Donnerstag, 2. Januar 2014

Das zu klein geratene Vieh der Germanen


Geht es um die Germania des Tacitus, dann ist häufig zu vernehmen, dass der Autor eigentlich nicht so recht wusste wovon er schrieb. Vielmehr habe er lediglich Halbwissen aus zweiter oder dritter Hand wiedergegeben.
Zum Teil mag das stimmen, häufig stellt sich jedoch heraus, dass die gesammelten Informationen ein überaus präzises Bild der Magna Germania zeichneten. So heißt es beispielsweise, dass mit germanischen Rindern nicht viel los gewesen sei, da ihre Besitzer größeren Wert auf eine möglichst hohe Stückzahl legten und weniger auf einen stattlichen Wuchs. 
Diese Aussage wird mittlerweile durch die archäologische bzw. osteologische Forschung vollauf bestätigt: Zum einen war das Rind, neben dem Schwein, tatsächlich das beliebteste Nutztier der Germanen. Zum anderen fällt es - wie eben Tacitus schreibt - durch seinen kleinen Wuchs auf, der sich deutlich von römischen Züchtungen unterschied. Während letztere zum Teil eine Widerristhöhe zwischen 1,30 und 1,50 Metern aufwiesen, waren germanisch-eisenzeitliche Tiere im ausgewachsenen Zustand oft nur rund einen Meter groß; dies entspricht in etwa der Größe heutiger Kälber.
Interessant ist hierbei, dass diese vergleichsweise kleinen Abmessungen offensichtlich den Endpunkt einer längeren Abwärtsentwicklung darstellten, denn noch in der Jungsteinzeit waren Hausrinder im Durchschnitt größer.
Nachdem die römischen Provinzen von germanischen Stämmen erobert worden waren, nahm auch dort die Widerristhöhe der Rinder ab und erreichte nach einiger Zeit vorrömisch-eisenzeitliches Niveau.

Trotz obiger osteologischer Erkenntnisse, muss darauf hingewiesen werden, dass die bisher gemachten Funde kein völlig homogenes Bild ergeben. So wurden in ur-germanischen Siedlungsgebieten vereinzelt Rinderknochen entdeckt, die aufgrund ihrer Abmessungen vermutlich zu römischen Tieren gehörten, während andererseits tief im Reichsgebiet Kleinvieh germanischer Art nachgewiesen werden konnte. Dies dürften Belege für mehr oder weniger intensive Handelsbeziehungen sein. Die über lange Strecken durch die Gegend gekarrte Kuh, ist somit keine Phänomen der Moderne - obschon die Tiere damals natürlich noch selbst laufen mussten ;)

Abschließend noch etwas Grundsätzliches zu Funden von (Haus-)Tierknochen: Diese werden für gewöhnlich innerhalb von ehemaligen Siedlungs- und Bestattungsplätzen entdeckt. Im ersteren Fall handelt es sich um Hausmüll, im letzteren um Überreste von Grabbeigaben. Abhängig von der Fundortkategorie treten quantitative Unterschiede auf. Soll heißen, dass beispielsweise der Anteil an Hühnerknochen in Gräbern höher ist als in Müllgruben. Es ist von daher sinnvoll, vor allem anhand von Müll-Funden auf die Beliebtheit einzelner Haustierarten zu schließen, anstatt Grabbeigaben dafür heranzuziehen, die unzweifelhaft eine Sonderstellung einnehmen. Doch auch im Falle der (einst offenen) Müllgruben ist Vorsicht geboten, da gerade die kleinen, zerbrechlichen Geflügelknochen überproportional stark durch Tierverbiss zerstört werden konnten.


Weiterführende Literatur:
  • Die Alamannen | Autor: Karlheinz Fuchs, Martin Kempa und Rainer Redies | Verlag: Theiss | Infos bei Amazon  (Nur noch gebraucht erhältlich, aber sehr empfehlenswert!) 

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