort auf die Probleme, die ab dem Hochmittelalter das Zusammenleben dicht gedrängter Menschenmassen mit sich brachten?
Ganz genau. Das Hängenlassen dürfte neben der unchristlichen "Bestattung" auch ein bewusstes Signal an Durchreisende und Mahnung an Anwohner gewesen sein.
LöschenWer nichts zu verlieren hatte, außer seinem Leben, musste eben einen maximal schmerzhaften Tod riskieren. Und wer z.B. als "Ameise" im Kampf einen König (Richard Löwenherz) tötete, aber auf der Verliererseite stand musste eben damit rechnen, bei lebendigem Leib gehäutet zu werden.
Gaudium? Eher größtmögliche Rache.
Zum Glück ist das Buch vergriffen, sonst würde ich prüfen wollen, wie Wolfgang Schild seine Ansicht in das Rechtsinstitut der Fehde einbaut, deren Verbot ja auch irgendwie mit der Rechtssicherheit der Neuzeit zusammenhängen dürfte.
Der ausgeklügeltere Rechtsstaat war sicher wichtig bei dieser Entwicklung. Das Fehde(un)wesen könnte teilweise aber auch deshalb an Bedeutung verloren haben, weil dem niederen Andel, der die große Masse des Adels stellte, die Mittel dafür abhandegekommen sind, nachdem der Ritter auf dem Schlachtfeld u.a. wegen den eingeführten Feuerwaffen militärisch obsolet wurde. Hingegen die Duelliererei ging ja noch lange lustig weiter (habe in einer alten Zeitung erst kürzlich einen Fall aus dem Jahr 1902 entdeckt). Wenn man so will war das die Fortführung der Fehde mit geringeren Mitteln.
LöschenDie Idee mit der Aurora Borealis finde ich eigentlich ganz charmant. Ich habe versuch Aufnahmen zu finden, die sich vom Anfang bis zum Ende mit den Beschreibungen in dieser Zeitung decken, bin aber nicht fündig geworden. Immer nur Teilaspekte passen. Das macht mich skeptisch.
LöschenAulus