Um mehr über die Ernährung unserer Vorfahren herauszufinden ist es sinnvoll alle zur Verfügung stehenden Quellen zu bündeln und zu vergleichen. Im Folgenden soll dies anhand der Germanen gezeigt werden:
1. Schriftliche Quellen (Beispiele)
Caesar schreibt über die Germanen:
- "Ackerbau betreiben Sie wenig, ihre Ernährung besteht zum größten Teil aus Milch, Käse und Fleisch." (Der Gallische Krieg, 6, 22,1)
- Ihr ganzes Leben besteht aus Jagen und militärischen Übungen (Der Gallische Krieg, 6, 21,3)
Tacitus, der geraume Zeit nach Caesar lebte, zeichnete das Bild einer etwas ausgewogeneren Ernährung:
- "Ihre Speisen sind einfach: Feldobst, frisches Wildfleisch, oder geronnene Milch. Ohne künstliche Zubereitung, ohne Leckereien vertreiben sie den Hunger..." (Germania, 23)
Dass die Germanen bei der Zubereitung ihrer Nahrung nicht dermaßen raffiniert vorgingen wie die Römer ist unzweifelhaft richtig. Es mangelte ihnen schlicht und ergreifend an den entsprechenden Zutaten und Gewürzen (ein Zustand, der sich im Laufe der Zeit durch neu geknüpfte Handelsbeziehungen besserte).
Die von Caesar aufgestellte Behauptung, die Germanen würden nur wenig Ackerbau betreiben ist jedoch fragwürdig. Deshalb werde ich diesen Punkt im archäologischen Teil noch einmal näher unter die Lupe nehmen. Nur so viel bereits jetzt: Die germanische Landwirtschaft war verglichen mit der römischen wenig effizient; Überschüsse wurden vermutlich nur in geringen Mengen produziert. Möglicherweise bemerkte Caesar dies beim Furagieren, woraufhin er voreilige Schlüsse zog.
Ebenfalls wird später noch zu klären sein, warum die Behauptung, die Germanen hätten viel Zeit beim Jagen verbracht und gerne Wildbret gegessen, vermutlich nicht ganz den Tatsachen entspricht. Interessant ist das nicht zuletzt auch deshalb, weil Tacitus zwar auf die großen germanischen Rinderherden hinweist, jedoch bei seinen Erläuterungen zur Ernährung, genau wie Caesar, völlig auf diese Tiere vergisst.
2. Archäologische Quellen und naturwissenschaftliche Methoden
Schlacht- bzw. Speiseabfälle - und bis zu einem gewissen Grad auch Grabbeigaben (Bild), die gelegentlich Fleisch, Eier, Nüsse oder Früchte beinhalteten - lassen wichtige Rückschlüsse auf die Ernährung zu. Im Zusammenhang mit dem Fleischkonsum der Karolinger wurde dieses Thema von mir schon einmal aufgegriffen.
Wie im verlinkten Beitrag nachzulesen ist, enthält das osteologisch untersuchte Fundmaterial Wildtierknochen nur in vergleichsweise geringer Menge. Stattdessen dominieren als primäre Fleischlieferanten Schwein und Rind. Dieser Umstand widerspricht also einigermaßen den unter Punkt 1 erwähnten Aussagen von Tacitus und Caesar. Auch bei den Kelten finden sich übrigens nur vereinzelt Funde, die auf Wild hinweisen.
Bezüglich des Speiseplans liefern neben Tierknochen auch menschliche Überreste einige wichtige Anhaltspunkte, da sie Mangelerscheinungen wiederspiegeln, die in der Regel auf einer einseitigen Ernährung beruhen; genant sei hier z.B. die Eisenmangelanämie, die zu einem Substanzverlust der Deckknochenschicht im Dach der Augenhöhlen führt. Selbst ganze Hungersnöte lassen sich nachweisen, denn es kam in diesem Fall bei einer relativ großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen zu einer zeitgleichen Unterbrechung des Wachstums (sogenannte Harris-Linien, die im Querschnitt von Langknochen erkennbar sind).
Darüber hinaus lagern sich in den Knochen Spurenelemente ab, die wiederum auf die Hauptnahrungsbestandteile hinweisen: Strontium und Barium gelten als Indikatoren für einen entsprechend hohen Anteil an pflanzlicher Nahrung, während Kupfer und Zink typisch für tierisches Lebensmittel sind. Mithilfe dieser Spurenelemente ist es sogar möglich herauszufinden, inwieweit sich die Ernährung von Dorf zu Dorf unterschied. Während beispielsweise in der einen Siedlung Rinderzucht vorherrschte und dementsprechend Fleisch, Milch und Käse im Übermaß vorhanden waren, aßen die Menschen in nur wenigen Kilometern Entfernung eventuell überwiegend Getreideprodukte, da dort der Boden besonders gut für den Ackerbau geeignet war. Wobei anzumerken ist, dass sich ein hoher Anteil an tierischem Eiweiß positiv auf den Wuchs auswirkt. Daher ist es auch kein Wunder, dass der häufig als "hochgewachsen" beschriebene Adelige kein bloßes Klischee ist. Vielmehr war er aufgrund relativ häufigen Fleischverzehrs tatsächlich größer als der durchschnittliche Bauer, dessen Speiseplan grundsätzlich mehr pflanzliche Nahrung beinhaltete.
Auch die Abrasion bzw. Abnutzung der Zähne lässt Rückschlüsse auf Zusammensetzung und Zubereitung der typischen Mahlzeiten jener weit zurückliegenden Zeiten zu. So wurden etwa die Kauflächen durch Gerichte wie Brot im Laufe der Zeit stark abgeschliffen, da es den feinen Abrieb jener Mühlsteine enthielt, mit denen das Getreide zu Mehl gemahlen wurde. Außerdem soll kohlenhydratreiche Nahrung zu einem vermehrten Auftreten von Karies geführt haben. Allzu sehr pauschalisieren sollte man hier allerdings nicht, da längere Fleischfasern deutlich hartnäckiger zwischen den Zähnen hängen bleiben können als Brot oder Getreidebrei. Gerade die Reste des im frühen Mittelalter angeblich so beliebten Breis (Mus), können mit wenigen Schlucken Wasser hinuntergespült werden.
Auch bei der Abnutzung der Zähne ist übrigens ein Unterschied zwischen Arm und Reich erkennbar - was wenig verwundert, da, wie bereits festgestellt wurde, letztere eher Fleischesser waren und es deshalb weniger mit der schmirgelnden Wirkung von Getreideprodukten zu tun bekamen.
Weiterer Hinweisgeber in Sachen Ernährung sind erhalten gebliebene Samen- und Pollenkörner, deren Anzahl und Art wichtige Details zu den einst bevorzugten Nutzpflanzen verraten. Mehr zu diesem Thema findet man hier.
Auch die Rückstände in von Archäologen geborgenen Gefäßen sind zunehmend von Interesse, seit es naturwissenschaftliche Methoden gibt, die entsprechende Untersuchungen sinnvoll erscheinen lassen. In diesem Zusammenhang ist es bedauerlich, dass viele Funde lange Zeit fein säuberlich gereinigt wurden, so dass sich bei diesen Objekten nachträglich keine neuen Erkenntnisse gewinnen lassen.
In Summe lässt der derzeitige Erkenntnisstand die Aussage zu, dass die Germanen sogenannte Omnivoren ("Allesesser") waren und sich relativ ausgewogen ernährten. Die Unterschiede bei einzelnen Individuen können - abhängig von der geographischen Lage und der sozialen Stellung - jedoch deutlich vom Durchschnitt abweichen.
Quellen und Literaturempfehlungen:
- Brigitte Haas-Gebhard | Die Baiuvaren: Archäologie und Geschichte | Pustet | 2013 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
- Frank Siegmund | Die durchschnittliche Körpergröße der Menschen in der Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas | 2010 | Books on demand | Infos bei Amazon
- Pierre Riché | Die Welt der Karolinger | Reclam | 2009 | Infos bei Amazon
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