Woher stammt eigentlich der "Hitlergruß" bzw. "Deutsche Gruß"? Die übliche Antwort lautet: Den haben die Nationalsozialisten von den italienischen Faschisten abgekupfert. Doch auch Mussolinis Anhänger sogen sich die bekannte Geste nicht aus ihren Fingern. Vielmehr leiteten sie sie vom sogenannten "Römischen Gruß" ("Saluto Romano") ab.
Überaus problematisch ist hierbei allerdings, dass die alten Römer sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nie in dieser Form grüßten. Vielmehr war es eine typische Redner-Geste, derer sich Feldherren und Kaiser im Angesicht einer größeren Menschenmenge bzw. Zuhörerschaft bedienten (adlocutio). Und nur in diesem Zusammenhang sind uns Darstellungen der halb beschwörenden, halb zur Segnung ausgestreckten Hand überliefert - etwa in Form von Statuen oder auf Münzen (Bild).
Es wird vermutet, dass erst im Theater des späten 19. Jahrhunderts sowie in den allerersten italienischen Stummfilmen die Vorstellung geboren wurde, die ausgestreckte Hand wäre der typische Alltagsgruß im antiken Rom gewesen. Ein frühes Beispiel für dieses "Factoid" findet sich im 1913 entstandenen Monumentalfilm Cabiria. Doch möglicherweise haben selbst die Theaterregisseure und Filmleute auf eine noch ältere Fehlinterpretation zurückgegriffen, wie ein französisches Gemälde aus dem Jahr 1810 nahelegt: Klick mich
Kurios ist es allemal, dass jene Gruß-Geste, die bis heute die bekannteste aller autoritären Gesinnungen kennzeichnet, ausgerechnet von der Unterhaltungsbranche ersonnen wurde. Andererseits wird Hitler und Mussolini ja nicht ganz zu Unrecht nachgesagt, dass sie begabte Schauspieler waren...
Weiterführende Literatur:
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Weiterführende Literatur:
- Marcus Junkelmann | Hollywoods Traum von Rom | Verlag Philipp von Zabern | 2004 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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Ein wirklich anschauliches Beispiel, wie die übemäßige Fantasie der Filmemacher ein total verquertes Bild unserer Vergangenheit in den Köpfen der Menschen erzeugt.
AntwortenLöschenEin Problem, das heute bedeutsamer ist denn je; auch abseits der Filmstudios. Siehe z.B. das Klosterbauprojekt in Meßkirch. Auch dort wird Pseudogeschichte zum Leben erweckt.
LöschenSelten so viel Blödsinn gelesen !Die Rechtsgrundlagen und das Selbstverständnis des frühen deutschen Königtums hat der Geschichtsschreiber und Mönch Widukind von Corvey (um 925-973) in seiner „Sachsengeschichte“ mit der Schilderung der Aachener Königserhebung Ottos anschaulich dargestellt, wodurch wir erstmals eine Beschreibung des auch für weitere Königswahlen und Krönungen maßgebenden Wahl- und Weiheaktes erhalten haben. Demnach setzte sich Otto in dem sich westlich an die Pfalzkirche anschließenden Säulengang auf einen dort errichteten Thron. Nunmehr reichten ihm die vier Stammesherzöge von Bayern, Franken, Alamannien und Lothringen und die übrigen Reichsfürsten ihre Hände zum sog. Handgang, um ihm Vasallentreue zu geloben und versprachen ihm dadurch, seine Sache gegen alle Feinde zu unterstützen. So machten sie Otto nach ihrer Sitte zu ihrem König. Im Mittelpunkt der Königserhebung stand nachfolgend der geistliche bzw. kirchliche Vorgang der Königskrönung. Dafür gingen Otto und die weltlichen Fürsten in das Innere der Basilika, wo ihn die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln mit dem gesamten Klerus und erschienenen Untertanen erwarteten. Als „Königsmacher“ trat Erzbischof Hildebert von Mainz auf. Er empfing Otto am Eingang der Kirche, ging mit ihm in die Mitte des Raumes und forderte die Erschienenen auf, der Wahl des Königs durch eine Akklamation zuzustimmen. „Darauf rief die ganze Menge dem neuen Herrscher mit erhobener Hand … ,Heil‘, so schildert es Widukind.
AntwortenLöschenThemenverfehlung. Das Kompliment "selten so viel Blödsinn gelesen" gebe ich daher gerne zurück.
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