Im antiken Rom war es gang und gäbe, dass eine Witwe das Unternehmen ihres verstorbenen Ehemannes weiterführte. Doch wie verhielt es sich im ach so "finsteren" europäischen Mittelalter? Stand den Frauen diese Möglichkeit hier auch offen? Darüber sprach ich kürzlich mit einer Bekannten, die sich eine entsprechende Living-History-Darstellung überlegt und noch zweifelt.
Nun, zumindest im hohen und späten Mittelalter gab es gar nicht einmal so wenige Frauen, die umfangreiche Handelsgeschäfte tätigten, sei es als Ehefrau, Witwe oder Tochter bzw. Erbin eines Kaufmanns. Aber auch Alleinstehende, die ihr Unternehmen vermutlich völlig neu gründeten, konnten von der Forschung mehrfach nachgewiesen werden. Beispielsweise sind uns aus dem Jahr 1474 die Klagen zweier Kauffrauen überliefert: Die der Weinhändlerin Celie van Orsoy und jene der Gewürzhändlerin Greta zom Barde. Interessant ist, dass letztere offenbar auf eigene Rechnung Geschäfte machte, obwohl sie mit einem Kaufmann - Johann van Lobbroich - verheiratet war. Nach allem was man über sie weiß, zählte sie zu den wichtigsten Pfefferimporteuren Kölns, handelte aber auch mit Baumwolle, Papier, Salpeter usw. Ebenfalls als umtriebige Kauffrau betätigte sich die alleinstehende Seidenmacherin Sewis van Berchim. Sie importierte Rohseide, Wein und andere Erzeugnisse. Sewis selbst war überdies als Meisterin in der Kölner Zunft der Seidenmacher hochangesehen. Das ist eine insofern interessante Kombination, weil es ansonsten häufig üblich gewesen zu sein scheint, dass den kaufmännischen Part bei der Seidenherstellung die Ehemänner übernahmen und sogar in besagter Zunft der Seidenmacherinnen in führenden Positionen anzutreffen waren.
Frauen waren im Mittelalter auch immer wieder an Handelsgesellschaften beteiligt. Selten aber doch scheinen sie sogar an deren Spitze aufgestiegen zu sein, wie eine zeitgenössische Klageschrift belegt: Gegen den Faktor einer Waidhandelsgesellschaft wurde im Jahr 1470 von deren Leiterin, einer gewissen Katherina Amlingyn, Klage wegen einer ausstehenden Abrechnung eingebracht.
Weiblichen Kaufleuten wird nachgesagt, dass sie im Unterschied zu Männern weniger mobil waren. Soll heißen, sie reisten beruflich weniger weit und oft durch die Lande. Das mag den Aufgaben der Kindererziehung und Haushaltsführung geschuldet gewesen sein.
Fazit: Weibliche Kauffrauen waren zwar in der Minderheit, stellten aber bestimmt keine Kuriosität dar.
Fazit: Weibliche Kauffrauen waren zwar in der Minderheit, stellten aber bestimmt keine Kuriosität dar.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Lexikon des Mittelalters | dtv | Infos bei Amazon
Die deutsche Stadt im Mittelalter | Evamaria Engel | Patmos | Infos bei Amazon
In diesem Zusammenhang empfehle ich das Büchlein "Die Frau in der mittelalterlichen Stadt" von Erika Uitz. Viele Fallbeispiele aus verschiedenen deutschen und europäischen Städten und bei aller Kompaktheit gut belegt und nicht zu trocken geschrieben.
AntwortenLöschenHm, ich glaube genau dieses Buch wollte ich vor ca. zwei Jahren in der Uni-Bibliothek entlehnen - allerdings war mir schon jemand zuvorgekommen, wenn ich mich recht entsinne.
LöschenDa werde ich wohl bei nächster Gelegenheit nochmal nachschauen.
Dass Frauen besonders im Spätmittelalter emanzipierter wurden und selbst Geschäfte führten, kann man auch in großen Teilen auf die ersten Pestwellen zurückführen, auf die folgend ein massiver Arbeitskräftemangel herrschte, bzw viele Geschäfte darauf angewiesen waren, von Frauen weitergeführt zu werden, die ihre Ehemänner verloren hatten. Aus dieser Notwendigkeit entwickelten sich viele Möglichkeiten für Frauen. Sogar eigene reine Frauenzünfte lassen sich nachweisen.
AntwortenLöschenJa, die spätmittelalterliche Pest hat wahrscheinlich zu einigen Veränderungen am Arbeitsmarkt geführt und Frauen verstärkt in Sparten Fuß fassen lassen, die an sich nicht so sehr ihr Metier waren. Ähnlich verhielt es sich übrigens auch im 2. Weltkrieg, als die Männer (zu Sterben) an die Front geschickt wurden und Frauen deshalb deren Aufgaben in der Industrie übernehmen mussten. Die derzeitige Queen war nicht die einzige Frau, die damals einen typischen Männerberuf - nämlich Automechaniker - erlernt hat.
LöschenIm WK1 war das sogar noch ausgeprägter.
LöschenDie Gesetzgebung im MA war sehr viel stärker privatrechtlich geprägt als heutzutage. Wenn also der Mann mit seiner Frau vereinbart hatte, dass sie seine Geschäfte im Falle seiner Verhinderung - sei es durch Reise oder Tod - selbständig weiterführen durfte, dann konnte ihr dieses Recht niemand streitig machen. Eine Ehefrau durfte sich sogar das Recht erstreiten, auf eigene Rechnung Geschäfte zu machen, wenn sie sich nicht im gleichen Geschäftszweig wie ihr Mann betätigte. Die Frau eines reichen Tuchhändlers konnte durchaus einen Teil ihres eigenen Vermögens dafür verwenden, sich an einem Geschäft mit Gewürzen o. ä. zu beteiligen und der Gewinn daraus gehörte auch ihr. Schranken ergaben sich allerdings durch die Zunftordnungen, die den Verkauf gewisser Waren nur durch bestimmte Personen erlauben konnten - quasi in Lizenz. Da durften Frauen auch schon mal ausgeschlossen werden. Dass Frauen weniger reisten, weil sie sich um Haushalt und Kinder kümmern mussten, trifft sicher nicht auf Fernhändlers-Gattinnen zu. Solche Familien hatten alle ihr Personal. Allerdings war eine Reise damals nicht ungefährlich und eine Frau war sicherlich gefährdeter als ein Mann. Auch schrieb ihr die Sitte ein größeres Gefolge vor, wollte sie standesgemäß reisen und dies verursachte natürlich auch mehr Kosten. So manches Geschäft mag sich dann nicht mehr gelohnt haben.
AntwortenLöschenHallo Morgan, Patrizierinnen hatten sicher Ammen u.ä., aber ich denke sie waren trotzdem von ihren häuslichen Pflichten stark mit Beschlag beleg. Ihre Aufgaben waren es, sich beim Kirchgang oder bei Gastmählern an der Seite ihres Mannes zu zeigen und das Personal zu beaufsichtigen.
LöschenDer weiblichen Schlüsselgewalt kam im Mittelalter eine große symbolische und sicher auch praktische Bedeutung zu. Weit herumgereist werden deshalb wahrscheinlich vor allem die ledigen Kauffrauen sein.
Grüßle,
Maria
Ja, da stimme ich dir zu, liebe Maria. Das beißt sich aber trotzdem nicht mit dem, was ich weiter oben schrieb: Für Frauen war das Reisen gefährlicher und aufwändiger und auch ledige Kauffrauen schickten lieber Beauftragte, als sich selbst auf Reisen zu begeben. Somit stimmt Hiltibolds Aussage auch, dass weibliche Kaufleute nicht so oft und weit reisten wie ihre männlichen Pendants :) Es war, so oder so gesehen, nicht zweckmäßig.
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