Donnerstag, 20. April 2017

Buch: Der Flammenträger - von Bernard Cornwell

Nach rund 50 Jahren und unzähligen Kämpfen für Wessex und Mercien ist der angelsächische Kriegsherr Uhtred endlich am Ziel seiner Träume angelangt: Die Rückeroberung des alten Familiensitzes Bebbanburg in Northumbria liegt in greifbarer Nähe!
Doch bevor er sich daranmachen kann, seine räuberische Verwandtschaft aus der alten Festung zu vertreiben, muss ein Dickicht aus Täuschungen, Intrigen und Fallen überwunden werden. Nicht nur norwegische Wikinger, sondern auch Schotten und Westsachsen setzen alles daran, Uhtreds Pläne im allerletzten Moment zu durchkreuzen.

Mindestens ebenso hart wie Uhtred dürften auch viele Leser auf den Tag gewartet haben, an dem ihr lieb gewonnener Held wieder Herr seiner ererbten Ländereien ist. Eventuell hat der Autor Bernard Cornwell ja bemerkt, dass etliche Fans der Reihe seine seit neun Romanen andauernde Verzögerungstaktik mittlerweile mehr ärgerlich als spannend fanden.
Besser spät als nie - könnte man nun sagen. Ich bin allerdings der Meinung, dass der beste Zeitpunkt für die Verwirklichung von Uhtreds Zielen längst verpasst wurde. So richtig glaubwürdig ist es nämlich nicht, wenn ein mittlerweile rund 60 Jahre alter Mann im vordersten Schlachtengetümmel einen Gegner nach dem anderen niederhaut. Aber vielleicht fühlt sich der über 70jährige Autor ja selbst etwas jünger, wenn er in seinen Büchern einem Herrn in fortgeschrittenem Alter solche Fähigkeiten zuschreibt 😉

Bernard Cornwells Rezept für einen unterhaltsamen historischen Roman bleibt auch beim 10. Uhtred-Band unverändert: Eine meist mit hoher Geschwindigkeit vorangetriebene Handlung; brutale Kämpfe mit Liebe zum blutigen Detail; einige mehr oder weniger überraschende Wendungen; kein oder kaum Liebesschmalz (im Gegensatz zu so vielen anderen Mittelalterromanen); und eine oft vulgäre, mit rauem Humor gewürzte Sprache ("Bei den meisten Leuten kommt die Scheiße aus dem Arsch, bei euch jedoch kommt sie aus dem Mund".).

Einerseits sind diese Zutaten ein offensichtlicher Erfolgsgarant für den Autor - die Uhtred-Romane verkaufen sich nämlich wie warme Semmeln und wurden jüngst sogar fürs Fernsehen verfilmt. Andererseits hinterlässt das immer gleiche Schema bei manch langjährigem Leser zunehmend einen etwas schalen Beigeschmack. Dementsprechend werden die ersten drei bis vier Teile häufig als die besten angesehen. 
Immerhin unterscheidet sich die Handlung des aktuellen Romans insofern von den vorhergehenden, dass Uhtred hier ausschließlich in eigener Sache kämpft - also nicht für die Sachsen, um deren Land gegen räuberische Wikinger zu verteidigen. Das ist durchaus erfrischend.
Im Nachwort des Autors heißt es, er habe diesmal besonders viel hinzugedichtet, was historisch nicht belegt ist. Sei's drum, ich empfinde diese Hinzufügungen als wenig problematisch. Kritikwürdig ist da eher, dass Cornwell offensichtlich glaubt, man könne einen eisernen Helm mit einem Schwert spalten. Auch sind Formulierungen wie "in zwei Minuten" für eine im Mittelalter angesiedelte Handlung unsinnig. Aber das sind letztendlich nur Kleinigkeiten, die mir persönlich ins Auge sprangen. Auf das Lesevergnügen wirkt sich so etwas nicht nennenswert aus.

Fazit: Ja, ich fühle mich von Uhtred trotz gewisser Ermüdungserscheinungen immer noch gut unterhalten. Nicht mehr so sehr wie zu Beginn der Reihe, aber ausreichend, um noch 4 Sterne vergeben zu können.
Übrigens: Obwohl Uhtred seinen langjährigen Traum nun endlich verwirklicht hat, werden laut Autor weitere Romane über ihn erscheinen. Auf der Homepage beantwortete Cornwell die Frage eines Lesers folgendermaßen: I will likely write the next book of Uhtred's tale next year. Das wäre 2018. Möglicherweise erscheint daher die deutsche Ausgabe erst 2019.

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Anmerkung: Es hat zwar überhaupt keinen Einfluss auf die Rezension, trotzdem möchte ich der Vollständigkeit halber noch ein wenig Erbsen zählen und auf folgende Details hinweisen: Das Cover passt nicht so ganz zum Inhalt des Buchs, denn dessen Handlung spielt im frühen 10 Jh., der Helm auf dem Bild entspricht allerdings dem von Sutton-Hoo und ist rund 300 Jahre älter. Die zuständige Grafikerin wird sich gedacht haben: Merkt eh keiner. Doch, ich habe es bemerkt - und sicher auch einige andere Leser 😏
Nun könnte man freilich anmerken, der Abgebildete ist gar nicht Uhtred, sondern Ida der Flammenträger - eine halb sagenhafte Gestalt aus dem 6. Jh., die im Buch kurz Erwähnung findet und auf die auch der Titel Bezug nimmt. Dann würde man mit dem Helm lediglich um knapp 100 Jahre daneben liegen ...
In jedem Fall unpassend ist jedoch die im Hintergrund abgebildete Steinburg. Bei diesem 'out of time objekt' handelt es sich nämlich um das nordenglische Bamburgh Castle wie es sich heute präsentiert. Zur Zeiten der Romanhandlung - und auch zur Zeit von Ida - bestand der damals noch als Bebbanburg bezeichnete, deutlich kleinere Bau jedoch überwiegend aus Holzpalisaden, Erdwerk und nur wenigen Steinmauern; Cornwell selbst beschreibt die Festung so in seinen Büchern. Warum blieb das aber bei der Cover-Gestaltung unberücksichtigt? Schade, dass man hier nicht etwas mehr Hirnschmalz investiert hat.

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10 Kommentare:

  1. Wyrd bið ful aræd!
    :-)

    Gero

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    1. So unausweichlich wie das gegenseitige Beschimpfen vor der Schlacht ;)

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    2. Oder der abgemurkste Priester in den Uhtred-Büchern ;-)

      LG,
      Erwin

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    3. Auch im 10. Band muss selbstverständlich einer dran glauben! :)

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  2. Bernard Cornwell hat sich für meinen Geschmack mit Uhtred zu schnell in der Zeit vorwärtsbewegt. Besser wäre es gewesen, wenn er den Charakter länger in dessen Jugend hätte verweilen lassen. Bei den Sharpe-Büchern hat man das besser gelöst.
    Yogo

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    1. Das unterschreibe ich zu 100 Prozent. Man hätte Uhtreds Jugend in mehr Romanen näher behandeln können. Ein schöner Abschluss der Reihe wäre dann gewesen, wenn Uhtred, nach Alfreds Tot, seine Burg zurückerobert hätte.

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  3. Mein Mann liest diese Romane seit ungefähr zehn Jahren mit großer Begeisterung. Ich selbst kann nicht besonders viel damit anfangen. Aber Frauen gehören vermutlich grundsätzlich nicht zu den typischen Lesern dieses Autors. Für uns bleiben Rebecca Gablé und, wenn man es ganz schmalzig mag, Iny Lorentz .....

    Grüßle,
    Maria

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    1. Da hast du recht, Frauen haben an Cornwells Büchern Büchern zumeist weniger Freude. Aber die Auswahl an alternativen Mittelalterromanen ist glücklicherweise riesig.

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  4. Die Goldschrift auf dem Cover hält diesmal. Wenigstens bei meinem Exemplar.
    LG,
    Erwin

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    1. Auch bei meinem. Man dürfte aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben.

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