Samstag, 14. Juli 2018

Buch: Turnier - 1000 Jahre Ritterspiele

Das Turnierwesen: Vom Mittelalter bis in die Gegenwart

Turnier - 1000 Jahre Ritterspiele ist ein Sachbildband, in dem verschiedenen Autoren das facettenreiche Thema 'Ritterturnier' einer näheren Betrachtung unterziehen. 
Auf dem Klappentext des Buchs heißt es zwar, dass hier ein historischer Gesamtüberblick zum Turnierwesen geboten wird (11. Jahrhundert bis heute), der Schwerpunkt ist aber eindeutig im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert angesiedelt - also während des Übergangs vom Spätmittelalter zur Renaissance. Dieser Zeitraum mag z.B. hinsichtlich der im Buch besonder ausführlich betrachteten Plattenrüstungen einen handwerklichen Höhepunkt dargestellt haben, aber der mit dem Turnierwesen stark verknüpfte Ritterstand war damals längst obsolet geworden und nur mehr ein Schatten seiner selbst. Die im Buch getroffene Gewichtung finde ich daher in Anbetracht des Themas nicht ganz logisch.
Doch immerhin, die wunderschönen großformatigen Abbildungen entschädigen dafür weitestgehend (siehe unten). Darüberhinaus stellten die meisten der Beiträge für mich durchaus einen Gewinn dar. Etwa jener von Tobias Capwell, der aus eigener Erfahrung den langen Weg des Experimentierens beschreibt, um beim heutigen Nachstellen von Ritterturnieren in nahezu jedem Detail ein Höchstmaß an historischer Authentizität erreichen zu können. Ein Prozess, der nicht ohne das Vergießen des einen oder anderen Tropfen Bluts vonstatten ging ... Übrigens, Capwell wird einigen Lesern von seinen Gastauftritten im Youtubekanal scholagladiatoria her bekannt sein. 
Ebenfalls interessant ist der Beitrag von Matthias Pfaffenbichler, in dem es um das Plattner-Handwerk und die Herstellung von Turnierrüstungen geht, die aus bis zu 170 (!) Einzelteilen bestehen konnte. Plattner-Meister brachten es oft zu großem Wohlstand, besonders wenn sie sich auf hochwertige Harnische spezialisierten, für die der Adel bereit war, astronomische Preise zu bezahlen.
Ernst Pöschl wiederum schreibt über das Testen von Nachbauten solcher spätmittelalterlichen Rüstungen in einem TÜV-Labor. Unter anderem wurde hierbei ein Lanzentreffer mit 60 km/h auf den Sehschlitz eines Helmes nachgestellt, um herauszufinden, welche Gefahren hier für heutige Turnierkämpfer konkret bestehen. Eine der Folgen dieses Tests ist, dass über das Anbringen von (eher wenig authentischem) Spezialglas an der Innenseite der Turnierhelme nachgedacht wird, um die Augen des Trägers besser vor Holzsplittern zu schützen.
Usw. usf.

Fazit: Unterm Strich ein schön gestaltetes, interessantes Buch. Etwas mehr Hochmittelalter hätte meiner meiner Meinung nach allerdings nicht geschadet. Der Kaufpreis beträgt knapp 50 Einheiten europäisches Fiatgeld.

Franz Großschedel: Sogenannte Rosenblattgarnitur des Kaisers Maximilian II. | aus: Turnier - 1000 Jahre Ritterspiele

Anton Pfefferhausen:  Harnisch zum Plankenstechen des Kurfürsten Christian I. von Sachsen | aus: Turnier - 1000 Jahre Ritterspiele

Lorenz Helmschmid: Mechanisches Bruststück einer Rüstung, wie es zur Zeit des Kaisers Maximilian I. verwendet wurde | aus: Turnier - 1000 Jahre Ritterspiele

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Weiterführende Informationen:

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3 Kommentare:

  1. Der Harnisch auf dem 3. Bild ist schon regelrecht Steampunk
    :-)

    Gero

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    1. Dieses Stück finde ich auch interessant. Wenn man nämlich bedenkt, welche einfachen Werkzeuge damals nur zur Verfügung standen, dann ist die komplexe Mechanik umso beeindruckender.

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    2. Hin und wieder findet man ja bei Wikipedia auch mal etwas nützliches:
      https://de.wikipedia.org/wiki/Brustst%C3%BCck_mit_Federmechanismus

      Grüße
      Ulrich

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