Der bekannte römische Politiker Marcus Tullius Cicero ärgerte sich in einem Brief darüber, dass die Säulen in seinem neuen Haus abgerissen werden mussten, da sie weder in Reihe, noch senkrecht standen. Handelt es sich dabei um eine Ausnahme? Schließlich werden die Alten Römer für ihre Fähigkeiten als Baumeister ständig in den Himmel gelobt. Erst unlängst wieder in einer Radiosendung des ORF (die mich auch zu diesem kurzen Beitrag bewogen hat).
Je mehr antike Originalquellen man studiert, umso stärker muss man das undifferenzierte Bild von den Römern als absolut überragende Baumeister in Zweifel ziehen. Eines von etlichen Beispielen dafür ist eine massiv verpfuschte Fernwasserleitung in Saldae (Nordafrika), die beinahe als unrühmliche Bauruine ihr Ende gefunden hätte, wäre nicht ein absoluter Fachmann aus dem Ruhestand heraus reaktiviert worden, um das sündteure, sich zeitlich schon viel zu sehr in die Länge ziehende Projekt zu retten.
Auch der eingangs erwähnte Cicero liefert einen weiteren Beleg für Baupfusch im größeren Stil - und wieder geht es dabei um Säulen: In seinem Werk "Reden gegen Verres II" berichtet er, dass es ausgerechnet beim prominent am Forum Romanum liegenden Castor-Tempel fast keine einzige wirklich senkrecht stehende Säule gab. Das hatte man im Jahr 74 v. Chr. nach der Abnahme des damals gerade frisch renovierten Baus mittels Bleilot festgestellt. Die Säulen* wurden daraufhin mit Hilfe einer nicht näher definierten Maschine (machina) abgebrochen und neu errichtet. Möglicherweise handelte es sich dabei um ein fahrbares Stützgerüst, das ähnlich wie ein moderner Wagenheber eingesetzt wurde?
Im selben Buch berichtet Cicero nur wenige Seiten weiter nochmals über inadäquate Baumaßnahmen: Die wichtige Straße zwischen der Statue des Gottes Vertumnus und dem Circus Maximus sei vom dafür zuständigen Prätor Gaius Verres dermaßen schlecht in Stand gesetzt worden, dass dieser aus Scham nicht darauf zu gehen gewagt hatte, wie es etwas polemisch heißt.
Irgendwie fühlt man sich bei all dem an Süditalien erinnert, wo man es bis heute beim Bauen oft nicht allzu genau mit den Regeln, den Baumaterialien und den Maßen nimmt. Deshalb kann es schon einmal vorkommen, dass bei einem Erdbeben vor allem die in der Nachkriegszeit errichteten Gebäude wie Kartenhäuser zusammenfallen, während die älteren Gebäude relativ glimpflich davonkommen.
Übrigens, bei der ganz oben abgebildeten Rekonstruktion einer römischen Therme im Archäologischen Park Carnuntum hat man außen den (Kalk-)Verputz weggelassen. In gewisser Weise ist auch das 'Pfusch', da eine solche Vorgehensweise aus historischer Sicht unwahrscheinlich ist. Natürlich gab es im antiken Rom auch Häuser mit unverputzten Fassaden, aber kaum bei Prestige-Bauten wie städtischen Thermen.
* Anmerkung: Cicero spricht im 2. Buch seiner "Reden gegen Verres" auch über die Kosten von größeren, luxuriösen Säulen. Gemeint sind solche, die nicht einfach nur aus Ziegeln aufgemauert und dann verputzt worden sind, sondern vielmehr aus aufeinandergestapelten steinernen Säulentrommeln oder gar nur einem einzigen Stein bestanden. Z.B. mussten für Säulen, die das Dach rund um das Impluvium (Wasserbecken) eines vornehmeren Hauses stützten (und die, wie es heißt, mit denen von manch Tempel vergleichbar waren) 20 000 Sesterzen pro Stück bezahlt werden (mindestens vier Stück wurden für ein Impluvium benötigt). Zum Vergleich: Ein Lohnarbeiter verdiente zu Ciceros Zeiten gerade einmal 4 Sesterzen am Tag; das bedeutet, so jemand hätte über 13 Jahresgehälter investieren müssen, um sich nur eine einzige Säule kaufen zu können.
Diese sehr hohen Preise erklären übrigens auch, warum schöne Säulen immer wieder als Kriegsbeute mitgenommen wurden. Beispielsweise noch Napoleon raubte Säulen des Aachener Doms und ließ sie in den Louvre bringen. Notiz am Rande: Alexander von Humboldt, der sich wohl als Kosmopolit profilieren wollte, trat nach Kriegende bemerkenswerterweise für den Verbleib des Raubgutes in Paris ein. Zum Glück für die Aachener allerdings ohne Erfolg.
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* Anmerkung: Cicero spricht im 2. Buch seiner "Reden gegen Verres" auch über die Kosten von größeren, luxuriösen Säulen. Gemeint sind solche, die nicht einfach nur aus Ziegeln aufgemauert und dann verputzt worden sind, sondern vielmehr aus aufeinandergestapelten steinernen Säulentrommeln oder gar nur einem einzigen Stein bestanden. Z.B. mussten für Säulen, die das Dach rund um das Impluvium (Wasserbecken) eines vornehmeren Hauses stützten (und die, wie es heißt, mit denen von manch Tempel vergleichbar waren) 20 000 Sesterzen pro Stück bezahlt werden (mindestens vier Stück wurden für ein Impluvium benötigt). Zum Vergleich: Ein Lohnarbeiter verdiente zu Ciceros Zeiten gerade einmal 4 Sesterzen am Tag; das bedeutet, so jemand hätte über 13 Jahresgehälter investieren müssen, um sich nur eine einzige Säule kaufen zu können.
Diese sehr hohen Preise erklären übrigens auch, warum schöne Säulen immer wieder als Kriegsbeute mitgenommen wurden. Beispielsweise noch Napoleon raubte Säulen des Aachener Doms und ließ sie in den Louvre bringen. Notiz am Rande: Alexander von Humboldt, der sich wohl als Kosmopolit profilieren wollte, trat nach Kriegende bemerkenswerterweise für den Verbleib des Raubgutes in Paris ein. Zum Glück für die Aachener allerdings ohne Erfolg.
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"Oh Zeiten, oh Sitten!" - möchte man da ausrufen.
AntwortenLöschenOb es aber damals auch schon einen Bauskandal in der Größenordnung des BER gegeben hat?
;-)
Der BER-Bauskandal ist wohl einzigartig - so wie die Sieben Weltwunder ;)
LöschenIm bronzezeitlichen Knossos auf Kreta sind die Säulen aus Stahlbeton ....
AntwortenLöschenPaul S. Stuwe
In der Tat. Und das war leider nicht einmal der ärgste Fehler von Arthur Evans.
LöschenAuf meine Frage weshalb die Häuser im Archeologiepark Carnuntum außen nicht verputzt sind meinten die Archeologen das diese groben Außenwände richtig rekonstruiert wären, da es sich bei diesem Baustil um eine Pannonische Eigenart handelt. Das solche römischen Bauten in Pannonien weit verbreitet und üblicher wären als die verputzten wie man sie zb aus Rom kennt.
AntwortenLöschenGrüße Rene
Das ist interessant, weil mir haben sie im Zuge einer Führung auf Nachfrage etwas ganz anderes erzählt: Man habe es nicht gemacht, damit die Besucher sehen können, dass alles originalgetreu mit Bruchsteinen aufgemauert wurde.
LöschenDas passt auch gut zu dem Umstand, dass Teile der Gebäudefassade ja durchaus verputzt sind, nur eben bei weitem nicht alles.
Die dir gegenüber getätigte Behauptung, das wäre eine pannonische Eigenheit, riecht mir bezogen auf eine städtische Therme deshalb eher nach einer Ausrede.
Wenn es sich hingegen um etwas wie ein einfaches Landgut handeln würde, sehe die Geschichte anders aus. Bei solchen Bauten wurde nämlich tatsächlich nicht immer fein säuberlich verputzt. Schon Cato der Ältere schreibt diesbezüglich von lediglich einer dünnen Schicht Kalktünche. Auf die könnte man auch getrost ganz verzichten.
Ich hätte zum weggelassenen Putz eine dritte Variante anzubieten. Ich habe nämlich während den Bauarbeiten von einem Journalisten, der die Betreiber des Museums und eine Landesrätin interviewt hat, erfahren,, dass man wahrscheinlich wegen dem Aufwand und zeitlichen Gründen (Termin der Landesaussteluung?) nicht gleich alles verputzen wird, aber das später vielleicht nachholt. Das ist jetzt aber auch schon wieder etliche Jahre her.
LöschenVielleicht sollten die sich mal auf eine gemeinsame, nach außen kommunizierte Variante einigen ;o)
LG
Gregarius