Die schlechten Eigenschaften von Fisch
Laut medizinischer Lehrmeinung des Mittelalters war Fisch kein besonders hochwertiges Essen. Diese Sichtweise hatte jedoch aufgrund der kirchlichen Fastenvorschriften - die den Fischverzehr massiv förderten - kaum Auswirkungen auf die alltäglichen Ernährungsgewohnheiten der Menschen. Höchstens war man in gehobeneren Kreisen bemüht, die als problematisch angesehenen "feuchten und kalten Eigenschaften" des Fischs zu neutralisieren (siehe dazu auch meinen Beitrag: Kuriose Ernährungsratschläge aus dem Mittelalter). Konkret bedeutete dies, dass der Fisch gebraten oder gegrillt werden sollte, weil diese speziellen Zubereitungsweisen als "warm und trocken" galten. Nichtsdestotrotz wurde Fisch auch pochiert. Das geschah beispielsweise in mit Wein oder Essig versetztem Wasser; bei den Engländer wiederum verwendete man zu diesem Zweck gerne Bier.
Die Innereien wurden mitunter zu Wurst verarbeitet, welche in der Fastenzeit auf den Tisch kam. Bestimmte Sorten von Fischrogen - wie der des Störs - verspeiste man direkt roh oder sie landeten z.B. als Gerinnungsmittel in Soßen.
Fisch haltbar machen
Da im Mittelalter Kühlschränke und Kühlhäuser noch nicht erfunden waren, wurde Fisch durch Räuchern, Trocknen, Einsalzen oder Fermentieren haltbar gemacht.
Die älteste dieser Methoden ist das Trocknen, bei dem man den Fisch aufschnitt und beispielsweise über Stäbe legte, die außen an den Häusern befestigt waren. Besonders in Skandinavien war dieser sogenannte "Stockfisch" für die Ernährung der Bevölkerung von große Bedeutung. Für gewöhnlich wurde er roh gegessen - oder als Beilage in Suppen und Eintöpfe gegeben. In Hungerjahren mahlte man Stockfisch sogar zu Mehl, um daraus Brot zu backen.
Das Trocknen konnte mit Räuchern kombiniert werden, welches bereits ein in der Antike bekanntes Verfahren war, jedoch relativ zeitaufwendig ist. Im Spätmittelalter entwickelte sich daraus das schnellere Heißräuchern, das Fisch allerdings nicht so lange haltbar macht wie die gemächliche Variante; wohl aus diesem Grund fand es keine besonders große Verbreitung.
Das Einsalzen von Fisch scheint erst im ausgehenden Mittelalter größere Bedeutung erlangt zu haben, als Salz zunehmend billiger zu haben war. Dieses wurde nämlich bei der Verarbeitung in großen Mengen benötigt; beispielsweise macht es bei Salzhering ein Drittel des Gewichts aus. Vor allem Seefische wurden eingesalzen, Süßwasserfische verzehrte man hingegen zumeist frisch. Da Salzfisch in mittelalterlichen (höfischen) Kochbüchern kaum auftaucht, darf angenommen werden, dass er bei den Bessergestellten wenig gefragt war.
Fermentieren scheint beim Haltbarmachen von Fisch im Mittelalter keine herausragende Rolle gesspielt zu haben - zumindest in Nordwesteuropa.
Weit gereiste Gaumenfreuden
Von woher stammte der für den Verzehr vorgesehene Fisch? Das hing vom Wohnort und den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen ab. Küstenbewohner betrieben selbstverständlich umfangreiche Fischerei, doch auch weiter landeinwärts versorgte man sich mit Fischen; dort vor allem aus Flüssen, Seen und eigens angelegten Teichen, die besonders bei Geistlichen/Mönchen und Adeligen beliebt waren. In den Fischteichen Philipps I. (Graf von Flandern) wurden alleine im Jahr 1187 264.000 (!) Aale gefangen, die größtenteils auf den Märkten des Umlandes verkauft wurden.
Da frischer Fisch schnell verdirbt, ließ er sich im Mittelalter über größere Entfernungen nur mit relativ hohem Aufwand transportieren; nämlich lebend in Wasserbehältern. Beispielsweise geht aus den Rechnungsbüchern des in Avignon residierenden Papstes Johannes XXII. hervor, dass er 1320 seinen Neffen damit betraute, im weit entfernten La Rochelle Hering und Kabeljau zu besorgen. Auch Banditen scheinen an päpstlichen Fischlieferungen Interesse gehabt zu haben, denn 1381 wurden bei einem Überfall 70 Fass Anchovis geraubt.
Überfischung
Fischgewässer waren zwar mitunter ähnlichen Regeln unterworfen wie Jagdgebiete, doch wurde auf deren Einhaltung oft weniger genau geachtet. Überfischung war daher bereits im Mittelalter ein Problem, welches z.B. in England dazu führte, dass der Fang vom selten gewordenen Lachs durch den Staat streng kontrolliert wurde. Hingegen in der Ostsee, wo derlei Beschränkungen zumeist fehlten, brach in den 1470ern die Heringspopulation drastisch ein.
Wichtiges Symbol des Christentums
Eingangs wurde bereits kurz darauf hingewiesen, dass im Mittelalter der Fisch nicht zuletzt der christlichen Religion wegen ein beliebtes Nahrungsmittel war. Kurioserweise galt er ja nicht als Fleisch (siehe dazu auch meinen Beitrag: Die Katharer und ihre mitunter unappetitliche Lehren) und avancierte deshalb in der Fastenzeit zum wichtigsten Nahrungsmittel an den Tafeln der Bessergestellten; beim kleinen Mann dominierte hingegen Gemüse - auch abseits religiösen Fastens. Da sich Adel und hoher Klerus bei ihrer religiösen 'Askese' offensichtlich nicht nur auf 'echten' Fisch beschränken wollten, erklärte man kurzerhand auch Biber, Seehunde und sogar einige Wasservögel zu 'Fischen'.
Im Christentum geht die Bedeutung des Fisches freilich weit über seinen Verzehr in der Fastenzeit hinaus. ICHTHYS (ΙΧΘΥΣ) war im Altgriechischen nicht nur die Bezeichnung für Fisch, sondern stand auch als Abkürzung für Iesous Christos Theou Hyios Soter, was soviel bedeutet wie Jesus Christus, Sohn Gottes, der Retter.
Die frühen Christen verwendeten daher den Fisch als mehr oder weniger geheimes Erkennungszeichen, etwa in ihren Katakomben. Weiters findet sich der Fisch als zentrales Element in den Evangelien: Z.B. war Petrus von Beruf Fischer (sein 'Nachfolger', der Papst, trägt einen "Fischerring") und Jesus vermehrte zwei Fische sowie fünf Gerstenbrote, um damit 5000 Menschen zu speisen.
In der christlichen Symbolsprache des Mittelalters stand der Fisch als Metapher für Reue und Enthaltsamkeit. Da er auch von Jesus selbst verzehrt wurde, entwickelte er sich in der bildenden Kunst zum Symbol für das letzte Abendmahl und fehlt daher auf nahezu keiner entsprechenden Darstellung. Zusätzlich verweist er als Tier des Wassers auf das Sakrament der Taufe.
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Quelle und Literatur-Tipp:
- Hannele Klemettilä | Das Mittelalter-Kochbuch | Anaconda | 2013 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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