Donnerstag, 15. Mai 2014

Buch: Der unbequeme Messias - Wer Jesus wirklich war

Obwohl ich mich eher als Agnostiker bezeichnen würde, sehe ich nicht ein, warum eine kritische Auseinandersetzung mit dem historischen Jesus nur dann wirklich kritisch ist, wenn man auf Biegen und Brechen versucht, die Evangelien in möglichst vielen Punkten zu widerlegen. Dieser akademisch-verkrampfte Religionsskeptizismus ist vor allem in Europa längst Mainstream und mutig sind daher jene, die auf wissenschaftlicher Grundlage dagegen argumentieren. 
Der vor einigen Jahren verstorbene Papyrologe Carsten Peter Thiede hat dies in seinem Buch, Der unbequeme Messias: Wer Jesus wirklich war, versucht. Gänzlich überzeugen konnte er mich jedoch leider nicht. Etwa wenn er erklärt, warum die Jungfrau Maria tatsächlich eine "Jungfrau" gewesen sei und nicht einfach eine "junge Frau", die nur aufgrund einer schlampigen Bibelübersetzung mit der unbefleckten Empfängnis in Verbindung gebracht wurde.
Thiedes zeitliche Vorverlegung der Evangelien ist da schon weitaus glaubhafter. Gleiches gilt für die Schlüsse die er daraus zieht, nämlich, dass die Lebensgeschichte des Messias von und für Menschen geschrieben wurde, die ihn zum Teil noch persönlich gekannt hatten und bei einer grob falschen Darstellung ihres "Idols" quasi auf die Barikaden gestiegen wären. Freilich, die in die Bibeltexte eingestreuten Wunder, deren Faktizität heute beim besten Willen kein kritischer Geist mehr pauschal in Erwägung ziehen kann, nimmt Thiede einfach so hin. Womit er, wie auch an anderen Stellen, von der Wissenschaft in den Glauben abgleitet. Genau diese "Inkonsistenz" ist es aber, die mich beim Lesen immer wieder gestört hat.

Mein Fazit: Das Buch ist sicher nicht schlecht und enthält manch interessante Information bzw. These, doch mir erscheinen die nicht immer stimmige Argumentation und manchmal allzu glaubenslastige Nachsicht recht problematisch. Weitaus gelungener und absolut empfehlenswert ist hingegen das ebenfalls von Thiede verfasste Vorgängerwerk Ein Fisch für den römischen Kaiser. Zu einem darin aufgegriffenen Punkt habe ich vor einiger Zeit einen kleinen Blogbeitrag verfasst: Klick mich

Schweren Herzens kann ich hier leider nur 3 von 5 möglichen Punkten vergeben.
("Schweren Herzens" vor allem deshalb, weil mir der streitlustige Herr Thiede sympathisch war.)
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INHALT:

- Vorwort
- Einführung
- Hat es Jesus wirklich gegeben
- Woher wissen wir, ob die Geschichten über Jesus tatsächlich wahr sind?
- Wie wurde Jesus geboren?
- Welchen Platz hatte Jesus in der jüdischen Tradition?
- Hat Jesus wirklich Wunder vollbracht?
- Ist Jesus wirklich am Kreuz gestorben?
- Ist Jesus wirklich von den Toten auferstanden?
- Für wen hielt Jesus sich selbst?
- Wir haben die Wahl

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2 Kommentare:

  1. Ich denke, auch ein gläubiger Christ kann ergebnisoffene Bibelforschung betreiben. Allerdings nur, wenn er sich im Vorhinein klar macht, dass nicht jeder seiner Glaubensgrundsätze in Stein gemeisselt ist, sondern auch durch die eigene Arbeit widerlegt werden könnte.
    LG,
    Erwin

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    1. Das sehe ich genauso.
      Andererseits müsste natürlich auch ein Atheist oder Andersgläubiger ergebnisoffene Bibelforschung betreiben und es in Erwägung ziehen, dadurch von seinen Überzeugungen abgebracht zu werden ;)

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