Samstag, 18. Mai 2019

📖 Buch: Freydal - Medieval Games. Das Turnierbuch Kaiser Maximilians I.



So warn die alten Rittersleut

Der sogenannte "Freydal" ist ein prächtiges, zwischen 1512 und 1515 von über einem Dutzend Künstlern angefertigtes Turnierbuch Kaiser Maximlians I., der nicht zuletzt wegen seiner Vorliebe für aufwendige Ritterspiele als der "letzte Ritter" in die Geschichte einging.
Anhand von 255 großformatigen, farbenfrohen und detailreichen Darstellungen wird Einblick in das Turnierwesen des frühen 16. Jahrhunderts gegeben. Dementsprechend stellt der Freydal neben Büchern wie dem dem "Weißkunig" und dem "Theurdank"  heute eine der wichtigsten Bildquelle für die damalige Zeit dar: Rüstungen, Waffen, Kampftechniken (zu Fuß wie auch zu Pferde), Frisuren, Kleidung, Musikinstrumente und weitere Aspekte des adelig-ritterlichen Turnieralltags werden hier abgedeckt (siehe die nachfolgenden Bilder). Darunter findet sich auch manch Kuriosität - wie etwa die Helmzier in Form eines Vogelkäfigs - inklusive (lebendigem?) Vogel! Vielleicht daher der Spruch, "du hast einen Vogel"? 😉 Wiederum ein anderer Ritter trägt einen Blumentopf mit Blumen auf dem Kopf. Aus moderner Sicht wirkt dergleichen ziemlich extravagant, doch es galt dazumal offensichtlich, auf Teufel komm raus aufzufallen. Ähnlich verhält es sich ja heute noch, und zwar bei manch Musiker, dessen Kleidung, Frisur, Piercing oder Tattoo oft genug auch keinen ästhetischen Gesichtspunkten zu gehorchen scheint
Ein wenig zur Vorsicht muss hinsichtlich der Darstellungen im Freydal allerdings geraten werden, da die Künstler bei ihrer Recherche oft auf Hörensagen angewiesen waren und deswegen gelegentlich von der Realität nachweislich abwichen. So wird in der Einleitung beispielsweise darauf hingewiesen, dass bei der Pferdedecke des Kaisers ausgerechnet jene unzähligen Perlenstickereien vergessen wurden, die unter seinen Zeitgenossen großes Aufsehen erregt haben sollen.
Freilich, sich über dergleichen zu beklagen, scheint Jammern auf extrem hohem Niveau zu sein, doch gerade Personen mit tiefer gehendem Interesse sollten die Möglichkeit von kleineren Ungenauigkeiten und Auslassungen berücksichtigen. Stichwort "Quellenkritik".

Die vorliegende Ausgabe des Taschen Verlags misst enorme 36 x 36 cm, ist 448 Seiten stark und 7 kg schwer (zum Glück habe ich mein Bücherregal erst kürzlich umgebaut, um auch solche Ungetüme darin kommod unterbringen zu können). Einleitung wie auch Bildtexte sind dreisprachig (Englisch, Deutsch, Französisch). Die Erklärungen zu den einzelnen Abbildungen können meiner Ansicht nach zumeist als ausreichend bezeichnet werden. Z.B. erfährt der Leser hier Interessantes über die unterschiedlichen Spielarten spätmittelalterlicher Turniere. Wer weiß denn heute beispielsweise noch, was Begriffe wie "Ochs" und "Pflug" beim Schwertkampf bedeuten? Oder was eine "Mummerei" ist?
Das Buch enthält im Anhang ein kurzes Glossar und sogar eine Bibliographie, da in der für mich überaus nützlichen Einleitung auch sehr schöne Abbildungen aus anderen Turnierbüchern Verwendung fanden.

Fazit: Der Freydal ist eine wissenschaftlich wertvolle und optisch sehr schöne Primärquelle für die Zeit des späten Mittelalters und der frühen Renaissance. Wirklich zu bemängeln habe ich an dieser hochwertigen Ausgabe eigentlich nichts, allerhöchstens die Kleinigkeit, dass die Abbildungen nicht in jedem Fall eine volle Seite ausfüllen.
Der Kaufpreis beträgt 150 Euro, was den Kreis potentieller Käufer naturgemäß einengt. Meiner Beobachtung nach bleiben diese Art Bücher des Taschen Verlages zumeist auch recht preisstabil. 

Einleitung. Rechts: Sogenanntes "Anzogenrennen" (Vorbereitungszeichnung für den Freydal) | (C) Taschen Verlag
Sogenannte "Mummerei" bzw. ein Tanz in phantastischen Kostümen | (C) Taschen Verlag
Links: Sogenanntes "Geschifttartschen-Rennen" | (C) Taschen Verlag

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1 Kommentar:

  1. Eigentlich würde ich Maximilians Freydal sehr gerne meiner Bibliothek hinzufügen, aber das scheitert am Preis, weil um das Geld bekomme ich vier bis fünf der üblichen Sachbücher, die ich mir kaufe.
    Aber vielleicht bringt der Taschenverlag in der Zukunft noch eine kleinere Ausgabe heraus, so wie bei ähnlichen Büchern ....
    W.T.C.

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