Donnerstag, 26. Februar 2015

Eine chaotische Gerichtsszene aus dem Antiken Rom


Diverse uns überlieferte Briefe, die der berühmte Redner Marcus Tullius Cicero an seinen jüngeren Bruder Quintus schrieb, geben einen interessanten Einblick in den Herbst der Römischen Republik. Wenige Jahre später wurde sie von Caesar zu Grabe getragen.

Ein besonders lebendiges Beispiel für die damaligen Zustände findet sich in einem Schreiben, das auf den 15. Februar 56. v. Chr. datiert. Cicero schildert darin eine Gerichtsverhandlung gegen Titus Anius Milo. Dessen und Ciceros Feind, Publius Clodius Pulcher, versuchte seinem politischen Rivalen an den Karren zu fahren, indem er ihn wegen Gewaltanwendung verklagte. Vermutlich sollte so die Kandidatur Milos für das höchste Amt im Staat - das des Konsuls - hintertrieben werden.
Zwar war in jenen Tagen des Zerfalls das gegenseitige Verklagen unter Politikern längst ein gerne gepflegter und nicht weiter ungewöhnlicher Brauch, doch hatte dieser spezielle Fall einen ganz besonderen Beigeschmack. Clodius, der Kläger, war nämlich für seine die öffentliche Ordnung zersetzenden Umtriebe berüchtigt. Dass ausgerechnet er jemanden wegen Gewaltanwendung vor Gericht zerrte, entbehrte nicht einer gewissen Komik.

Wie sehr Benimm-Päpste darüber auch die Nase rümpfen, aber wer streitet wird manchmal feststellen, dass Lautstärke durchaus ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Sieg sein kann. Was jedoch vor römischen Gerichten mitunter los war - vor allem bei den politisch motivierten Prozessen der späten Republik - sprengt unser heutiges Vorstellungsvermögen. Doch lassen wir Cicero selbst berichten:
"Am 7. Februar erschien Milo vor Gericht. Pompeius redete (zu Milos Gunsten) oder wollte es zumindest; denn gleich nachdem er aufgestanden war, erhoben Clodius' Anhänger ein Geschrei; und während Pompeius' ganzer Rede ging es so zu, dass er nicht nur durch Zwischenrufe, sondern auch durch Beleidigungen und Beschimpfungen unterbrochen wurde. Trotzdem war er sehr mutig: Er ließ sich nicht einschüchtern, sagte alles und zuweilen herrschte sogar Ruhe, wenn seine Autorität wirkte. Nach Beendigung seiner Rede erhob sich Clodius. Unsere Partei schrie ihn - denn sie hatte beschlossen sich "erkenntlich" zu zeigen - so laut nieder, dass er seine Fassung, seine Sprache und alle Farbe verlor. Dies alles zog sich - Pompeius hatte seine Rede etwa um 12 Uhr beendet - bis gegen 14 Uhr hin. Währenddessen wurden Clodius und seine Schwester Clodia mit allen möglichen Schimpfwörtern, ja sogar übelsten Versen, bedacht. [...]. Gegen 15 Uhr fingen die Clodianer wie auf Kommando an, unsere Leute anzuspucken. Wilde Empörung machte sich breit. Jene versuchten, uns von unseren Plätzen zu vertreiben; unsere Parteigänger starteten einen Gegenangriff; Flucht der Helfershelfer; Clodius wurde von der Rostra gestoßen. Und auch ich ergriff daraufhin die Flucht, um dem Gewühl zu entkommen [...]. (M. Tullius Cicero, Epistulae ad Quintam fratrem, II, 3, 2)
Solch öffentlich inszeniertes Chaos war spätestens seit den beiden Gracchen fixer Bestandteil der römischen Politik. Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich viele Bürger nach einer starken Hand sehnten, die für Ruhe und Ordnung sorgt. Caesar und sein Nachfolger Octavian/Augustus - die beide selbst das Chaos nach Kräften befeuerten - nutzten die zunehmende Politikmüdigkeit der Bürger aus und errichteten nach mehreren blutigen Bürgerkriegen eine Monarchie. Diese Regierungsform blieb dem Reich 500 Jahre lang, bis zu seinem Untergang, erhalten. 

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Weiterführende Literatur: 
  • Cicero / Ursula Blank-Sangmeister (Übers.) | Epistulae ad Qunitum fratrem / Briefe an den Bruder Quintus | | Reclam | 1993 | Meine RezensionInfos bei Amazon


4 Kommentare:

  1. Tja, so viel dazu - man stellt sich die römischen Gerichtsverhandlungen ja immer ernst, trocken und redengeschwängert vor. Aber wenn ich mir das so durchlese... dagegen sind die Prügeleien im ukrainischen Parlament fast ein Witz :D

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    1. Ein guter Vergleich, wenn man bedenkt, dass auch den Römern ab einem gewissen Punkt die Fäuste nicht mehr ausreichten...

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  2. Und schon wieder dieser unleidliche Clodius. Der Mensch muss eine echte Plage gewesen sein :-)

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