Sonntag, 26. Mai 2019

🖋️ Gastbeitrag von Raimund Karl: ArchĂ€ologische Wissenschaft, Denkmalpflege oder G’schichtldruckerei? Reaktion auf ein Interview mit Harald Meller



In einem jĂŒngst auf diesem Blog publizierten Interview wurde der LandesarchĂ€ologe von Sachsen-Anhalt, Harald Meller, vom Interviewer mit zwei meiner Fachmeinungen konfrontiert. Die Antworten von Herrn Meller machen es leider fĂŒr mich erforderlich, dazu Stellung zu nehmen. Ich bedanke mich daher besonders beim Betreiber dieses Blogs fĂŒr die Gelegenheit, dies hier in Form eines Gastbeitrags tun zu können. Die zwei meiner Fachmeinungen, mit denen Kollege Meller hier konfrontiert wurde, waren wie folgt:
1) dass die englischen und walisischen gesetzlichen Regelungen des archĂ€ologischen Fundmeldewesens fĂŒr das Erreichen des Zieles eines archĂ€ologischen Quellenschutzes effizienter sind als die vergleichbaren Regelungen in Deutschland (siehe z.B. Karl & Möller 2016); und
2) dass archĂ€ologische Archive seit langem viel zu viele archĂ€ologische Funde archivieren und eine strategischere Selektion der archivierten Funde – nötigenfalls auch verbunden mit einem „Entsammeln“ ĂŒberflĂŒssiger Fundmassen aus diesen Archiven – fĂŒr die langfristige archĂ€ologische Quellenerhaltung dringend erforderlich ist (siehe z.B. Karl 2015; 2016).
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Entsammeln

Herrn Mellers Reaktionen darauf sind in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert und nicht zuletzt sowohl inhaltlich teilweise unrichtig als auch im zweiten Fall teilweise hochgradig unsachlich. Ich erlaube mir aus dem zuletzt genannten Grund sozusagen ‚von hinten‘ anzufangen, nĂ€mlich mit der Unsachlichkeit. Kollege Meller beginnt nĂ€mlich seine Antwort auf meinen zweiten Punkt mit klassischen ad hominem-Angriffen: er wirft mir fachliche Unkenntnis oder unlautere Motive vor. Solche persönlichen Angriffe haben nicht nur in einer wissenschaftlichen Diskussion (siehe dazu erst jĂŒngst Karl 2019, Seiten 40-41 und 43-45) nichts zu suchen, sondern noch viel weniger in einem veröffentlichten Interview.
Diese Unsachlichkeit vermag allerdings kaum zu verwundern, denn Kollegen Mellers Position steht in dieser Angelegenheit auf sehr schwachen argumentativen Beinen. Denn meine Forderung nach stĂ€rkerer SelektivitĂ€t in der Archivierung und – erforderlichenfalls – sogar nach vermehrter „Entsammlung“ ist schon seit lĂ€ngerem internationaler Fachkonsens: so fordert z.B. der Leiter der Abteilung archĂ€ologische Archive von Historic England (dem englischen Denkmalamt) genau das schon seit langem (siehe z.B. Brown 2011, Seiten 23-24). Ebenso hat das Europae Archaeologiae Consilium – der Verband der europĂ€ischen staatlichen archĂ€ologischen Denkmalpfleger – in seinem Handbuch ArchĂ€ologische Archivierung in Europa genau dieselbe SelektivitĂ€t empfohlen, die auch ich angeregt habe (EAC 2014, Seite 34; siehe insbesondere den dort auch erwĂ€hnten „sekundĂ€ren Auswahlprozess“, d.h. das „Entsammeln“). TatsĂ€chlich wird die „Entsammlungsdebatte“ seit wenigstens drei Jahrzehnten gefĂŒhrt (z.B. Morgan & MacDonald 2018), weil die archĂ€ologischen (und andere) Archive schon seit langem ĂŒberquellen.
Auch mit dem Argument ĂŒber derzeit noch gĂ€nzlich unbekannte Untersuchungsmethoden, mittels derer man in der Zukunft potentiell bedeutende neue Erkenntnisse gewinnen kann, ist es nicht weit her, wenigstens nicht, wenn man den extrem seltenen Ausnahmefall beiseitelĂ€sst und den Regelfall betrachtet. NatĂŒrlich kann man hier, wie Meller das tut, eklektisch ausgewĂ€hlte Geschichten ĂŒber Fallbeispiele erzĂ€hlen, in denen tatsĂ€chlich hundert Jahre nach der Entdeckung bestimmter Funde aus diesen mit neuen Methoden irgendwelche Erkenntnisse gewonnen wurden. Diese Beispiele stellen jedoch seltene und außergewöhnliche Ausnahmen dar; und es ermangelt ihnen daher auch an jedweder Beweiskraft bezĂŒglich des Regelfalls.
Dazu ein paar Fakten: im deutschen Sprachraum lagern derzeit in archÀologischen Archiven wenigstens ca. 100 Millionen archÀologische Funde. Alleine im Nachbarbundesland von Herrn Meller, dem Land Sachsen, betrug bereits vor Jahren die Anzahl der dort eingelagerten archÀologischen Funde 19 Millionen (AAS n.d.), 2016 waren es der sÀchsischen LandesarchÀologin zufolge bereits mehr als 21 Millionen (Bild der Wissenschaft 7-2016, Seite 66), mit einem jÀhrlichen Neuzugang von etwa 250.000-300.000 Objekten.
In Österreich werden bei den jĂ€hrlich ca. 600 vom Bundesdenkmalamt (BDA) bewilligten oder selbst durchgefĂŒhrten archĂ€ologischen Feldforschungsprojekten sicherlich ebenso viele gefunden, wenn nicht noch mehr. Laut BDA waren 2014 jedoch mehr als 50% der 2012 dabei entdeckten Funde in temporĂ€ren Zwischenlagern von Grabungsfirmen und gerade einmal 5% im archĂ€ologischen Archiv des BDA gelandet (Hinterwallner, Fundberichte aus Österreich 53, 2014, Seite 30), das bereits vor seiner offiziellen Eröffnung bis zur KapazitĂ€tsgrenze gefĂŒllt war. Der Leiter der archĂ€ologischen Abteilung des BDA, Bernhard Hebert, hat das Problem jĂŒngst derart zusammengefasst, dass man im Bereich der ArchĂ€ologie derzeit nach dem Motto „besser ein paar Kisten mit ungewaschenen Scherben ins Depot gestellt als gar nichts getan“ vorgeht, „und dort im Depot stehen sie nach wie vor, ungewaschen und unerforscht“ (Hebert, Österreichische Zeitschrift fĂŒr Kunst und Denkmalpflege LXXII, Heft 3/4, 2018, Seite 81). Bei einer Revision des Bestandes in diesem Depot zeigte sich dann auch dem damals zustĂ€ndigen Restaurator zufolge, dass selbst „bereits restaurierte Eisenobjekte zum Teil gravierenden Schaden genommen haben“ (Marius, Fundberichte aus Österreich 50, 2011, Seite 32); um von der Unzahl nicht restaurierter Objekte erst gar nicht zu reden. Dass die Erhaltungsbedingungen in den ĂŒbervollen öffentlichen Depots oft alles andere als hervorragend sind, zeigen regelhaft auftretende SchadensfĂ€lle (fĂŒr zwei Beispiele siehe z.B. Karl 2015, Seite 224).
Dass jeder der geschĂ€tzt ca. 3-5 Millionen archĂ€ologische Funde, die in Deutschland und Österreich jedes Jahr zum derzeit schon vorhandenen Archivbestand hinzukommen, in der Zukunft mit derzeit noch unbekannten Methoden untersucht werden und enorm wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse bringen wird, ist ein schöner archĂ€ologischer Wunschtraum, hat aber nichts mit der Wirklichkeit archĂ€ologischer Sammlungs- und ForschungstĂ€tigkeit zu tun. NatĂŒrlich hat Kollege Meller nicht völlig unrecht damit, dass man eventuell zukĂŒnftig aus archivierten Altfunden neue Erkenntnisse gewinnen kann; und ich bin auch sehr dafĂŒr, eine sinnvolle Menge archĂ€ologischer Funde möglichst dauerhaft zu archivieren. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass jemals alle auch nur derzeit schon archivierten Bodenfunde wissenschaftlich analysiert werden?
Zum Beispiel: im Tiefspeicher des Naturhistorischen Museums in Wien lagern derzeit etwa 10.000 menschliche Skelette. Diese könnte man theoretisch alle auf DNA-Spuren analysieren. Aber: eine aDNA-Probe zu analysieren kostet derzeit jenseits der € 5.000. Eine systematische aDNA-Analyse allein des Skelettbestandes des NHM Wien wĂŒrde also mehr als € 50 Millionen kosten – und das ist nur ein kleiner Anteil des derzeit in Deutschland und Österreich vorliegenden archĂ€ologisch geborgenen Skelettmaterials. Am Wiener Zentralfriedhof liegen ĂŒbrigens etwa 3 Millionen Bestattungen, die man archĂ€ologisch ausgraben und untersuchen könnte. Da reden wir dann von ĂŒber € 15 Milliarden, allein fĂŒr die DNA-Analysen; um von sonstigen Kosten erst gar nicht zu reden.
Der Zentralfriedhof zeigt auch einen der fundamentalsten Denkfehler Mellers auf: in der Vergangenheit haben in Österreich und Deutschland jedenfalls in Summe mehrere Milliarden Menschen gelebt. Nicht nur liegen viele Millionen davon noch im Boden und kommen tagtĂ€glich tausende hinzu, was zu einem stĂ€ndigen Anwachsen des archĂ€ologischen Quellenbestandes fĂŒhrt. Sondern die meisten dieser Milliarden von Menschen haben ĂŒberhaupt keine archĂ€ologischen Spuren hinterlassen, geschweige denn sterbliche Überreste.
BrĂ€uchte man also alles, was es dereinst gegeben hat, um archĂ€ologische Erkenntnis gewinnen zu können, wĂ€re ArchĂ€ologie von Haus aus ein sinnloses Unterfangen: fĂŒr jeden Fund, den wir haben, sind wenigstens 1000 bereits vollstĂ€ndig und spurlos zerstört worden; und wir mĂŒssten jedes Grab, das neu angelegt wird, spĂ€testens ein paar Tage nach Ende der Bestattung archĂ€ologisch ausgraben, damit möglichst viel von der archĂ€ologischen Quelle, zu der der Verstorbene durch seine Bestattung geworden ist, fĂŒr die Erforschung mit zukĂŒnftigen Methoden dauerhaft in einem staatlichen Archiv erhalten wird. Das geht aber natĂŒrlich ĂŒberhaupt nicht, weder aus PietĂ€tsgrĂŒnden noch praktisch.
Braucht man hingegen nicht alles, was es dereinst gegeben hat, um archĂ€ologische Erkenntnis zu gewinnen, gibt es auch keinen Grund, alles aufzuheben, was man findet: arbeitet die archĂ€ologische Wissenschaft, wie sie es tatsĂ€chlich tut, immer nur mit einer Stichprobe dessen, was ehemals existiert hat, genĂŒgt es völlig, eine reprĂ€sentative Stichprobe der auf uns gekommenen Zufallsstichprobe aufzuheben.
Auch in der wissenschaftlichen Auswertung von archĂ€ologischem Fundmaterial ist es nicht nur gĂ€ngig, sondern absolut notwendig, eine Auswahl zu treffen, was man bearbeitet und was man höchstens statistisch erfasst oder sogar völlig verwirft. Ein paar gute Beispiele dafĂŒr hat z.B. Andreas Heege (BDA 2015, Seiten 43-51) jĂŒngst vorgestellt. Liegen z.B. von einer Grabung oder sonstigen archĂ€ologischen Maßnahme mehrere Zehntausend Keramikscherben vor, fließen in die wissenschaftliche Auswertung meist nur 3-5% dieser Funde ein; was in der Regel nicht einmal alle typochronologisch aussagekrĂ€ftigen Randscherben sind, geschweige denn alle Wandscherben. Das liegt daran, dass man aus den verbleibenden 95-97% des betreffenden Fundmaterials keine zusĂ€tzliche signifikante Erkenntnis gewinnen kann, die man nicht auch schon aus den tatsĂ€chlich genauer aufgenommenen 3-5% gewinnt. Dass in solchen Fundkomplexen jeweils auch viele Scherben ehemals zum gleichen GefĂ€ĂŸ gehörten, macht es auch völlig sinnlos, alle davon langfristig zu archivieren. Denn selbst fĂŒr die von Herrn Meller erwĂ€hnten Material- und Spurenelementanalysen, mittels derer man vielleicht irgendwelche wissenschaftliche Erkenntnisse zur Herstellung oder Nutzung der GefĂ€ĂŸe gewinnen kann, braucht man nicht alle Scherben, die ehemals zum gleichen GefĂ€ĂŸ gehörten, sondern in der Regel genĂŒgt eine davon. Man kann also vollkommen ungeniert wenigstens ca. 80% derartiger Keramik-Massenfunde „entsammeln“, ohne auch nur hypothetisch, geschweige denn praktisch, irgendeinen signifikanten wissenschaftlichen Erkenntnisverlust zu verursachen.
All diese Fakten sind natĂŒrlich auch Kollegen Meller wohlbekannt; ebenso wie ihm wohlbekannt ist, dass es die eigentliche Aufgabe der staatlichen Denkmalpflege ist, zu bewerten, was vom entdeckten Fundmaterial so wichtig ist, dass es – mit den absehbar verfĂŒgbaren Ressourcen – langfristig erhalten werden kann; und welchem Teil davon so geringe wissenschaftliche Bedeutung zukommt, dass er verworfen werden muss. In Österreich hat es sogar der Gesetzgeber explizit in der Regierungsvorlage zum Denkmalschutzgesetz so erklĂ€rt: „Das Denkmalschutzgesetz ging von vornherein von einer klaren BeschrĂ€nkung durch wissenschaftlich ĂŒberlegte Auswahl aus. Nur in dieser BeschrĂ€nkung kann der Denkmalschutz auch jene Effizienz entfalten, deren er bei einer zu großen Anzahl von Unterschutzstellungen verlustig gehen wĂŒrde. Aus diesem Grund ist es eine der schwierigsten Aufgaben des Bundesdenkmalamtes, jene Auswahl in jenem Umfang fĂŒr die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewĂ€ltigt werden kann (RV 1999, Seite 39; Hervorhebungen fett: RK). Auch in Sachsen-Anhalt ist das im Wesentlichen nicht anders. Dort definiert das derzeit geltende Denkmalschutzgesetz den Denkmalbegriff wie folgt: „Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind gegenstĂ€ndliche Zeugnisse menschlichen Lebens aus vergangener Zeit, die im öffentlichen Interesse zu erhalten sind. Öffentliches Interesse besteht, wenn diese von besonderer geschichtlicher, kulturell-kĂŒnstlerischer, wissenschaftlicher, kultischer, technisch-wirtschaftlicher oder stĂ€dtebaulicher Bedeutung sind“ (§ 2 Abs. 1 DSchG ST; Hervorhebung fett: RK). Dass jeder beliebigen Wandscherbe besondere Bedeutung zukommt, glaubt wohl nicht einmal Kollege Meller ernsthaft.

Die Forderung nach SelektivitĂ€t in der archĂ€ologischen Archivierung und, wo Archive aufgrund frĂŒherer, nicht ausreichend selektiver Archivierung von Massenfunden ohnehin schon ĂŒbervoll sind, auch aktivem „Entsammeln“, ist also nicht mehr als die Forderung danach, das zu tun, wozu uns der Gesetzgeber eigentlich verpflichtet hat und was nach vorherrschender Fachmeinung auch den bestmöglichen Umgang mit dem archĂ€ologischen Erbe zum Zweck seiner möglichst dauerhaften Erhaltung darstellt. Es ist natĂŒrlich das gute Recht von Herrn Meller, eine andere wissenschaftliche Meinung zu dieser Frage zu vertreten; aber dann soll er diese wissenschaftlich korrekt argumentieren statt in Interviews mit Beleidigungen um sich zu werfen.


Schatzregale

Damit zum anderen Punkt, in dem Herr Meller im Interview mit meiner Meinung konfrontiert wurde; der Frage nach staatlichen Schatzregalen fĂŒr archĂ€ologische Funde und der unterschiedlichen denkmalschĂŒtzerischen Effizienz der deutschen und englisch-walisischen Lösung des Umgangs mit Metallsuchern. Auch zu dieser Frage ist Kollegen Mellers Darstellung der Fakten- und vor allem Rechtslage so grob verkĂŒrzt, dass seine Antwort hochgradig irrefĂŒhrend ist.
Meller bemerkt in seiner Antwort zuerst noch ganz richtig, dass in Deutschland in Bezug auf die Fundeigentumsregelungen derzeit zwei unterschiedliche Lösungen nebeneinander bestehen. Von da an geht es jedoch rapide bergab.

Unterschiedliche Rechtstraditionen?

Von diesen Fundeigentumsregelungen ist die eine die in inzwischen 15 deutschen Landesrechten, darunter auch Sachsen-Anhalt, gewĂ€hlte Lösung eines staatlichen Schatzregals, die Meller auf eine Rechtstradition aus im 13. Jh. n.Chr. zurĂŒckfĂŒhrt, zum von Eike von Repgow verfassten Sachsenspiegel. Die andere ist die im deutschen Bundesrecht (§ 984 BGB) vorgesehene hadrianische Fundteilungsregel, die sich letztendlich aus dem im 6. Jh. n.Chr. kompilierten Corpus Iuris Civilis des Justinian, d.h. aus dem klassischen römischen Recht ableitet. Benannt nach dem Kaiser Hadrian (römischer Kaiser 117-138 n.Chr.) fĂ€llt nach Letzterer das Eigentum an Schatzfunden jeweils zur HĂ€lfte dem Finder und dem Grundbesitzer zu. Meller behauptet in weiterer Folge, dass es sich dabei um alte Rechtstraditionen handle, „die fĂŒr die entsprechende Region erprobt sind“. Das „Vereinigte Königreich England“ stehe hier laut Meller hingegen „in einer anderen Tradition“. Das ist, insbesondere fĂŒr einen Proponenten staatlicher Schatzregale wie Meller, ein bemerkenswert lockerer Umgang mit Fakten.
Beginnen wir mit der Rechtslage in England und Wales. In diesen beiden LĂ€ndern des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland gibt es nĂ€mlich auch ein staatliches Schatzregal (siehe dazu zuletzt genauer z.B. A.G. Guest, The Law of Treasure, Oxford 2018). Dieses Schatzregal ist gemeinhin anerkannter Weise seit Edward the Confessor (König der Angelsachsen, 1042-1066) im frĂŒhen 11. Jh. n.Chr. Bestandteil des englischen Common Law (Attorney-General of the Duchy of Lancaster v G.E. Overton (Farms) Ltd., 1982). UrsprĂŒnglich ein fiskalisches Schatzregal, wird das law of treasure trove in England und Wales bereits seit dem frĂŒhen 20. Jh. primĂ€r als Rechtsinstrument fĂŒr den archĂ€ologischen Denkmalschutz verwendet. Zuletzt durch den Treasure Act 1996 revidiert, stellt es den Denkmalschutz inzwischen auch eindeutig in den Vordergrund. In Section 1 des Treasure Act werden die GegenstĂ€nde definiert, die unter das staatliche Schatzregal fallen; wobei diese Definition (im Prinzip) darauf abzielt, „Kulturdenkmale … von besonderer … Bedeutung“ (§ 2 Abs. 1 DSchG ST) dem Staatseigentum zuzufĂŒhren.
Seit dieses Schatzregal der Denkmalpflege dient, hat es sich eingebĂŒrgert, ehrliche Finder, die „Schatzfunde“ den zustĂ€ndigen Behörden melden, finanziell in Höhe des Marktwerts des Fundes zu belohnen. Nachdem das englische Fundrecht bei sonstigen Bodenfunden der Gewohnheitsrechtsregel folgt, dass alles, was auf der ErdoberflĂ€che gefunden wird dem Finder, hingegen alles, was darunter gefunden wird, dem GrundeigentĂŒmer gehört (z.B. Waverley BC v Fletcher, 1996), wird diese Belohnung gewöhnlich zu gleichen Teilen zwischen Finder und Grundbesitzer geteilt (zum genauen Prozess siehe DCMS 2019, Seite 3). Deklarierter Zweck dieser Belohnung ist es, Finder zur Meldung von Schatzfunden statt dem Verkauf am Schwarzmarkt zu animieren (DCMS 2019, Seite 37 Abs. 124).
In Deutschland ist die Situation hingegen etwas anders: hier wurde die alte, feudale Rechtstradition, darunter auch das fiskalische Schatzregal, durch die Kodifizierung des gesamtdeutschen Privatrechts durch das am 1.1.1900 in Kraft getretene BĂŒrgerliche Gesetzbuch (BGB) abgeschafft. Erst seit den 1970ern begannen dann unter Berufung auf ihre Kulturhoheit die deutschen LĂ€nder – nun explizit denkmalpflegerisch ausgerichtete – „Schatzregale“ neu einzufĂŒhren, beginnend mit Baden-WĂŒrttemberg in 1971.
Sachsen-Anhalt hat ein „archĂ€ologisches Schatzregal“ sogar erst 1991 eingefĂŒhrt. Dieses hat auch praktisch nichts außer seiner Bezeichnung mit dem im Sachsenspiegel enthaltenen „Schatzregal“ zu tun, denn bei Eike von Repgow liest man: „Al schat under der erden begrauen deper den en ploch geyt.de hort to derer conincliken walt“ (frei ĂŒbersetzt: „Alles, was sich tiefer im Boden befindet als der Pflug reicht, gehört in die königliche Gewalt“; Oldenburger Sachsenspiegel, fol. 22v). Man vergleiche dazu den derzeit geltenden § 12 Abs. 1 DSchG ST: „Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die solange verborgen gewesen sind, daß ihr EigentĂŒmer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben. Denjenigen, die ihrer Ablieferungspflicht nachkommen, kann eine angemessene Belohnung in Geld gewĂ€hrt werden, die sich am wissenschaftlichen Wert des Fundes orientiert“.

Von einer seit dem Mittelalter ungebrochenen Rechtstradition eines Schatzregals, wie es sie in England und Wales tatsĂ€chlich gibt, kann also in Deutschland keine Rede sein. Vielmehr haben wir hier eine EinfĂŒhrung eines völlig neu ausgerichteten staatlichen Kulturdenkmalfundregals vor uns, die sich bestenfalls bei extrem oberflĂ€chlicher und ungenauer Betrachtung der historischen Faktenlage auf eine lange Rechtstradition stĂŒtzen kann. Mehr noch: es ist auch keineswegs so wie von Herrn Meller behauptet, dass die Fundeigentumsregelung im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland in einer signifikant „anderen Tradition“ als die in Sachsen-Anhalt stĂŒnde, sondern beide stĂŒtzen sich letztendlich auf das mittelalterliche feudalrechtliche Prinzip „quod nullius est fit domini regis“ (so ausgedrĂŒckt im schottischen Recht; siehe Lord Advocate v University of Aberdeen & Budge, 1963).

Dem (wissenschaftlichen) Wert angemessene Belohnung in Geld?

Besonders spannend ist bei der derzeit in Sachsen-Anhalt geltenden Regelung auch die Möglichkeit, dass ehrlichen Findern, die ihre „Schatzfunde“ abliefern, eine sich am wissenschaftlichen Wert des Fundes orientierende Belohnung in Geld gewĂ€hrt werden kann (aber offenbar nicht muss). Der wissenschaftliche Wert solcher Funde muss ja nachgerade unermesslich sein, wenn man, wie Herr Meller es im Interview erlĂ€utert, selbst mit völlig unbedeutend erscheinenden Funden „fundamentalste historische Fragen“ aufklĂ€ren kann.
Es stellt sich daher die Frage, wie bestimmt wird, wie hoch eine diesem wissenschaftlichen Wert angemessene Belohnung in Geld auszufallen hat. Gem. § 971 BGB betrĂ€gt z.B. der gesetzliche (und damit wohl als „angemessen“ zu betrachtende) Finderlohn in Deutschland „von dem Werte der Sache bis zu 500 Euro fĂŒnf vom Hundert, von dem Mehrwert drei vom Hundert“. Ist also der wissenschaftliche Wert eines Fundes in Geldwert als € 100 anzugeben, wĂ€ren das € 5 angemessener Finderlohn; ist der wissenschaftliche Wert € 1.000, wĂ€re der angemessene Finderlohn € 40, usw. Harald Meller selbst hat z.B. in einem Interview (Der Spiegel 2008) festgestellt, dass der kolportierte Versicherungswert von € 100 Millionen fĂŒr die Himmelsscheibe von Nebra – der wohl ihren wissenschaftlichen Wert in Geldwert ausdrĂŒckt – nicht unrealistisch sei. WĂ€re sie also nicht von RaubgrĂ€bern, sondern von einem ehrlichen Zufallsfinder entdeckt und unmittelbar dem Land Sachsen-Anhalt gem. § 12 Abs. 1 DSchG ST abgeliefert worden, hĂ€tte dieser ehrliche Finder mit einer Belohnung in Höhe von € 3 Millionen rechnen können?
Noch wichtiger: nachdem man laut Herrn Meller ja selbst aus dem unscheinbarsten Fund gleichermaßen bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen zu können scheint wie aus der Himmelsscheibe ist wohl auch der wissenschaftliche Wert „scheinbar langweiliger Keramikfunde“ dem der Himmelsscheibe gleich. Macht dann die dem wissenschaftlichen Wert eines gewöhnlichen Scherbenfundes angemessene Belohnung seines ehrlichen Finders in Geld auch € 3 Millionen pro StĂŒck aus?
Nachdem ich dazu leider trotz ausgiebiger Nachforschungen keine Informationen finden konnte, muss ich wohl davon ausgehen, dass in Sachsen-Anhalt das „Scherbenklauben“ beim Spazierengehen eine höchst lukrative TĂ€tigkeit ist. Weil es kann schließlich im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, der auch in Art. 7 Abs. 1 der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt (Verf ST) wortlautgleich wiederholt wird, nicht so sein, dass die gleichen Funde nur dann „hervorragenden wissenschaftlichen Wert“ haben, wenn sie qua Schatzregal dem Staatseigentum einverleibt werden sollen; hingegen praktisch wertlos sind, wenn es darum geht, ihrem ehrlichen Finder eine ihrem wissenschaftlichen Wert angemessene Belohnung in Geld zu gewĂ€hren. Oder?

Nimmt man das Argument von Kollegen Meller ernst, dass auch allen völlig unscheinbaren Funden praktisch der gleiche wissenschaftliche Wert zukommt wie z.B. der Himmelsscheibe von Nebra, kommen bei der rechtmĂ€ĂŸigen Anwendung des § 12 Abs. 1 DSchG ST wenigstens die gleichen, wenn nicht sogar weit höhere „Belohnungskosten“ auf das Land Sachsen-Anhalt zu wie bei der „Belohnung in Höhe des Marktwerts“ nach dem englischen und walisischen Gewohnheitsrecht. Ein signifikanter Unterschied lĂ€sst sich also auch in diesem Bereich zwischen den beiden Rechtstraditionen, die Meller vergleicht, nicht feststellen, wenn man sich nicht als zustĂ€ndige Behörde in Sachsen-Anhalt den wissenschaftlichen Wert jeweils so hinbiegt (d.h. ungleich bewertet), wie es einem gerade gĂŒnstig in den Kram passt.


Das leidige Problem der Metallsuche

Gleichermaßen locker geht Kollege Meller mit den Fakten bezĂŒglich des MetallsucherphĂ€nomens im deutsch-britischen Vergleich um, wenn er behauptet, dass der englisch-walisische Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe nicht zu einer besseren, sondern ganz im Gegenteil zu einer weit schlechteren Situation als in Deutschland fĂŒhre. Meller begrĂŒndet diese Behauptung damit, dass in England und Wales „in SondengĂ€ngerwettbewerben regelmĂ€ĂŸig Hunderte von Metallfunden aus ihrem Zusammenhang gerissen“ werden wĂŒrden, wodurch „es fĂŒr spĂ€tere Forschungen oder Nachgrabungen Ă€ußerst schwierig, wenn nicht unmöglich“ werde, „die archĂ€ologischen Strukturen, aus denen die Metallobjekte herausgerissen wurden, adĂ€quat zu beurteilen“.
Auch das ist wieder eine der typischen Halbwahrheiten, mit denen Kollege Meller scheinbar stĂ€ndig argumentiert (und damit keineswegs allein ist, siehe dazu schon z.B. Karl 2016). Richtig ist an dieser BegrĂŒndung nĂ€mlich nur, dass es in England (und seltener auch in Wales) gelegentlich sogenannte detecting rallies gibt, in deren Rahmen viele Metallsucher gemeinsam bestimmte BodenflĂ€chen absuchen; manchmal tatsĂ€chlich auch mit einem gewissen Wettbewerbscharakter. 

Das Verschweigen von relevanten Fakten

Meller verschweigt jedoch zahlreiche weitere wichtige Fakten, die insbesondere im Kontext des von mir und ihm angestellten Vergleichs von England und Wales mit Deutschland essentiell sind.
Erstens werden in England und Wales die Mehrheit dieser detecting rallies schon seit lĂ€ngerem mit archĂ€ologischer Begleitung durch wenigstens einen, manchmal sogar mehrere, Finds Liaison Officers (FLO) des Portable Antiquities Scheme (PAS) durchgefĂŒhrt. Diese registrieren auch gleich an Ort und Stelle alle von ihnen als signifikant erachteten archĂ€ologischen Funde in der Funddatenbank des PAS und helfen Findern, die mögliche „SchĂ€tze“ im Sinne von Section 1 des Treasure Act 1996 entdeckt haben, mit der fĂŒr „Schatzfunde“ gesetzlich verpflichtenden Fundmeldung. Sofern notwendig werden bei der (nur sehr selten vorkommenden, dazu noch gleich mehr) Entdeckung noch tiefer im Boden in ungestörten Befunden liegenden Funden von diesen professionellen ArchĂ€ologInnen auch gleich fachgerecht dokumentierte Fundbergungen durchgefĂŒhrt (z.B. PAS 2017, Seite 25).
Zweitens gibt es selbstverstĂ€ndlich auch in Deutschland sogenannte „Schatzsuchermeisterschaften“ (z.B. OSM 2019) und „Rallies“, die z.B. vom Finder des Barbarenschatzes von RĂŒlzheim veranstaltet werden (Sondelpower 2018). Diese finden bloß, im Unterschied zu England und Wales, gewöhnlich gĂ€nzlich ohne archĂ€ologische Betreuung statt und allfĂ€llig entdeckte archĂ€ologische Funde, die nicht zuvor von den Veranstaltern im Boden vergraben wurden, werden daher in aller Regel weder sachgerecht dokumentiert, noch gemeldet, noch werden vor Ort fachgemĂ€ĂŸe Fundbergungen durchgefĂŒhrt, wenn dabei zufĂ€llig ein „Schatzfund“ entdeckt wird.
Drittens belassen in England und Wales viele Metallsucher inzwischen entsprechend dem code for responsible detecting Funde, die sie tiefer im Boden noch in teilweise ungestörten, oft aber auch schon teilweise durch den Pflug gestörten, Befunden antreffen, in situ, geben eine Fundmeldung ab, und ermöglichen damit deren professionelle Ausgrabung (fĂŒr einige Fallbeispiele siehe z.B. PAS 2017, Seiten 8, 12). In Deutschland hingegen scheint es derzeit wenigstens viel seltener zu vergleichbar vorbildlichen Resultaten zu kommen.
Viertens ist auch die Anzahl der alljĂ€hrlich bei den dafĂŒr zustĂ€ndigen Stellen eingehenden Fundmeldungen in England und Wales um ein Vielfaches höher als im deutschen Sprachraum. So registrieren derzeit die FLO alljĂ€hrlich ca. 80.000 Funde in der Datenbank des PAS, wobei sie allerdings sehr selektiv vorgehen und nur ca. 10% der ihnen von Metallsuchern vorgelegten Funde einpflegen (pers. Mitt. P. Reavill, PAS-FLO; fĂŒr die Zahlen eingepflegter Funde siehe z.B. PAS 2017, Seiten 35-36; fĂŒr die Selektionskriterien PAS n.d.). Professionelle ArchĂ€ologen in England und Wales bekommen also alljĂ€hrlich grob eine Dreiviertelmillion archĂ€ologischer Funde zu Gesicht; von denen derzeit jĂ€hrlich etwa 1.250 (ca. 0,15%) als derart bedeutend eingestuft werden, dass sie als „Schatz“ im Sinne von Section 1 des Treasure Act 1996 eingestuft und dem Staatseigentum einverleibt werden (PAS 2017, Seite 35). Seit der EinfĂŒhrung des PAS hat sich die Fundmeldefrequenz in England und Wales um einen Faktor von ca. 15 erhöht (DCMS 2019, Seite 4).
In Deutschland hingegen scheinen die Fundmeldezahlen, insbesondere von Fundmeldungen durch Metallsucher, um ein großes Vielfaches kleiner zu sein und seit langem zu stagnieren. In Österreich hingegen ist es in der Folge der „VerschĂ€rfung“ des Denkmalschutzgesetzes im Jahr 1990 und 1999 zu einem RĂŒckgang der Fundmeldezahlen durch interessierte Laien um ca. 75% gekommen (Karl 2012, Seite 105). Das bedeutet, dass derzeit in England und Wales pro Quadratkilometer etwa 2.650 Mal so viele Funde von interessierten Laien den zustĂ€ndigen Behörden gemeldet werden wie in Österreich. In Deutschland ist die Situation vielleicht etwas besser, viel besser aber wohl nicht.

FĂŒnftens lĂ€sst sich auf Basis empirischer Erhebungen zeigen, dass in Deutschland etwa 3 Mal so viele Metallsucher (korrigiert pro Kopf der Bevölkerung und LandesflĂ€che) aktiv sein dĂŒrften wie in England und Wales (Karl & Möller 2016, Seite 220). Folgt man Andreas BĂŒttner vom Bayerischen Landesamt fĂŒr Denkmalpflege sind in Deutschland vermutlich etwa 100.000 Metallsucher aktiv (Vortrag bei WSVA-Tagung WĂŒrzburg 2019). Nimmt man eine gleichmĂ€ĂŸige Verteilung von Metallsuchern in ganz Deutschland an, muss Herr Meller also damit rechnen, dass es in Sachsen-Anhalt etwa 2.700 aktive Metallsucher geben dĂŒrfte. Zieht man hingegen den Prozentsatz der in Sachsen-Anhalt ansĂ€ssigen Metallsucher unter den Mitgliedern des grĂ¶ĂŸten deutschen „Schatzsucher“-Internetforums heran (Abb. 1), wĂ€ren es „nur“ etwa 2.600. Die wenigen davon, die sich unter den etwa 350 von Meller genannten, mit seiner Behörde zusammenarbeitenden Ehrenamtlichen befinden, sind wohl deutlich weniger als 10% der in Sachsen-Anhalt aktiven Metallsucher. In England und Wales hingegen sind wohl wenigstens 25% der aktiven Metallsucher den zustĂ€ndigen Stellen bekannt und arbeiten auch mit diesen zusammen.

Abb. 1: Verteilung der ermittelbaren Wohnorte von Mitgliedern von schatzsucher.de auf die deutschen BundeslÀnder.

Sechstens schließlich ist Mellers Geschichte davon, dass durch Metallsucher (ob nun in England und Wales oder anderswo) „regelmĂ€ĂŸig Hunderte von Metallfunden aus ihrem“ archĂ€ologischen „Zusammenhang gerissen“ wĂŒrden, ebenfalls bestenfalls eine Halbwahrheit, die der empirischen wissenschaftlichen ÜberprĂŒfung nicht standhĂ€lt. TatsĂ€chlich habe ich anhand einer jĂŒngeren empirischen Untersuchung von 1.414 österreichischen Grabungsberichten gezeigt, dass der TĂ€tigkeit von Metallsuchern zuordenbare BefundschĂ€den nur extrem selten archĂ€ologisch beobachtet werden und selbst wo sie auftreten zumeist nur insignifikanten Schaden am wissenschaftlichen Erkenntnispotential der gestörten Befunde anrichten (Karl 2018; 2019).
Das ist auch ĂŒberhaupt kein Wunder, weil sich im Feldtest und auch anhand seit langem intensiv von Metallsuchern abgesuchten Fundstellen (siehe z.B. Karl, Netzwerk Geschichte Österreich Jahresschrift 2012, Seiten 16-23) leicht zeigen lĂ€sst, dass die maximale Detektionstiefe von handelsĂŒblichen MetallsuchgerĂ€ten in der Regel ca. 25-30 cm nicht ĂŒbersteigt. Genau diese ca. 25-30 cm des Oberbodens sind aber – insbesondere auf durchpflĂŒgten Boden, aber zumeist auch im Wald – regelhaft durch den Pflug bzw. die Bioturbation des Bodens derart gestört, dass sich in ihnen eben gerade keine ungestörten archĂ€ologischen Befunde mehr erhalten haben. Daher wird bei der ĂŒberwĂ€ltigenden Mehrheit aller archĂ€ologischen Ausgrabungen dieser sogenannte „modern gestörte Oberboden“ auch mit dem Bagger abgezogen, zumeist ohne auch nur irgendwie nach in ihm enthaltenen beweglichen Kleinfunden durchsucht zu werden (Karl 2014; 2018, Seiten 396-397).

Nebra

Ich verstehe schon, dass Kollege Meller aufgrund der unsachgemĂ€ĂŸen Bergung „seiner“ Himmelsscheibe durch RaubgrĂ€ber in dieser Beziehung ein besonders gebranntes Kind ist. Dennoch: Er verallgemeinert in wissenschaftlich völlig unzulĂ€ssiger Weise diesen – in der Praxis extrem selten eintretenden – Ausnahmefall und ignoriert stattdessen den Regelfall. Und um das in diesem Zusammenhang auch gleich klarzustellen: natĂŒrlich wĂ€re es unzweifelhaft besser gewesen, wenn die Himmelsscheibe nicht von RaubgrĂ€bern aus dem Boden gerissen, sondern bei einer sachgerecht durchgefĂŒhrten archĂ€ologischen Ausgrabung entdeckt worden wĂ€re; keine Frage.
Aber erstens ist die Wahrscheinlichkeit dafĂŒr selbst bei sehr optimistischer Betrachtung der Wirklichkeit enorm gering, weil wenigstens 95% aller derzeit noch im Boden verborgenen archĂ€ologischen Funde zerstört werden dĂŒrften, ehe sie entdeckt werden (Karl 2018, Seiten 27-31). Und dass von denen, die entdeckt werden, wiederum ein signifikanter Anteil aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bei professionellen Ausgrabungen entdeckt werden wird, zeigen internationale Vergleichszahlen: von den insgesamt 371 in England und Wales in den Jahren 1740-2010 entdeckten bronzezeitlichen Goldfunden, von denen nahezu 50% nach 1973 entdeckt wurden, wurden insgesamt gerade einmal 17 (bzw. 4,6%) bei systematischen archĂ€ologischen Ausgrabungen gefunden (Murgia et al. in ArchĂ€ologisches Korrespondenzblatt 44/3, 2014, Seite 385).
Und zweitens muss man, gerade beim Paradebeispiel der Himmelsscheibe, die Frage stellen, wie viel Schaden am wissenschaftlichen Erkenntnispotential tatsĂ€chlich durch ihre unsachgemĂ€ĂŸe Bergung durch RaubgrĂ€ber aus ihrem Befund angerichtet wurde. Immerhin hĂ€lt Herr Meller schon seit vielen Jahren auf der halben Welt VortrĂ€ge und hat gerade ein populĂ€rwissenschaftliches Buch ĂŒber (wenigstens auch) sie geschrieben, das vor bahnbrechenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen nachgerade zu strotzen scheint (dazu spĂ€ter noch etwas mehr). Wie viel mehr Erkenntnis hĂ€tten wir also tatsĂ€chlich gewinnen können, wenn sie bei einer professionellen Ausgrabung sachgerecht geborgen geworden wĂ€re?

Fraglos: wĂ€re die Himmelsscheibe spurlos am Schwarzmarkt verschwunden, wĂ€re das ein gewaltiger Verlust gewesen. Aber gerade daraus ergibt sich zwingend die Frage: ist es wirklich besser, wie das Herr Meller zu tun scheint, die ĂŒberwĂ€ltigende Mehrheit aller Metallsucher per unsachlichem Generalverdacht zu kriminalisieren? Oder wĂ€re es nicht viel zielfĂŒhrender, sie wie in England und Wales (oder auch in DĂ€nemark oder den Niederlanden) möglichst zu integrieren zu versuchen und damit die Wahrscheinlichkeit signifikant zu erhöhen, dass sie, wenn sie einen tatsĂ€chlich besonderen Fund in einem noch weitgehend ungestörten Befund antreffen, diesen in situ belassen, ihn unmittelbar melden und dadurch seine sachgerechte Bergung ermöglichen; weil sie sich sicher sein können, dass sie dann belohnt statt bestraft werden?


DenkmalgeschichtenerzÀhlungen

Nachdem Kollege Meller LandesarchĂ€ologe von Sachsen-Anhalt ist, gehe ich davon aus, dass auch er die hier von mir genannten Fakten kennt; weil als Fachmann mit besonderem Sachverstand muss er sie kennen. Umso ĂŒberraschender und auch erschreckender ist es, dass er sie in seiner Darstellung der Sachlage verschweigt bzw. im Interview mit diesem Blog mit derartig vielen Halbwahrheiten agiert. Ich verstehe sehr gut, dass sich das Medium des Interviews nicht dazu eignet, jede getĂ€tigte Aussage wissenschaftlich hinreichend zu begrĂŒnden; aber eine inhaltlich richtige Zusammenfassung der wesentlichsten Tatsachen muss man von einem LandesarchĂ€ologen wie Herrn Meller eigentlich schon erwarten können. Dass er die Faktenlage so falsch, grob verkĂŒrzt und verzerrt darstellt, zeigt daher leider, was von seinen im Interview vorgebrachten Argumenten zu halten ist: es handelt sich dabei nicht um wissenschaftlich verlĂ€ssliche Aussagen, sondern um (vielleicht sogar spannend erzĂ€hlte) Geschichten mit – bestenfalls – geringem Wahrheitsgehalt.
Das GeschichtenerzĂ€hlen ist eine FĂ€higkeit, die gerade fĂŒr Kulturerbemanager durchaus bedeutend ist, denn wenn es um Kulturerbe und seine öffentliche Vermittlung geht, ist es bekanntermaßen nicht so wichtig, ob die erzĂ€hlten Geschichten richtig sind, sondern weit mehr, dass sie emotionale BedĂŒrfnisse des Publikums befriedigen (siehe z.B. Lowenthal, The Past is a Foreign Country, Cambridge 1985; Lowenthal, The Heritage Crusade and the Spoils of History, Cambridge 1997). So lange ein GeschichtenerzĂ€hler zugibt, dass er mit Fakten locker umgeht und sie gerne auch einmal (oder auch hĂ€ufiger) mit einer krĂ€ftigen Portion Fiktion verbessert, ist das auch kein Problem.

Dass Kollege Meller ein begnadeter GeschichtenerzĂ€hler ist, ist unbestritten. Das zeigt ja auch sein jĂŒngstes Buch ĂŒber die Himmelsscheibe, ob dessen hochgradiger FiktionalitĂ€t selbst Journalisten ein mulmiges GefĂŒhl bekommen zu haben scheinen. Meller hat allerdings durchaus recht, wenn er, wie in einem Interview mit der Zeit, festhĂ€lt, dass „die BĂŒrger, die ja Steuern fĂŒr die ArchĂ€ologie zahlen und eine große Begeisterung dafĂŒr aufbringen“, auch tatsĂ€chlich „ein Recht auf Interpretationen“ haben, „die auch spannend sind“; auch wenn sie wissenschaftlich in mancher Beziehung fragwĂŒrdig sein mögen. FĂŒr einen DenkmalgeschichtenerzĂ€hler genĂŒgt es auch völlig, dass er seinem Publikum „faktenbasierte Spekulationen“ auftischt, die „das Salz in der Suppe“ sind. Es ist Meller hier also durchaus hoch anzurechnen, dass er sich mit seinem neuen Buch „sehr weit aus dem Fenster“ zu lehnen gewagt hat (Die Zeit 2018, Seite 2).

GeschichtenerzÀhlen ist weder gute Wissenschaft noch gute Denkmalpflege

Ein Problem wird es jedoch, wenn ein GeschichtenerzĂ€hler so tut, als ob er ein Wissenschafter wĂ€re, der verlĂ€ssliche wissenschaftliche Aussagen macht. Ein noch grĂ¶ĂŸeres Problem wird es, wenn dieser GeschichtenerzĂ€hler als staatlicher Denkmalpfleger seine Aufgabe auf Basis von Großteils fiktiven, teilweise sogar von ihm selbst erfundenen, Geschichten und einer extrem eklektischen Auswahl von Fakten statt auf Basis solider wissenschaftlicher Beurteilung der RealitĂ€t erledigt. Das fĂŒhrt nĂ€mlich stets zu einer weit schlechteren archĂ€ologischen Wissenschaft und Denkmalpflege, als möglich wĂ€re, wenn man sie auf Basis verlĂ€sslicher wissenschaftlicher Erkenntnisse gestalten wĂŒrde.
Auch das zeigt sich leider deutlich an Mellers neuem Buch: die Hypothesen, die er darin aufstellt und im Zeit-Interview plakativ mit den Worten „die Aunjetitzer Kultur entstand aus der Verschmelzung der Schnurkeramiker mit den Glockenbecherleuten. … An der Spitze des Staates stand ein König, und die Könige sicherten ihre Macht mit Armeen. Das war die Voraussetzung dafĂŒr, dass ein so hochkomplexes und wertvolles Gebilde wie die Himmelsscheibe von Nebra ĂŒberhaupt entstehen konnte…“ zusammenfasst (Die Zeit 2018, Seite 1), sind nĂ€mlich wissenschaftlich hochgradig bedenklich. Sie sind nĂ€mlich nichts anderes als eine gĂ€nzlich unreflektierte Anwendung einer seit ĂŒber einem halben Jahrhundert wissenschaftlich vollkommen diskreditierten archĂ€ologischen Interpretationsmethode, Gustaf Kossinnas „Methode der SiedlungsarchĂ€ologie“ (Kossinna, Die Herkunft der Germanen. Zur Methode der SiedlungsarchĂ€ologie, WĂŒrzburg 1911). Diese Methode und ihre zentrale Annahme, dass „scharf umgrenzte Kulturprovinzen … sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder VölkerstĂ€mmen“ decken, die sich durch eine intern einheitliche Kultur kennzeichnen, als politische Einheit (Staat) handeln und von einen starken FĂŒhrer (König) zusammengehalten werden, dessen Machtposition sich auf eine starke Armee stĂŒtzt, wurden ja dann auch von den Nazis intensiv politisch und propagandistisch genutzt (siehe dazu z.B. HĂ€rke ([Hg.], Archaeology, Ideology and Society. The German Experience, Frankfurt a.M. 2000; Focke-Museum [Hg.], Graben fĂŒr Germanien. ArchĂ€ologie unterm Hakenkreuz, Stuttgart 2013).

Gerade den LandesarchĂ€ologen von Sachsen-Anhalt, dem Bundesland, in dem die AfD bei den Landtagswahlen 2016 mit 24,3% Stimmenanteil ihr bisher bestes Ergebnis in Deutschland eingefahren hat, derartige Methoden verwenden und derartige populistische Zusammenfassungen seiner „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ zu „Deutschlands 1. Königreich“ (Bild 2018) verbreiten zu sehen stimmt dann schon eher bedenklich. Hat Meller damit wirklich wissenschaftlich nachgewiesen, dass schon in der mitteldeutschen Aunjetitz-Kultur „Ein Volk, ein Reich, ein FĂŒhrer“ galt, oder erzĂ€hlt er uns hier nicht nur eine frei erfundene Geschichte?


G’schichtln drucken

Wie in diesem Beitrag gezeigt wurde, geht Harald Meller in erschreckend unzuverlĂ€ssiger Weise mit wissenschaftlichen Fakten um; und seine Denkmalpflegeideologie ist weder sachlich begrĂŒndet, noch am aktuellen Stand der Forschung, noch im Einklang mit der derzeit international anerkannten „besten Praxis“. Vielmehr scheint sein archĂ€ologisch-wissenschaftliches, denkmalpflegerisches und denkmalrechtliches VerstĂ€ndnis im spĂ€ten 19. oder bestenfalls dem frĂŒhen 20. Jahrhundert steckengeblieben zu sein. Nachdem ihm sachliche Argumente fehlen, verteidigt er seine grob veralteten und teilweise auch wissenschafts- und berufsethisch unhaltbaren Ansichten mit schmutzigen rhetorischen Tricks, Propagandamethoden, der Berufung auf die ihm vom Land Sachsen-Anhalt verliehene AutoritĂ€t; und nicht zuletzt damit, dass er, wie das auf gut Österreichisch heißt, spannende G’schichtln druckt. Diese sind zwar grundfalsch, aber nachdem er sie gut erzĂ€hlt, finden sie wenigstens bei einem gewissen Publikum durchaus Anklang; auch wenn sie und sein darauf aufbauendes Verhalten wissenschaftlich, denkmalpflegerisch und wenigstens meiner Ansicht nach auch nicht zuletzt politisch schĂ€dlich sind.

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31 Kommentare:

  1. H. Meller hat mit seinen postulierten Aunjetitzerkönigtum nicht anderes gemacht wie tausende seiner Berufskollegen tagtĂ€glich auch: Er hat Befunde "aufbereitet", um sie der Medienöffentlichkeit bestmöglich verkaufen zu können. Dieser Spaß am Fabulieren kenzeichnet die ArchĂ€ologie mMn nach schon immer. Denn wenn man mal nicht weiter weiß, dann bildet man zwar keinen Arbeitskreis, kommt aber stĂ€ndig mit der Religion und irgendwelchen vermuteten Kulten als UniversalbegrĂŒndung daher. Auch bei der Himmelsscheibe, wo es ja schon fast auf ein Sakralkönigtum hinauslĂ€uft. Hingegen einfach zuzugeben, dass man keinen Schimmer hat, scheint vielen ArchĂ€ologen sehr schwer zu fallen. Wahrscheinlich aus Angst um ihren Ruf als Experten, aber auch weil sich aus farbigen Stories mehr Geld machen lĂ€sst, beispielsweise in Form von Sonderausstellungen, Vortragsreihen und besonders BĂŒchern.

    Karl0

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    1. Darum gibt es ja auch im Fach das beliebte Sprichwort: Was man noch nicht deuten kann, sieht man gern als kultisch an! ;-)

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  2. Knauserei und offenbar nur halb durchdachte Gesetze schaden dem Denkmalschutz, aber der "DenkmalschĂŒtzer" rechtfertigt das alles. Warum?
    Wie lÀsst sich so ein Verhalten rational reklÀren?
    Sind hier politische Interessen im Spiel, die Außenstehenden verborgen bleiben?
    Oder ist das Verhalten vor allem ideologisch bedingt?
    Man kann sich nur wundern!
    Liebe GrĂŒĂŸe,
    Ludwig

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    1. Achim Werner, auch ArchĂ€ologe, hat in einem Interview mit Hilti erklĂ€rt, dass die ArchĂ€ologie eine Schlangengrube ist. Anecken kann fĂŒr die eigene Karriere gefĂ€hrlich sein!

      https://hiltibold.blogspot.com/2018/12/archaologie-campus-galli-achim-werner.html

      ° Guinevere °

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  3. Ein in typischer Raimund Karl Manier geschriebener Text ;-) aber in vielen Punkten muss ich Karl zustimmen. Besonders was die ĂŒberquellenden Archive angeht, muss denn wirklich die 10Mio. Keramikscherbe, die eh schon alle Informationen beim Scherbenschrubben verloren hat aufbewahrt werden? Brauchen wir 1000nde von AbschlĂ€gen, bei denen eine menschlich Bearbeitung meist nie ohne Zweifel festgestellt werden kann ..... NEIN

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  4. Erst einmal danke fĂŒr diesen kompetenten Konter auf das Meller-Interview! Der gute Mann scheint, seinen AusfĂŒhrungen nach zu urteilen, die Leser und die Öffentlichkeit nicht fĂŒr ganz voll zu nehmen. Kein Wunder, dass die große Mehrheit der SondengĂ€nger in seinem eigenen Bundesland nicht mit den Denkmalschutzbehörden zusammenarbeiten will.
    Den vergleichenden Ausflug in das Dritte Reich finde ich dann allerdings leider genauso daneben wie Mellers Unterstellung schlechter Motive. Diese "reductio ad Hitlerum" hÀtte Raimund Karl lieber weglassen sollen ...

    Gero

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    1. Hier muss ich zustimmen, die betreffende Passage ist einfach Humbug: Der Autor stellt zuerst nur wenig subtil eine Verbindung zwischen Nazis und AFD her (was eine gewaltige Verharmlosung des Nationalsozialismus darstellt), um dann sogleich zu insinuieren, beide Gruppen hĂ€tten bzw. wĂŒrden die Urgeschichte Deutschlands hochjubeln.

      In Wirklichkeit lĂ€sst die AFD kaum eine Gelegenheit aus, die "primitiven" Germanenhorden der Völkerwanderungszeit mit den heutigen Migrationsströmen nach Europa gleichzusetzen. Damit unterscheidet sich die AFD gravierend von den Nationalsozialisten, welche die vorgeschichtlich-germanischen Kulturleistungen auf deutschem Boden aus rassistischen Motiven enorm ĂŒberbewertet haben.

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    2. Es kommt noch dazu, dass Mellers Bronzezeit-König und die Germanen der Nazis sowieso nicht dasselbe sind. Schon alleine deshalb passt diese seltsame Anspielung nicht.
      Was Karl genau sagen wollte, ist mir nicht klar. Etwa dass Meller keine Thesen aufstellen soll, die politisch missbraucht werden könnten? Wenn ja, dann ist das mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar. Das Argument "Beifall von der falschen Seite" ist Rabulistik in Reinkultur und hat in der Forschung nichts verloren.

      Gero

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    3. Siehe den Kommentar weiter unten zum "BrĂŒckenschlag" zu den Nazis. Der Bezug ist die verwendendete, seit langem völlig diskreditierte Methode, die Meller verwendet, um bei seiner Geschichte anzukommen. Das hat nichts mit "Beifall von der falschen Seite" zu tun, auch wenn ich diesen Beifall politisch fĂŒr problematisch halte; und auch nichts damit, dass Meller keine Thesen aufstellen soll, die politisch missbraucht werden könnten. Es hat ausschließlich damit zu tun, dass Meller dieselbe Methode wie die Nazi-ArchĂ€ologie benutzt, obwohl er eigentlich wissen mĂŒsste, dass diese Methode nicht funktioniert.

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  5. Dieser Benny ("Sondelpower") ist eine wandelnde Zumutung. Solche Typen bringen ehrliche Sondler in Verruf. Den hĂ€tten sie fĂŒr seine Missetat ein paar Monate einsperren sollen, damit er etwas lernt. Stattdessen sonnt er sich ungeniert in seinem zweifelhaften Ruhm als Entdecker des Barbarenschatzes.

    BeWa

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    1. Er verkauft jetzt sogar Metalldetektoren. Hoffentlich haben die eine Erinnerungsfunktion eingebaut, falls der Benutzer "vergisst", seinen Fund - z.B. einen Barbarenschatz - bei den Behörden zu melden. :D

      C3PO

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  6. Raimund, alles richtig was Du geschrieben hast. Allerdings bei dem "BrĂŒckenschlag" zum 3. Reich wurde es unsachlich. Zur AFD kann man stehen wie man möchte da sie demokratisch gewĂ€hlt wurde, aber in diesem Beitrag hatte sie wirklich nichts verloren.

    Gruß, Michael

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  7. GlĂŒhwĂŒrmchen27. Mai 2019 um 12:36

    Ich sage schon seit Jahren, dass das, was der Denkmalschutz in Deutschland an Argumenten zum Schatzregal und Sondengehen von sich gibt, ĂŒberwiegend Propaganda, oder volkstĂŒmlich gesagt, schlicht und ergreifend Schwachsinn ist.

    Aber stellen wir uns doch einmal die Frage, warum man damit durchkommt? Denn mit Ausnahme von Raimund Karl, der unermĂŒdlich seit Jahren versucht, mit Sachargumenten die Diskussion voranzubringen, hört man nicht viel Kritisches. Weder aus der Wissenschaft selbst noch aus der Presse. Weil aber die entsprechenden Diskussionen fehlen, redet die Politik mit ihren Gesetzten Leuten wie Herrn Meller nach dem Mund, die die Deutungshoheit an sich gerissen haben.

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  8. Weshalb baut man fĂŒr die vielen ĂŒberzĂ€hligen Scherben nicht ein großes Zentrallager in jedem Bundesland? Ein gĂŒnstiger unbeheizter Wellblechbau reicht dafĂŒr doch aus, oder? LG, Jutta

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    1. "GĂŒnstig" ist ein relativer Begriff. Schlussendlich ist und bleibt alles eine Geldfrage.
      ;-)
      LG
      Hagen

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    2. Teilweise gibt es solche staatlichen Zentrallager ohnehin. Allerdings ist ein gĂŒnstiger, unbeheizter Wellbelachbau auch fĂŒr Scherben nicht gut, weil Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen sowie Pilz- bzw. Schimmelbefall auch Scherben schĂ€digen. Besser (und teilweise auch tatsĂ€chlich schon genutzt) ist die ebenfalls vergleichsweise billige Einlagerung von Fundmassen in alten, trockenen Bergwerken, in denen wenigstens Temperatur und Luftfeuchtigkeit stabil und die Schimmel-, Pilz- und SchĂ€dlingsbefallgefahr sehr gering ist. Aber auch die Einlagerung in solchen Bergwerken kostet Geld (diese mĂŒssen schließlich erhalten werden); und man muss - damit die Einlagerung irgendeinen Sinn hat - eingelagerte Funde natĂŒrlich auch ausheben können, was ebenfalls Geld kostet. Daher stellt sich auch bei solcher Lagerung die Frage: hat es einen Sinn, die fĂŒr die Fundeinlagerung anfallenden Kosten zu tragen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiger eingelagerte Fund jemals wieder ausgehoben und von irgendjemanden fĂŒr wissenschaftliche Untersuchungen genutzt werden nahegleich Null ist?

      Letztendlich lĂ€sst sich das auf eine Kosten:Nutzen-Rechnung reduzieren: ab wann ĂŒbersteigen die fĂŒr die Langzeitlagerung von zig Millionen Scherben anfallenden Kosten den vermutlich aus diesen zu gewinnenden Nutzen. Das gilt umso mehr z.B. bei undiagnostischen Wandscherben, insbesondere solchen, die vom gleichen GefĂ€ĂŸ stammen. Ist ein Topf in 100 StĂŒcke zerbrochen, es wird aber voraussichtlich niemals auch nur ein einziges dieser StĂŒcke wissenschaftlich untersucht werden, geschweige denn, dass man aus der Untersuchung jedes einzelnen dieser 100 StĂŒcke signifikant unterschiedliche Erkenntnisse gewinnen könnte, warum sollte man alle hundert und nicht nur eines davon aufheben?

      Gut, die meisten Töpfe zerspringen nicht in 100 StĂŒcke, sondern vielleicht sind es im Durchschnitt nur jeweils ein paar, sagen wir 5, die vom jeweils gleichen Topf stammen. Entsammelt man 4 von den 5, hat man den Lagerbedarf und damit auch die Lagerkosten (wenigstens ungefĂ€hr) um 80% reduziert, voraussichtlich ohne irgendetwas vom möglichen Nutzen zu verlieren, den man durch die wissenschaftliche Untersuchung der Überreste dieses Topfes gewinnen kann. Die 4 ĂŒberflĂŒssigen Scherben aufzuheben verursacht also nur Kosten, aber keinerlei Nutzen. Warum also sie aufheben?

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  9. lieber raimund, ich vermute, dass du hier mitliest, deswegen: bitte erklĂ€re den ns-brĂŒckenschlag zu halrald mellers theorie von der bron zezeitliche königsherrschaft. lg jar7

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    1. Tja, den BrĂŒckenschlag genau zu erklĂ€ren wĂŒrde eigentlich eines weiteren, ebenso langen Artikels bedĂŒrfen. Daher nur grob vereinfacht gesagt: Mellers ErzĂ€hlung von der Entstehung eines frĂŒhbronzezeitlichen Königtums basiert eben letztendlich auf der "Methode der SiedlungsarchĂ€ologie" des frĂŒhen deutschen PrĂ€historikers Gustaf Kossinna.

      Kossinna ist von der Annahme ausgegangen, dass jedes "Volk" bzw. "Rasse" eine eigene, politisch und militĂ€risch gemeinsam handelnde Einheit ist. Weiters hat er angenommen, dass jedes solche "Volk" seine eigene, innerlich einheitliche, von der anderer "Völker" deutlich verschiedene, ideelle und materielle "Kultur" (d.h. Sprache, Sitten und GebrĂ€uche, aber auch Hausformen, Bestattungsformen und Sachkultur wie Töpfe, Gewandschließen etc.) hat. Daher hat er geglaubt, dass man aus der rĂ€umlichen und zeitlichen Verteilung von "gleichartigen" (bzw. einander stark Ă€hnlichen) und "unterschiedlichen" archĂ€ologischen Überresten die Entstehungs- und Verbreitungs- und (gegebenenfalls) auch die Geschichte des Vergehens bzw. Untergangs verschiedener "Völker" ableiten bzw. erkennen kann; und somit sozusagen durch archĂ€ologische Beobachtung eine "Biografie eines Volkes" (bzw. natĂŒrlich auch vieler verschiedener Völker) schreiben kann. Kossinna, der eigentlich Sprachwissenschaft studiert hatte, war dabei insbesondere an den Indogermanen und unter diesen wiederum besonders an den Germanen interessiert und hat sich vorwiegend damit beschĂ€ftigt, deren Herkunft (als auch kulturelle GrĂ¶ĂŸe) zu zeigen. Der Titel seines zweiten, wichtigen Buches ist "Die deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissenschaft".

      Diese Vorstellung der innerlichen (politischen, militĂ€rischen, sprachlichen, kulturellen und auch rassischen) Gleichheit und auch Zusammengehörigkeit ebenso wie der essentiellen Unterschiedlichkeit unterschiedlicher Völker war zur Zeit Kossinnas sehr weit verbreitet, insbesondere in nationalistischen Kreisen, und bildete auch die Grundlage der Nazi-Ideologie. Die Nazis haben dann auch tatsĂ€chlich Kossinnas "Methode" genutzt (er selbst ist 1931 verstorben), sowohl zu Propagandazwecken; als auch zur Rechtfertigung territorialer AnsprĂŒche bzw. militĂ€rischer Expansion, frei nach dem Motto: die Materialkultur in X zeigt, dass in X frĂŒher Germanen gelebt haben, daher ist X deutscher Boden und muss "heim ins Reich" geholt werden.

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    2. Meller benutzt nun zur ErklĂ€rung der "Entstehung" von "Deutschlands 1. Königreich" in der Aunjetitzkultur, die "aus der Verschmelzung der Schnurkeramiker mit den Glockenbecherleuten" entstanden sei und dessen (nicht zuletzt dank "Himmelsscheibe") starker politischer und militĂ€rischer FĂŒhrer - eben der 1. "König" - eine neue, einheitliche Materialkultur durchgesetzt hat, genau dieselben Annahmen wie Kossinna (und eben auch die Nazi-Propaganda-ArchĂ€ologie ganz generell); und eben auch dessen Methode: er schließt aus "Gleichheit" in der materiellen Kultur darauf, dass die "mitteldeutsche Aunjetizkultur" ein innerlich einheitliches "Volk" ist, das sowohl politisch als auch militĂ€risch unter Herrschaft eines "starken Mannes" als Einheit agiert. Das ist eben nichts anderes als "EIn Volk, ein Reich, ein FĂŒhrer".

      Das Problem damit ist aber, wie schon Hans JĂŒrgen Eggers in seiner "EinfĂŒhrung in die Vorgeschichte" (erstmals erschienen 1959) gezeigt hat, dass Kossinnas Annahmen letztendlich falsch sind; und das wurde seither noch von vielen anderen noch viel genauer gezeigt. Nachdem praktisch alle derzeit noch im Berufsleben stehenden deutschen PrĂ€historiker aber Eggers "EinfĂŒhrung in die Vorgeschichte" wenigstens als einfĂŒhrendes Standardwerk stark empfohlen bekommen haben, wenn nicht sogar als PflichtlektĂŒre im Grundstudium lesen und PrĂŒfungen darĂŒber schreiben mussten, muss auch Meller wissen, der sein Studium 1981 begonnen hat, dass - und eigentlich auch warum - Kossinnas Methode und ErklĂ€rungsmodell nicht funktionieren (können) und daher - und zwar rein aus wissenschaftlichen, nicht aus politischen GrĂŒnden - nicht weiter fĂŒr wissenschaftliche ErklĂ€rungen der (noch dazu ziemlich fernen) Vergangenheit verwendet werden sollten. Dass er es dennoch tut, muss daher doch eher verwunderlich stimmen.

      So, ich hoffe das erklĂ€rt den BrĂŒckenschlag einigermaßen...

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    3. danke fĂŒr die erklĂ€rung, ist fĂŒr mich durchaus nachvollziehbar! lg jar7

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  10. SEHR GUT! Phrasendrescher Meller und seine unsĂ€glichen Verteidiger eines ĂŒberholten Systems gehören endlich zum Wohl der Allgemeinheit in ihre Schranken verwiesen!!! Danke an Raimund und Hiltibold fĂŒr die klaren Worte!

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  11. "Das bedeutet, dass derzeit in England und Wales pro Quadratkilometer etwa 2.650 Mal so viele Funde von interessierten Laien den zustĂ€ndigen Behörden gemeldet werden wie in Österreich. In Deutschland ist die Situation vielleicht etwas besser, viel besser aber wohl nicht."

    Ich finde, dass ĂŒber den Tellerrand zu blicken sehr wichtig ist und man von denen, die es augenscheinlich besser machen, unbedingt lernen sollte. Bei solchen Zahlen mĂŒssten eigentlich die Alarmsirenen unserer LandesarchĂ€ologen zu klingeln beginnen.

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  12. Danke fĂŒr diesen sehr informativen Text!
    Flo

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  13. Ich möchte Raimund Karl zu diesem ausgezeichneten Artikel Beifall klatschen! Seine Erörterungen kann ich sogar auf Grundlage von eigenen beruflichen Erfahrungen bestĂ€tigen, z.B. wenn es um das Vermodern von Artefakten in Museumsdepots geht. Nur ein Beispiel: In einem dieser Depots, zu denen ich als selbststĂ€ndige Restauratorin Zugang hatte, war ein erheblicher Teil der Holzobjekte von SchĂ€dlingen befallen, ohne dass seitens der Verantwortlichen dagegen wirksame Maßnahmen unternommen worden wĂ€ren. Das wĂ€re alles zu kostspielig, hat mir eine Kuratorin verzweifelt erklĂ€rt. Trotzdem hat man immer mehr neues Material eingelagert, vor meinen eigenen Augen, und zwar direkt neben den von SchĂ€dlingen befallenen StĂŒcken.
    So geht das nicht weiter, Entsammeln ist eine schon lange ĂŒberfĂ€llige Maßnahme.

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  14. Der von mir eigentlich geschĂ€tzte Harald Meller ist meiner Ansicht nach weniger ein verbranntes Kind, sondern vielmehr unbelehrbar. Weil wenn gerade er aus dem Himmelsscheiben-Theater nicht gelernt hat, dass man sich bei einer vollen EntschĂ€digung von Findern jede Menge Ärger ersparen kann, dann ist das schon sehr traurig. Wolf Fryd

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  15. Hallo Herr Karl,

    mich wĂŒrde einmal interessieren, aus welchen GrĂŒnden Sie seit Jahren ihren Kampf gegen die österreichischen und deutschen DenkmalĂ€mter fĂŒhren? Die Frage ist wirklich ernstgemeint.

    Zum Thema Harald Meller: Sie wissen sehr genau, welches Totschlagargument die Kossinnakeule bei Diskussionen im Fach Ur- und FrĂŒhgeschichte darstellt. Dadurch lĂ€sst sich heutzutage jede missliebige Forschung verleumden. Dass Sie dann auch noch die AfD und die Nazis als SahnehĂ€ubchen oben drauf packen, zeugt von einer unfassbaren historischen und politischen Ignoranz.

    Zum Thema Entsammeln: Sie haben in Ihrem Artikel "My preciousssss … Zwanghaftes Horten, Epistemologie und sozialverhaltensgestörte ArchĂ€ologie" den meisten ArchĂ€ologen und Museumsleuten psychische Störungen attestiert. Diese Thesen sind natĂŒrlich die Basis fĂŒr eine offene und gleichberechtigte Diskussion... LĂ€cherlich ist dann Ihre dĂŒnnhĂ€utige Reaktion, wenn es auf Ihre steilen Traktate auch mal Gegenwind gibt. Wer austeilt...

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    1. Ich gehe Ihre Punkte in umgekehrter Reihenfolge durch:

      Ich habe in "My Precious" (https://www.academia.edu/22974405/My_preciousssss..._Zwanghaftes_Horten_Epistemologie_und_sozial_verhaltensgest%C3%B6rte_Arch%C3%A4ologie._In_K.P._Hofmann_T._Meier_D._M%C3%B6lders_M._Augstein_eds._Massendinghaltung_in_der_Arch%C3%A4ologie._Der_Material_Turn_und_die_Ur-_und_Fr%C3%BChgeschichte_43-69._Leiden_Sidestone_Press_2016) keineswegs den meisten ArchĂ€ologen (und schon gar nicht Museumsleuten generell) psychische Störungen attestiert. Ganz im Gegenteil schreibe ich gleich Eingangs des von Ihnen genannten Beitrags, dass ich in ihm aufzeigen möchte, wie gewisse soziale "Verhaltensstörungen auch auf der Ebene einer Gesellschaft, eben der deutschsprachigen archĂ€ologischen Gemeinschaft, entstehen können, ohne dass jedes einzelne Mitglied dieser Gemeinschaft, oder auch nur ein bedeutender Anteil der Mitglieder dieser Gemeinschaft (also der deutschsprachigen ArchĂ€ologInnen), in seinem außerwissenschaftlichen Sozialverhalten an ebendieser sozialen Verhaltensstörung leidet" (Seite 44, 2. Absatz). WorĂŒber ich in "My precious" spreche ist eine in ihrem Symptombild exakt den diagnostischen Merkmalen des "zwanghaften Hortens" entsprechende Störung des funktionalen Sozialverhaltens der wissenschaftlichen Disziplin ArchĂ€ologie; unabhĂ€ngig von der konkreten Befindlichkeit jedes Einzelnen ihrer Mitglieder. Im Beitrag selbst zeige ich dann, dass diese kollektive Verhaltensstörung (wenigstens auch) der erkenntnistheoretischen Ausrichtung des Faches bzw. deren UrsprĂŒngen im Positivismus des 19. Jahrhunderts geschuldet ist, soll heißen: logisch zwingend aus der fachlich dominanten wissenschaftstheoretischen Annahme folgt, dass positive "Wahrheitserkenntnis" in der ArchĂ€ologie möglich ist, aber ausschließlich nur durch die Verbindung von unzĂ€hligen Detailbeobachtungen mittels induktiver logischer SchlĂŒsse gewonnen werden kann. Das ist zwar erkenntnislogisch - gerade in der ArchĂ€ologie - völlig ausgeschlossen, es macht es aber erforderlich, dass jenes als "archĂ€ologisch" identifiziertes Objekt fĂŒr immer aufgehoben werden muss, um die Möglichkeit zukĂŒnftiger archĂ€ologischer Erkenntnis nicht zu gefĂ€hrden.

      Wenn Sie den qualitativen Unterschied zwischen der Aussage "die ArchĂ€ologie als wissenschaftliche Disziplin leidet an einer sozialen Verhaltensstörung" und der Aussage "die meisten ArchĂ€ologen und Museumsleute leiden an einer psychischen Störung" nicht erkennen können, obwohl im genannten Artikel sogar explizit festgehalten wird, dass Letzteres nicht der Fall ist, kann ich Ihnen nicht helfen. Ebensowenig kann ich Ihnen helfen, wenn Sie den Unterschied zwischen einer wissenschaftlich ausgiebig begrĂŒndeten Diagnose einer bestimmten Verhaltensstörung anhand ihrer im einschlĂ€gigen (und auch zitierten) Standarddiagnosehandbuch ausgewiesenen charakteristischen Merkmale und sachlich gĂ€nzlich unbegrĂŒndeten AnwĂŒrfen nicht erkennen können.

      Und die Tatsache, dass ich in meiner Reaktion festhalte, dass Mellers Unterstellungen, meine Fachmeinungen wĂŒrden auf wissenschaftliche Unkenntnis oder besondere Interessen hinweisen unsachlich und wie die Mehrheit seiner im Intervie aufgestellten Behauptungen faktisch wenigstens mehrheitlich, wenn nicht sogar gĂ€nzlich unrichtig sind, hat nichts mit DĂŒnnhĂ€utigkeit zu tun. Es ist vielmehr die adĂ€quate wissenschaftliche Reaktion auf öffentliche "Kritik": wissenschaftlich begrĂŒndete Gegenkritik. So funktioniert die Wissenschaft, und wenn Sie das nicht wissen oder wahrhaben wollen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

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    2. Zum Thema "Kossinnakeule": es ist keineswegs nur meine wissenschaftlich begrĂŒndete Fachmeinung, dass Mellers Interpretationen in seinem jĂŒngsten Buch auf einer unreflektierten Anwendung der Methode Kossinnas beruhen. Die Tatsache, dass die "Kossinnakeule" als "Totschlagargument" benutzt werden kann, bedeutet nicht, dass sie in diesem Fall als "Totschlagargument" benutzt wird. TatsĂ€chlich wird sie im konkreten Fall auch tatsĂ€chlich nicht als "Totschlagargument" benutzt, sondern vielmehr diagnostiziere ich (neuerlich anhand empirisch beobachtbarer und allgemein anerkannter Diagnosekriterien, weshalb auch keineswegs nur ich zu dieser Diagnose gekommen bin), dass Mellers Interpretation substanziell auf Kossinnas Interpretationsmethode beruht. Dass diese Interpretationsmethode seit ĂŒber einem halben Jahrhundert völlig diskreditiert ist, und zwar nicht "weil sie die Nazis missbraucht haben", sondern weil sie einfach wissenschaftlich nachweislich falsch ist (weil sich, wo dies unabhĂ€ngig ĂŒberprĂŒfbar ist, ihre Vorhersagen nicht bestĂ€tigen und sie somit als falsifiziert zu betrachten und somit auch dort zu verwerfen ist, wo sich ihre Vorhersagen nicht ĂŒberprĂŒfen lassen), ist wissenschaftlich unumstritten.

      Auch hier gilt: wenn Sie den Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Diagnose, dass Mellers Interpretation auf Kossinnas diskreditierter Interpretationsmethode und der Verwendung der "Kossinnakeule" als rethorisches "Totschlagargument" nicht zu erkennen vermögen, kann ich Ihnen nicht helfen.

      Was Sie von meiner politischen Bewertung der Bedenklichkeit eines solchen wissenschaftlichen Fehlgriffs wie dem halten, den Meller durch unreflektierte Verwendung von Kossinnas Interpretationsmethode in einem an ein breites Laienpublikum gerichteten Buch gemacht hat, bleibt natĂŒrlich Ihnen ĂŒberlassen. Politische Ansichten und Bewertungen dĂŒrfen sich in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft ja durchaus unterscheiden und tun das auch.

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    3. Und was meinen angeblichen "Kampf gegen die österreichischen und deutschen DenkmalĂ€mter" betrifft: ich fĂŒhre keinen "Kampf" gegen irgendwelche DenkmalĂ€mter, weder gegen die deutschen, noch gegen das österreichische, noch gegen eines sonst wo auf der Welt.

      Vielmehr untersuche ich - als im Bereich (insbesondere) der (archĂ€ologischen) Denkmalpflege tĂ€tiger Wissenschafter - wissenschaftlich die theoretischen, rechtlichen und sozio-politischen Grundlagen sowie die praktische Umsetzung des Denkmalschutzes; insbesondere (weil mich der besonders interessiert und, weil ich sehr viele Kontakte in der deutschsprachigen ArchĂ€ologie habe und meine Muttersprache Deutsch ist, mir auch besonders gut zugĂ€nglich ist) im deutschen Sprachraum. Dabei geht es mir primĂ€r darum, wissenschaftlich genauer zu erkennen und damit besser zu verstehen, 1) warum (und fĂŒr wen und fĂŒr welche Zwecke) wir (archĂ€ologische) Denkmalpflege (so) betreiben (wie wir sie betreiben), 2) wie wir (archĂ€ologische) Denkmalpflege tatsĂ€chlich (d.h. nicht nur vorgeblich) betreiben, und 3) wie effektiv wir damit, wie wir (archĂ€ologische) Denkmalpflege tatsĂ€chlich betreiben, die von uns (bzw. der Gesellschaft) angestrebten Ziele (d.h. die von uns verfolgten Zwecke fĂŒr die gewĂŒnschten Nutznießer der Denkmalpflege) erreichen; all das mit dem Ziel, möglicherweise bestehende MĂ€ngel, Probleme, Schwierigkeiten und damit verbundene Gefahren zu identifizieren und konkrete, voraussichtlich nutzbringende VorschlĂ€ge zu deren Abwendung, Lösung bzw. Verbesserung machen zu können. Letztendlich tue ich all das in der Absicht, herauszufinden, wie wir das Ziel, (archĂ€ologische) Denkmale bestmöglich gemeinwohlförderlich zu nĂŒtzen, so effektiv als möglich erreichen können.

      Weil ich die bestmögliche (archĂ€ologische) Denkmalpflege erreichen möchte, muss ich mich daher logischerweise einerseits darauf konzentrieren, möglicherweise bestehende MĂ€ngel, Probleme etc. zu identifizieren und auch öffentlich anzusprechen (weil wenn ich das nicht tue bemerken sie andere vielleicht nie und können daher nichts zu ihrer Lösung bzw. Verbesserung unternehmen); und andereseits darauf, auch tatsĂ€chlich konkrete Verbesserungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten vorschlagen. Wenn ich das tue, komme ich gezwungenermaßen gelegentlich in die Situation, dass ich DenkmalĂ€mter (indem ich auf MĂ€ngel bzw. Probleme in ihrem ZustĂ€ndigkeitsbereich aufmerksam machen) kritisieren und sagen muss, wie sie das, was sie derzeit auf eine bestimmte Art machen, anders machen mĂŒssten als bisher, weil das (voraussichtlich) zu besseren denkmalpflegerischen Ergebnissen fĂŒhren wird als ihre bisherige Praxis. Genau das ist ĂŒbrigens meine Pflicht als Wissenschafter, und tatsĂ€chlich die Pflicht jedes Wissenschafters: wenn ein Wissenschafter durch seine Forschungen darauf aufmerksam wird, dass etwas falsch gemacht (oder etwas falsches geglaubt) wird oder schlechter funktioniert, als es funktionieren könnte, dann hat er das öffentlich zu sagen und - soweit möglich - konkrete VerbesserungsvorschlĂ€ge zu machen. Weil wenn er (richtig) erkannt hat (bzw. erkannt zu haben glaubt), dass und warum etwas falsch ist oder schlechter funktioniert, als es könnte, dann kann er meistens auch einigermaßen korrekt vorhersagen, was man wie Ă€ndern mĂŒsste, damit es nicht mehr falsch ist bzw. besser als zuvor funktionieren wĂŒrde. Verschweigt er diese Erkenntnis, dann verbessert er nĂ€mlich nichts und trĂ€gt damit wissentlich zur Erhaltung eines schlechteren Zustandes als dem bei, den er durch die Veröffentlichung seiner Erkenntnisse herbeizufĂŒhren helfen könnte.

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    4. Wenn ich also das österreichische oder deutsche DenkmalĂ€mter kritisiere, dann fĂŒhre ich keinen "Kampf gegen die DenkmalĂ€mter", sondern (versuche) ihnen dabei zu helfen, ihre Aufgaben so effektiv und erfolgreich erfĂŒllen zu können, wie es möglich ist; d.h. fĂŒhre einen "Kampf fĂŒr die bestmögliche Denkmalpflege". Und meine Kritik der DenkmalĂ€mter ist auch immer konstruktiv, auch keineswegs immer negativ, sondern - wenn auch weniger hĂ€ufig, weil ich ja Verbesserungen herbeizufĂŒhren versuche und daher wenig Gelegenheit habe, mich darĂŒber, was die DenkmalĂ€mter ohnehin schon bestmöglich machen (und das ist sehr, sehr viel!) zu Ă€ußern - durchaus manchmal auch positiv. So habe ich erst zuletzt in einem Beitrag auf "ArchĂ€ologische Denkmalpflege" (https://archdenk.blogspot.com/2019/04/denkmalforschung-denkmalschutz-und-das.html) dem Bayerischen Landesamt fĂŒr Denkmalpflege (bei dennoch bestehenden, weiteren Optimierungsmöglichkeiten) vorbildliches Vorgehen im Bereich der vorausschauenden Vorerkennung von noch unbekannten Denkmalen attestiert; oder auch dahingehend zu den Fundberichten aus Österreich geĂ€ußert, dass deren regelmĂ€ĂŸige Publikation in ihrer aktuellen Form durch das österreichische Bundesdenkmalamt vorbildlich und weltfĂŒhrend sei. Derartige lobende Kritik - und wissenschaftliche Kritik ist nichts anderes als eine begrĂŒndete, wertende Beurteilung, d.h. auch Lob ist wissenschaftliche Kritik - regt nur niemanden auf und wird daher von KollegInnen, die nicht an einer Verbesserung sondern nur an der Erhaltung des derzeitigen Zustandes interessiert sind, nicht einmal wahrgenommen.


      Ebensowenig wird wahrgenommen, dass ich auch viel mit wenigstens manchen der von mir (auch) "scheltend" kritisierten DenkmalĂ€mter zusammenarbeite, insbesondere dem österreichischen Bundesdenkmalamt, bzw. diese auf vielfĂ€ltige Art unterstĂŒtze. Z.B. habe ich gerade in enger Zusammenarbeit mit dem BDA als Mittel zur verbesserten Dokumentation von durch Feldpraxis erworbener "handwerklicher" archĂ€ologischer Fertigkeiten den "ArchĂ€ologischen Grabungs-Kompetenz-Pass" (https://www.archaeopublica.eu/verein/projekte/kompetenzpass/) und eine ÖNORM (https://archdenk.blogspot.com/2019/02/denkmalschutz-durch-industrienorm-statt.html) mitentwickelt, die wenn sie angenommen werden beide zu einer maßgeblichen Verbesserung der archĂ€ologischen Denkmalpflege beitragen werden.

      Die Vorstellung, ich wĂŒrde "gegen" die DenkmalĂ€mter kĂ€mpfen ist also nachgerade lachhaft; was allein schon meine seit ĂŒber einem Jahrzehnt in vielen Publikationen matraartig wiederholte Forderung zeigt, die Abteilung(en) fĂŒr ArchĂ€ologie des Bundesdenkmalamts mĂŒsse (und auch die anderer DenkmalĂ€mter mĂŒssten) deutlich personell verstĂ€rkt werden. Ich kĂ€mpfe nicht "gegen" die DenkmalĂ€mter, ich kĂ€mpfe fĂŒr die bestmögliche Denkmalpflege. Und neuerlich: wenn sie den Unterschied zwischen sachlicher wissenschaftlicher Kritik an (möglichen) MĂ€ngeln und unsachlichen Angriffen auf meiner Meinung nach enorm wertvolle, aber eben nicht immer perfekte, Institutionen der Denkmalpflege nicht zu erkennen vermögen, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

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  16. Als Laie lange Jahre zusammen mit Klaus Schmidt (Göbekli Tepe) in einer SpelĂ€ologengruppe aktiv, wollte ich Anfang der 80er in Erlangen Ur- und FrĂŒhgeschichte studieren, habe mich aber dann kurzfristig fĂŒr SonderpĂ€dagogik entschieden und ĂŒber 40 Jahre in diesem Bereich gearbeitet.
    Verfolge ich diesen Disput, bin ich darĂŒber sehr froh.
    Völlig unabhĂ€ngig von sachlichen Inhalten, hĂ€tte ich diesen rhetorisch im wahrsten Sinne „geschliffenen Umgang (Metaebene der Texte) miteinander, nicht ertragen.

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