Dienstag, 22. Oktober 2019

📖 Buch: Marcellus - Der Merowinger

Ein Sachbuch in Romanform 

Marcellus stammt aus einer alten provinzialrömischen Familie, die nach dem Zusammenbruch des (West-)Römischen Reichs unter die Herrschaft der germanischen Franken gerĂ€t. Sich den neuen Gegebenheiten anpassend, tritt Marcellus als Krieger in den Dienst eines in Colonia (Köln) residierenden frĂ€nkischen Kleinkönigs. Von diesem werden er und einige seiner Freunde beauftragt, der burgundischen Verlobten des Thronfolgers entgegen zu reiten, um ihr sicheres Geleit zu geben. Doch jemand möchte die Gelegenheit nutzen, um Marcellus auf diesem Ritt zu ermorden. Zu allem Überfluss fallen aus dem SĂŒden auch noch die Alamannen mit einem großen Heer brandschatzend bei den Franken ein. Marcellus' Gefolgsherr sieht sich deshalb genötigt, bei seinem mĂ€chtigen Nachbarn - dem Merowinger Chlodwig - um Hilfe zu bitten. Der aber ist nicht abgeneigt, die brenzlige Situation rĂŒcksichtslos zu seinen eigenen Vorteil auszunutzen.

Der Autor Michael Kuhn ist studierter Historiker und war ganz offensichtlich bemĂŒht, ein möglichst authentisches und lebendiges Bild des spĂ€ten 5. Jahrhunderts zu zeichnen. Erkennbar ist das an vielen Details wie der Verwendung des heute weitestgehend unbekannten gallischen LĂ€ngenmaßes "Leuge" (anstatt der gĂ€ngigen Meile) und am umfangreichen BerĂŒcksichtigen archĂ€ologischer Befunde bei der Beschreibung von Handlungsorten. Sogar bei der auf der Innenseite des Buchdeckels abgebildeten Landkarte wird einige Liebe zum Detail erkennbar, da hier Symbole verwendet wurden, wie sie sehr Ă€hnlich auch auf der spĂ€tantiken "Tabula Peutingeriana" zu sehen sind.
Die Kehrseite des Bestrebens, den Leser nicht nur zu unterhalten, sondern ihm auch Wissen zu vermitteln ist hier, dass Begriffe aus der modernen Geschichtsforschung Verwendung fanden. Beispielsweise "Spangenhelm", "Streifenhaus" und "Landnahme". Das wirkt stellenweise etwas hölzern. Ich hĂ€tte, um bei den genannten Beispielen zu bleiben, das Aussehen des Helms und der HĂ€user einfach beschrieben und statt "Landnahme" den Begriff "Eroberung" verwendet. Auch weniger geschickt ist die ErwĂ€hnung von "Minuten", um eine kurze Zeitspanne anzugeben. Das war dazumal aus naheliegenden GrĂŒnden noch nicht ĂŒblich.

Positiv ist wiederum, dass hier kein inflationÀres Christen-Bashing betrieben wird, wie man das z.B. von Bernard Cornwell, Peter Bunt und Robert Fabbri kennt. Vielmehr wird das VerhÀltnis zwischen Christen und Heiden objektiv geschildert.
Die erzĂ€hlte Geschichte selbst wĂŒrde ich zwar nicht als extrem spannend bezeichnen, aber sicher auch nicht als langweilig. Meinem GefĂŒhl nach hat der Roman kaum LĂ€ngen, vielmehr schreitet die Handlung meist recht zĂŒgig voran. Genauso mag ich das.
Abgerundet wird der Buchinhalt mit einem umfangreichen Anhang, der neben einem Glossar und einer Zeittafel zusÀtzlich Fotos und Grafiken mit nÀheren Beschreibungen der Handlungsorte enthÀlt. Auch hieran wird die sehr löbliche pÀdagogische Absicht des Autors erkennbar.

Fazit: Der vorliegende Roman ist wahrscheinlich besser als die meisten Sach- und SchulbĂŒcher geeignet, in die sehr interessante Zeit der frĂŒhen Merowingerkönige einzusteigen - als die Antike ihren letzten Atemzug tat und das Mittelalter bereits krĂ€ftig an die TĂŒr klopfte.


Hinweis: Es gibt zwei Fortsetzungen mit den Titeln "Marcellus - Graf von Arduena" und "Marcellus - Blutgericht"

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WeiterfĂŒhrende Informationen:



4 Kommentare:

  1. Schade, dass es von den BĂŒchern keine gĂŒnstige Taschenbuchausgabe gibt.
    Higi

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    1. Ja, das wĂ€re sicher nicht schlecht. Aber Autor und Verlag haben sicher ihre GrĂŒnde ;)

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  2. Hört sich interessant an. Danke Hilti!
    Marcus

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  3. Seit Kaptorgas Videoreihe "Reenactment von Anfang an"ist bei mir das Interesse fĂŒr die Merowingerzeit neu erwacht.
    Link: https://www.youtube.com/watch?v=_sGFjk_De9M&list=PL0re9ao_jp7q0Ydqu2R8EO4LN4j10lHyP

    Von daher passt dein Literaturtipp hervorragend :). Das Buch kommt auf die Liste.

    GrĂŒĂŸe
    Ulrich

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