Es war im August des Vorjahres, als ich zu Juvenals "Panem-et-circenses"-Zitat (= Brot und Spiele) einen kleinen Blogbeitrag verfasste. Darin äußerte ich mich vor allem zum ersten Teil - dem "panem" bzw. Brot. Ergänzend möchte ich heute die "circenses" etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Allzu oft wird dieses Wort mit "Spiele" übersetzt; das jedoch ist ein Fehler (den auch ich schon des öfteren beging), denn in Wirklichkeit ist nicht die Gesamtheit der in Rom stattfindenden Volksbelustigungen gemeint - also auch die berühmt-berüchtigten Gladiatorenkämpfe - sondern lediglich jene Veranstaltungen, die im Circus stattfanden; hierbei handelte es sich in der Regel um Wagenrennen.
Aufgrund der ungenauen Übersetzung - und weil die Arenakämpfe als typisch römische Art der Massenunterhaltung angesehen werden - bedeutet "panem et circenses" für die meisten Leute mittlerweile eher so viel wie "Brot und Gladiatornenspiele".
Aufgrund der ungenauen Übersetzung - und weil die Arenakämpfe als typisch römische Art der Massenunterhaltung angesehen werden - bedeutet "panem et circenses" für die meisten Leute mittlerweile eher so viel wie "Brot und Gladiatornenspiele".
Dabei ist gerade das ein Mythos, der falscher nicht sein könnte: Das Kolosseum - quasi die einzige kaiserzeitliche Gladiatorenarena der Stadt Rom - bot rund 55 000 Zusehern Platz. Davon waren allerdings bereits an die 34000 Plätze für die männlichen Mitglieder der Oberschicht reserviert (2000 für Senatoren, 12000 für Equites, 20000 für das wohlhabende Bürgertum). Die verbleibenden 20000 Sitzplätzen gehörten wiederum zur Hälfte den Frauen (darunter auch die Damen der Oberschicht, die hier prozentuell eventuell ähnlich stark vertreten waren wie ihre männlichen Standesgenossen im Verhältnis zum Gesamtfassungsvermögen).
Dem Publikum gehörten pro Veranstaltung demnach nicht viel mehr als 10000 Personen an, die der Unterschicht zuzurechnen sind. Dies stellt ein arges Missverhältnis dar, wenn man bedenkt, dass gerade die Armen einen erheblichen Anteil der stadtrömischen Bevölkerung ausmachten (Rom hatte in der Kaiserzeit zwischen 500000 und 1000000 Einwohner). Hinzu kommt, dass - von Ausnahmen abgesehen - pro Jahr kaum mehr als an 20 Tagen einschlägige Kampf-Veranstaltungen im Kolosseum stattfanden. Im Angesicht all dessen kann man sich sehr leicht ausmalen, wie vergleichsweise schwierig es für den sogenannten Pöbel war, überhaupt Gladiatorenspielen beiwohnen zu können.
Im starken Kontrast dazu standen die weitaus größeren Kapazitäten der römischen Pferderennbahnen. Alleine der Circus Maximus fasste mindestens 150000 Personen (davon waren wiederum ca. 35000 Plätze für die Bessergestellten reserviert). Nicht zu vergessen die etwas kleinere Anlagen, wie z.B. das Stadium des Domitian, der Circus Flaminius und der Circus des Nero. Berechnungen zufolge war es theoretisch jedem Einwohner der Stadt Rom möglich, mehrmals im Jahr Wagenrennen zu besuchen - und viele dürften dies auch tatsächlich getan haben.
Demnach ist es bestimmt kein Zufall, dass in den Augen Juvenals vor allem der Circus das Volk von der Politik und den wichtigeren Dingen des Lebens ablenkte, und nicht das "kleine" Amphitheater mit seinen blutigen - aber vergleichsweise seltenen - Gladiatorenspielen.
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- Marcus Junkelmann | Hollywoods Traum von Rom | Verlag Philipp v. Zabern | 2004/2009 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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Sehr interessanter Artikel :)
AntwortenLöschenFreut mich, dass es interessiert :)
LöschenAuch mich ;-)
LöschenDass Gladiatorenspiele im Kolosseum eine so elitäre Angelegenheit waren, wäre mir nicht so leicht in den Sinn gekommen.
Ich frage mich, ob in den Provinzen eine ähnliche Reservierung nach Klassen üblich war?
LG,
Erwin
Sehr wahrscheinlich.
LöschenWobei es in den Provinzen natürlich deutlich weniger Senatoren gegeben hat, als in der Hauptstadt Rom. Dem einfache Volk wurden demnach wohl prozentuell mehr Plätze zugewiesen.