Freitag, 7. September 2018

🔥 Mittelalter-Dilettanten aus Bodensee-Region verbrennen seit sechs Jahren Steuergeld - kein Ende in Sicht

Vor ungefähr zwei Wochen korrespondierte ich über mehrere Tage hinweg mit einem Politiker aus Baden-Württemberg. Der hatte mich nämlich gebeten, ihm einige Detailfragen zur Mittelalterbaustelle Campus Galli zu beantworten, deren Treiben ich seit rund sechs Jahren bekanntermaßen kritisch kommentiere. Auf Grundlage dieses Schriftwechsels gebe ich im folgenden Text einen kleinen Überblick hinsichtlich der kostspieligen Fehlprognosen, die so überaus typisch für die sogenannte "Karolingische Klosterstadt" sind. Dabei werde ich auch die jüngsten Entwicklungen berücksichtigen, die nur als endgültige 'Bankrotterklärung' bezeichnet werden können - obschon die Zahlungsfähigkeit dank üppig fließender Subventionen weiterhin gegeben ist.

2011, also zwei Jahre bevor das in der Nähe des Bodensees beheimatete Bauprojekt  an den Start ging, hieß es seitens der Betreiber und Politik ausdrücklich, der Bürger möge sich doch bitte keine Sorgen machen; die Bezuschussungsphase für den von einem privaten Verein getragenen Campus Galli sei ja nur kurz und spätestens nach rund drei Jahren Laufzeit (2015/2016) dürfe man mit rund 120.000 Besuchern pro Saison bzw. Schwarzen Zahlen rechnen. Doch bereits nach der ersten Saison (2013) war klar, dass die herbeigeredeten Besuchermassen ausbleiben und daher das ursprüngliche Finanz-Ziel nicht einmal annähernd erreicht werden kann.

Dem Projektinitiator und Vorsitzenden des Trägervereins wurde nun vom nervös werdenden 'Hauptsponsor' - dabei handelt es  sich um die Standortgemeinde Meßkirch - eilig ein Geschäftsführer aufs Auge gedrückt. Dieser hatte den Auftrag erhalten, ein aktualisiertes und solideres Konzept zu entwickeln. Zur Seite stand ihm dabei ein politiknaher Finanzberater.
Nachdem die beiden Herren ein bisschen mit den Zahlen jongliert hatten, ließen sie verlautbaren, man sei nach "konservativer" (!) Planung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Campus Galli zwar erst 2018 Schwarze Zahlen schreiben könne, dann aber schon deutlich vor dem Erreichen der bisher genannten 120.000-Besucher-Marke. Von angepeilten 100.000 Besuchern pro Saison war ab nun zumeist etwas vage die Rede.

Spätestens im Herbst 2017 - als man für das folgende Jahr (2018) lediglich 90.000-95.000 Besucher prognostizierte und der Geschäftsführer des Campus Galli überdies wegen angeblich nötigen Investitionen zusätzliche finanzielle Unterstützung verlangte - war klar, dass auch seine aktualisierte "konservative" Planung aus dem Jahr 2015 ein veritabler Schuss in den Ofen ist. Der Bürger würde  also - über Förderungen der Kommune, des Landes und der EU - auch weiterhin die Zeche für das finanzmarode Vaporware-Projekt bezahlen müssen.

Wie lange dieser unerfreuliche Zustand andauern soll, lässt sich nun aus einem aktuellen Statement des Geschäftsführers entnehmen. Der räumte darin ein, dass man wohl nicht einmal beim Erreichen des am Projektanfang (2011/2013) behaupteten Break-Even-Points von 120.000 Besuchern in die Gewinnzone vorstoßen könne - von der 100.000-Besucher-Marke seiner im Jahr 2015 aktualisierten Prognose ist erst recht keine Rede mehr (genauso wenig wie von dem seit Jahren herbeigewünschten privaten Großsponsor). 

Bei der Rechtfertigung seines Versagens macht es sich der Geschäftsführer - ein in betriebswirtschaftlichen Belangen unerfahrener Archäozoologe - leicht. Lapidar meint er:

„Je mehr Gäste kommen, desto größer und teurer wird auch unsere Infrastruktur."

Eine Überraschung ist all das für Kenner der Misere kaum. Sämtliche eng mit der Politik abgestimmten Fehlprognosen der letzten Jahre werden wohl nichts anderes als der Versuch gewesen sein, die Öffentlichkeit zu beruhigen und Zeit zu schinden (genau davor habe ich hier ja immer gewarnt). Erst jetzt, nachdem bereits Millionen in dem Projekt versenkt worden sind - und die Verantwortlichen deshalb den Eindruck erwecken, man könne nicht mehr zurück - wird die Wahrheit scheibchenweise ans Licht der Öffentlichkeit befördert. Man baut dabei zweifellos auf die Vergesslichkeit der meisten Wähler. Eine Strategie, die funktionieren könnte, denn bei dem abstrusen Zahlenverwirrspiel, das hier vom Campus Galli seit rund sechs Jahren in Zusammenarbeit mit einigen wohlgesonnenen Medien betrieben wird, blicken längst nur noch wenige Menschen durch.
Daher möchte ich einen aktuellen grafischen Überblick geben, der mehr über das wirtschaftliche Versagen der Verantwortlichen Auskunft gibt als tausend Worte. Hier wird nämlich auf einem Blick ersichtlich, wie weit die Meßkircher Mittelalter-Dilettanten sich von ihren eigenen Ankündigungen entfernt haben.


Abschließender Hinweis: Wenn seitens der Campus-Galli-Betreiber von 'Gewinnschwellen' gesprochen wird, so schließt dies keinesfalls aus, dass ein Teil der Förderungen auch nach dem scheinbaren Erreichen Schwarzer Zahlen weiterfließt. Die herbeigeträumte finanzielle Unabhängigkeit - wann immer diese auch kommen wird - bezieht sich nämlich primär auf offizielle Förderungen seitens der Standtordgemeinde (sogenannte Betriebskostenzuschüsse). Es existieren jedoch auch inoffizielle bzw. nicht 'in Rechnung gestellte' - wie etwa eine Erweiterung des Besucherparkplatzes um 120.000 Euro sowie die Übernahme von hohen Bürgschaften. Ebenfalls nicht zu vergessen sind die in Summe gewichtigen Zuschüsse aus EU- und Landestöpfen. So wird etwa ein geplanter Scheunenbau mit 301.000 Euro aus dem "Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum" subventioniert. Bedeutende Steuergeld-Zapfhähne sind außerdem das Arbeitsamt und der "Europäische Sozialfond".

Daraus folgt zwingend: Der Campus Galli wird sich bestenfalls in etlichen Jahren - wahrscheinlich aber nie - zu 100 Prozent aus Eigenmitteln tragen können. Das widerspricht den einst gemachten Beteuerungen von Lokalpolitikern und Projektbetreibern, mit denen diese die Bevölkerung beschwatzt hatten, um bei ihr die nötige Akzeptanz für die Mittelalterbaustelle zu erzeugen.

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UPDATE 1 (8. Nov. 2018): Die Besucherzahlen für 2018 wurden zwischenzeitlich bekanntgegeben. Die prognostizierten - und oben in der Grafik eingetragenen - 95.000 hat man weit verfehlt. Laut Südkurier sind es nur 83.000.

UPDATE 2 (30. November 2018): Aufgrund der nicht in Erfüllung gegangenen Besucherprognosen fehlen dem Campus Galli 2018 170.000 Euro in der Kasse - berichtet der Südkurier. Der Geschäftsführer des Projekts, Hannes Napierala, fordert von der Stadt Meßkirch, sie solle diese Kosten - zusätzlich zu den schon fließenden Betriebskostenzuschüssen - übernehmen. Darüberhinaus verlangt er laut Schwäbischer Zeitung, zukünftig gänzlich auf Besucher- bzw. Gewinnprognosen zu verzichten. Wohl um die Nachvollziehbarkeit des von ihm zu verantwortenden Versagens für außenstehende Beobachter zu erschweren.

UPDATE 3 (25. Januar 2019): Der Gemeinderat der Stadt Meßkirch hat aufgrund der Finanzlage des Campus Galli laut Schwäbischer Zeitung und Südkurier folgendes beschlossen:
- 1. Dem Campus Galli wird ein im Vorjahr gewährter Kassenkredit von 40.000 Euro erlassen (der zusätzlich zu den normalen Förderungen floss)
- 2. Dem Campus Galli werden nachträglich für die Saison 2018 170.000 Euro zugeschossen (da die Besucherzahlen weit unter den Prognosen blieben)
- 3. Der Campus Galli erhält 2019, 2020 und 2021 jeweils 300.000 Euro (auch danach wird viel Geld zugeschossen werden 'müssen' - aber das möchte man noch nicht öffentlich zugeben - Stichwort 'Salamitaktik')



12 Kommentare:

  1. Franz Hofstädtler7. September 2018 um 14:02

    Ich stelle mir gerade vor, VW würde seit 6 Jahren Staatsgelder benötigen, um nicht pleite zu gehen, und das dann damit rechtfertigen:

    „Je mehr Leute unsere Autos fahren, desto größer und teurer müssen auch unsere Fabriken werden"

    :D

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  2. Diese auf massive Subventionierung beruhende Wirtschaftspolitik erinnert mich an die DDR. Wer das Projekt gut findet, der soll dafür spenden. Wenn man es auf diesem Weg, plus den Eintrittsgeldern, nicht finanzieren kann, dann gehört der Laden gesund geschrumpft oder dicht gemacht.

    Karl0

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    1. "Der Laden" hat jetzt schon ein so kleines Angebot, dass eine Schrumpfung gar nicht mehr möglich ist. Bleibt nur die Schließung als Option, was schade wäre.
      Dass bei den Finanzen nicht mit offenen Karten gespielt worden ist und immer noch nicht wird, ist aber eine zutreffende Kritik. Man hätte von Anfang an ehrlich sagen müssen, was das alles kostet. Nach der ersten Saison war das jedem, der Einblick in die Zahlen hatte, klar.

      Eine ehemalige Mitarbeiterin von Campus Galli

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    2. @Mitarbeiterin Ich finde es mehr schade, dass dort Jahr für Jahr mein Steuergeld den Lokus hinuntergespült wird, nur um einer Truppe von lahmen Dilettanten den Arbeitsplatz zu sichern. Es gibt im Landkreis Freilichtmuseen und Forschungseinrichtungen, die dieses Geld wesentlich sinnvoller nützen könnten. Die Denkmalpflege würde sich ganz bestimmt auch darüber freuen.

      Mr. Frog

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  3. Ich sage immer, lasst den freien Markt entscheiden, nicht die Politiker!

    Gero

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    1. Der Meßkircher Bürgermeister ist doch von der CDU. Sollte das nicht ein Marktwirtschaftler sein?
      QX

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    2. Die CDU war zuletzt unter Ludwig Erhard ernsthaft marktwirtschaftlich orientiert.

      Mr. Frog

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  4. Ein außerordentlich dubioses Projekt.

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  5. Schade wie hier ein so tolles Projekt schlecht gemacht wird! Es werden doch jährlich Millionen Euro von der Politik verschleudert! Hier entsteht wenigstens etwas sinnvolles: ein Stück Geschichte wird erlebbar und zugänglich gemacht. Ich war schon zwei mal dort und bin ganz begeistert wie leidenschaftlich die Arbeiter bei der Sache sind! Hier werden Jobs geschaffen und das solch ein Projekt Starthilfe braucht finde ich überhaupt nicht schlimm! Und da niemand der Beteiligten eine Kristallkugel hatte um die Besucherzahlen zu prognostizieren, finde ich es doch sehr übertrieben wie in dem Artikel darüber geschimpft wird....

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    1. Mit Schlagworten wie "schlecht machen" wird man die Kritik am offenkundigen betriebswirtschaftlichen Versagen der Betreiber nicht invalidieren können. Genauso wenig wird es gelingen, mit klassischer "Whataboutism"-Rabulistik das Förder- und Abpumdickicht, das rund um das Projekt wuchert, schön zu reden.

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    2. @Anonym Es werden hier nicht wirklich Arbeitsplätze geschaffen, sondern unwirtschaftliche Arbeitsplätze mit Steuergeld subventioniert und so künstlich am Leben erhalten, damit ein Bürgermeister und sein Gemeinderat nicht als Groß-Pleitiers dastehen. Ich nenne das Insolvenzverschleppung.
      QX

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  6. Gut gemeint, aber offenbar betriebswirtschaftlich schlecht durchdacht.
    Kein Einzelfall, sondern im Bereich der Freilichtmuseen schon fast die Regel.

    LG

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