Obwohl das Imperium Romanum primär durch Anwendung und Androhung militärischer Gewalt entstand, ist es interessanterweise in TV-Dokumentationen üblich geworden, die Alten Römer für ihr scheinbar vor Toleranz überquellendes Wesen zu loben.
Diese undifferenzierte Interpretation des (nicht unbedingt toleranten, sondern eher pragmatischen) "Imperialismus" der Römer im Hinterkopf, kann ich mir ein Schmunzeln kaum verkneifen, wenn ich bei antiken Autoren immer wieder lese, wie sehr in Wirklichkeit selbst "Bildungsbürger" fremde und unterworfene Völker verachteten. Diese Abneigung beschränkte sich im Übrigen keinesfalls nur auf typische "Barbaren", wie etwa Germanen oder Kelten, sondern schloss auch den griechisch geprägten Kulturkreis mit ein. Bemerkenswert sind jene überlieferten Texte, die scheinbare oder tatsächliche Parallelen zur Gegenwart aufweisen. Hier zwei kleine Beispiele:
1: Livius: Ab urbe condita, 22, 21, 2 (Übers. Ursula Blank-Sangmeister, Reclam)
"Aber abgesehen davon, dass die Spanier von Natur aus unruhig und auf politischen Umsturz aus sind [...]."
Eine nahezu prophetische "Charakterisierung", wenn man die Geschichte Spaniens und seiner lateinamerikanischen Kolonien betrachtet.
Doch es kommt gleich noch besser.
2: Cicero: Epistulae ad Quintum fratrem, I,1',16 (Übers. Ursula Blank-Sangmeister, Reclam)
"Und man muss sich auch sorgsam davor hüten, gerade mit den Griechen auf vertrautem Fuß zu stehen; nur sehr wenige sind davon ausgenommen, sofern es sich um würdige Vertreter des alten Griechenlands handelt. Jetzt aber sind sehr viele Windbeutel und Betrüger [...].
In meinen Augen ist es notwendig, ihnen allen freundlich zu begegnen [...] Allzu enge Freundschaft mit ihnen ist aber weder ehrenvoll noch wirklich verlässlich.
Die Parallelen zum gegenwärtigen Bild des finanzmaroden Griechenlands in der Öffentlichkeit müssen wohl nicht extra herausgearbeitet werden ;)
Die von vielen Römern empfundene Verachtung für "Ausländer" bzw. fremde Kulturen wird übrigens vom Romanautor John Maddox-Roberts humorvoll in seiner SPQR-Reihe aufgegriffen. Der Protagonist Decius Caecilius Metellus lässt kaum eine Gelegenheit aus, um über andere Völker zu schimpfen. So handle es sich etwa bei den Makedoniern um lauter Diebe, die Griechen seien notorische Lügner und die feigen Bruttier könne man bestenfalls als Sklaven gebrauchen.
Im Angesicht dessen ist es wohl überflüssig zu erwähnen, dass die SPQR-Bücher politisch nicht gerade korrekt und daher sehr unterhaltsam sind ;)
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Quelle:
- Marcus Tullius Cicero / Ursula Blank-Sangmeister (Übers.) | Briefe an den Bruder Quintus | Reclam | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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