Themenschwerpunkt in Heft 1/2021 der vom Verlag Friedrich Pustet herausgegebenen Zeitschrift "Bayerische ArchĂ€ologie" ist das immer noch etwas mysteriöse Volk der Etrusker. Als Nachbarn der frĂŒhen Römer ĂŒbten sie einen starken Einfluss auf deren Kultur aus. Aber auch im Norden, nĂ€mlich bei den Kelten und besonders bei den RĂ€tern in den Alpen sind mitunter sehr deutliche Hinweise auf die Etrusker zu finden.
ArchĂ€ologisches Krawallvokabular: Vulci - Anatomie einer "geplĂŒnderten" etruskischen Stadt
Die ungefĂ€hr 100 km nordwestlich von Rom gelegene etruskische Stadt Vulci ist fĂŒr die archĂ€ologische Forschung bis heute eine echte Fundgrube. Besonders die mitunter prĂ€chtig ausgemalten etruskischen Grabbauten wie etwa die Tomba François können als absolute Highlights bezeichnet werden.
Leider sind jedoch viele der schon frĂŒh entdeckten GrĂ€ber entweder zwischenzeitlich zerstört worden oder verschollen. Ein erklecklicher, nicht uninteressanter Teil des Textes ĂŒber Vulci beschĂ€ftigt sich dann auch mit der in der Renaissance einsetzenden Forschungsgeschichte, die bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem von Sammlern, schlampigen 'ArchĂ€ologen' und Schatzsuchern geprĂ€gt war.
Dass durch deren AktivitĂ€ten fĂŒr die Forschung ein enormer Schaden entstand ist ĂŒberaus tragisch. Trotzdem wĂ€re es schön gewesen, wenn sich die beiden verantwortlichen Autoren diesbezĂŒglich eines sachlich richtigen Vokabulars bedient hĂ€tte, anstatt in typischer ArchĂ€ologenmanier in sprachlichen Ăbertreibungen zu schwelgen und etwa von "PlĂŒnderungen" zu fabulieren. Denn PlĂŒnderung ist ein Eigentumsdelikt, das an natĂŒrlichen und juristischen Personen begangen wird. Hinsichtlich der ĂŒber 2000 Jahre alten etruskischen GrĂ€ber, die Jahrhunderte lang mit Duldung oder oft sogar im Auftrag der lokalen bzw. staatlichen AutoritĂ€ten nach verwertbaren Dingen durchwĂŒhlt wurden, ist das unzutreffend.
Lob verdient der Beitrag dann allerdings wieder fĂŒr die vielen schönen und fĂŒr das VerstĂ€ndnis oft hilfreichen Illustrationen; darunter z.B. die Rekonstruktion eines Teils der Stadtmauer von Vulci und eines etruskischen Tempels.
Etwas langweilig: Aus Etrurien ins Nördlinger Ries
In diesem Text geht es vor allem um in der Keltenzeit importierte etruskische Objekte, die im Boden des heutigen Bayerns entdeckt wurden. Darunter ein kostbares Kurzschwert, Kochutensilien und eine bronzene Statuette. Sie zeugen von regen Handelsbeziehungen zwischen den etruskischen Gebieten Italiens und beispielsweise den keltisch besiedelten Regionen SĂŒddeutschlands.
Leider besteht der Beitrag fĂŒr meinen Geschmack zu oft aus eher langweiligen Aneinanderreihung archĂ€ologischer Befunde. Weniger wĂ€re hier mehr gewesen, dementsprechend hĂ€tte meiner Meinung nach auch die HĂ€lfte des Textes ausgereicht.
Uijegerl, peinliches 'virtue signalling' fĂŒrs Foto!
Die in der Heftmitte abgedruckten Mitteilungen der Gesellschaft fĂŒr ArchĂ€ologie in Bayern e.V. enthalten ein Paradebeispiel fĂŒr peinliches 'virtue signalling': Auf einem Foto ist die im Rahmen einer Buchvorstellung vollzogene Ăbergabe (?) des aktuellen Bandes der Reihe "Arbeiten zur ArchĂ€ologie SĂŒddeutschlands" zu sehen. Die beiden involvierten Personen stehen dabei dermaĂen weit voneinander entfernt, dass sie das Buch gerade noch mit jeweils einer ihrer ausgestreckten HĂ€nde berĂŒhren können. Auch die anderen Anwesenden haben sich demonstrativ in einer mitunter noch gröĂeren Entfernung positioniertđ. Das Ergebnis ist eine Szene, die auch gut in den Film Idiocracy gepasst hĂ€tte.

Es ist wirklich zum FremdschĂ€men, wenn Opportunisten offenbar krampfhaft versuchen, sich öffentlich als mustergĂŒltige Untertanen zu inszenieren; die harmloseste Analogie, welche mir dazu einfĂ€llt sind die Anwandlungen von Teilen des BĂŒrgertums im wilhelminischen Deutschland.
Wenn diese Herrschaften ernsthaft Angst vor dem Virus haben, und das steht ihnen natĂŒrlich frei, dann hĂ€tten sie gleich zuhause bleiben bzw. alles virtuell ĂŒbers Internet veranstalten sollen. Diese Art Zirkus interessiert ja in der Regel sowieso niemanden so richtig. Man geht halt hin, weil es von einem erwartet wird.
Aufgrund der eigenen Lebens- und Alltagserfahrung kann man freilich mit nahezu absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass die Versammelten bei der Buchvorstellung (und auch ansonsten) nicht stĂ€ndig dermaĂen groĂe AbstĂ€nde hielten, sondern hier nur fĂŒrs Foto Laientheater gespielt haben und dabei mit ihrer Darbietung ins 'overacting' abgeglitten sind. Allem Anschein nach hĂ€lt man den Leser fĂŒr ziemlich naiv, um nicht zu sagen fĂŒr total gaga - anderenfalls hĂ€tte man gar nicht erst versucht, ihm einen solchen BĂ€ren aufzubinden. Letztendlich ist dieses heuchlerische Zurschaustellen der eigenen 'Tugend' unterm Strich nicht nur peinlich, sondern aufgrund der offenkundigen TĂ€uschungsabsicht geradezu Ă€rgerlich.
Eine Zumutung: Das VerhÀltnis der rÀtischen Sprache zum Etruskischen
In welcher verwandtschaftlichen Beziehung stand das in den Alpen lebenden Volk der RĂ€ter mit den in Italien lebenden Etruskern? Diese Frage bewegte schon antike Autoren, denen sprachliche Gemeinsamkeiten aufgefallen sind. Waren die auch auf deutschem und österreichischem Boden siedelnden RĂ€ter gar 'verwilderte' Etrusker - wie gemutmaĂt wurde? Ăber Erkenntnisse, die diesbezĂŒglich sprachwissenschaftliche Untersuchungen von ca 330 ĂŒberlieferten rĂ€tischen Inschriften ergaben, geht es in einem Beitrag der Epigrafikerin Corinna Salomon.
Nun mag Frau Salomon in fachlicher Hinsicht eine Kennerin dieser durchaus interessanten Materie sein. Anders als ihr Nachname suggeriert, besaà sie hier jedoch nicht die Weisheit, sich einer allgemein verstÀndlichen Sprache zu bedienen. Ganz im Gegenteil, ihre Fremdwortvöllerei geht phasenweise wirklich auf keine Kuhhaut mehr. Hier ein Beispiel von vielen:
Zum gegebenen Zeitpunkt ist nicht klar, wie nah verwandt RĂ€tisch und Etruskisch sind. Die Ăhnlichkeit der Phonemsysteme, der bemerkenswerten formalen Ăbereinstimmungen in Flexionsbereich mit DurchfĂŒhrung der von Rix angesetzten prĂ€historischen Apokope und den vollen Wortgleichungen stehen semantische WidersprĂŒche in Wortbedeutungen, Allomorphenverteilung und Kasusfunktionen gegenĂŒber. Ebenfalls auffallend sind die Abweichungen in den Patronymsuffixen und generell die Magerkeit gemeinsamen ererbten onomastischen Materials. |
WTF?! Wer soll denn dieses Fach-Kauderwelsch bitteschön durchgehend verstehen? Gerne kann man dergleichen in einem Blatt fĂŒr Linguistik veröffentlichen, aber doch nicht in einer ArchĂ€ologiezeitschrift, deren Leserschaft sich fast ausschlieĂlich aus sprachwissenschaftlich nicht Vorgebildeten zusammensetzt.
Was denken sich die Verantwortlichen wohl dabei, so etwas in ihr Heft aufzunehmen ohne zuvor eine Ăberarbeitung zu veranlassen? Konnte man die offenbar etwas merkbefreite* Autorin nicht in ihrem akademischen Wolkenkuckucksheim kontaktieren und sie bitten, die unleserlichen Passagen halbwegs zu entschĂ€rfen oder zumindest FuĂnoten mit ErlĂ€uterungen einzubinden?
* Merkbefreit ist die Autorin dann, wenn sie den Text speziell fĂŒr die Zeitschrift "Bayerische ArchĂ€ologie" verfasst hat. Sollte man sich ihn jedoch nur 'ausgeborgt' haben, da er ursprĂŒnglich ganz woanders erschienen ist (etwa in einem Fachblatt), dann liegt die Schuld ausschlieĂlich beim Herausgeber. Er hĂ€tte auf den ersten Blick realisieren mĂŒssen, dass hier die meisten Leser ĂŒberfordert werden und der Text daher ungeeignet ist. Jede Wette, dass auch er selbst vieles nicht verstanden hat!
Die Krieger von Rain am Lech: Einblicke in die Bilderwelt des 6. und 7. Jahrhunderts
Merowingerzeitliche Riemenzungen einer Wadenbindengarnitur, die man in Rain am Lech entdeckt hat, werden in diesem durchaus interessanten Beitrag zum Anlass genommen, um die darauf dargestellten Krieger mit Ă€hnlichen frĂŒhmittelalterlichen Motiven auf anderen archĂ€ologischen Funden zu vergleichen und die dahinterstehende Bedeutung zu beleuchten. Unter den Objekten befindet sich etwa die bedeutende Leier von Trossingen, die Schwerscheide von Gutenstein, der Helm aus dem Grab ValsgĂ€rde 8 usw.
Die Autorin vermutet, dass einige dieser frĂŒhmittelalterlichen Kriegerdarstellungen - und zwar speziell jene, die einen Krieger zeigen, der zu Pferde gerade einen Feind ĂŒber den Haufen reitet - ursprĂŒnglich Grabsteine römischer Kavalleristen zum Vorbild gehabt haben könnten. Dementsprechend mĂŒssten einige der besagten Grabsteine noch zur Merowingerzeit sichtbar gewesen sein. Eine durchaus interessante Vorstellung.
Mir persönlich fallen im Zusammenhang mit dem Bildmotiv des Reiterkriegers freilich auch noch römische MĂŒnzen ein, die als Quellen gedient haben könnten. Einige enthielten nĂ€mlich ebenfalls die entsprechenden Darstellungen und sie waren z.T. auch in der Merowingerzeit immer noch als Zahlungsmittel im Umlauf.
SteinhÀmmer oder Keulenköpfe?
Bedingt durch Material und Form werden auf unseren Ăckern steinzeitliche Objekte oft ĂŒbersehen. Darunter befinden sich z.B. SteinhĂ€mmer/Keulenköpfe mit sanduhrförmiger Durchbohrung. Ăber entsprechende Funde in Bayern schreib Karl Heinz Rieder, der sich auch daran gemacht hat, selbst ein solches Werkzeug zu rekonstruieren. Oder war es doch eine Waffe? Die Forschung weiĂ es nicht und schwankt bei der Beurteilung des Verwendungszwecks irgendwo zwischen Fellklopfer, Nussknacker und TotschlĂ€ger. FĂŒr mich ein ĂŒberraschend interessantes Thema.
Sonstige BeitrÀge
- 1000 Jahre alte (ottonische) Wandmalereien im Augsburger Dom
- Etruskische SchĂ€tze in MĂŒnchen
- Sonderausstellung: Die ersten Franken
- Leserbriefe zum Thema Abrisse alter HĂ€user
- Ein Forscherleben fĂŒr das bayerische PalĂ€olithikum - Gisela Freund zum 100 Geburtstag
- Erforscher der frĂŒhen Römerzeit - Zum 90. Geurtstag von GĂŒnter Ulbert
- Neue BĂŒcher (â Achtung, darunter befindet sich ein fĂŒr einige Leser des Blogs wohl interessantes Buch mit dem Titel: "Wurmbuntschmiedetechnik - von den AnfĂ€ngen bis zur BlĂŒtezeit im FrĂŒhmittelalter". Bei Amazon ist es zurzeit nicht erhĂ€ltlich, aber direkt beim Verlag - was eventuell Absicht ist)
Fazit
Der eigentlich spannende Themenschwerpunkt Etrusker wurde hier nicht meinen Erwartungen entsprechend behandelt. Experte zu sein bedeutet eben noch lange nicht, dass man auch die FÀhigkeit besitzt allgemein verstÀndliche und interessante Texte zu schreiben. Davon abgesehen enthÀlt das Heft durchaus einige gelungene BeitrÀge. Mehr als 3 Sterne gehen sich diesmal aber leider bei der Gesamtbewertung nicht aus.
ââââââ
WeiterfĂŒhrende Informationen:
Traurig daran ist, dass es sicher einige naive Leute geben wird, die ihnen diese realitÀtsfremde Abstandsshow abnehmen werden. Ich habe allerdings herzhaft gelacht, als ich das Foto gesehen habe :-)
AntwortenLöschenDen Artikel mit den Kriegerdarstellungen habe ich auch sehr gut gefunden. Interessant waren dabei auch die ikonographischen Verbindungen nach Skandinavien.
LeMusiu
Wenn man bedenkt, dass viele der im sĂŒddeutschen Raum siedelnden Germanen ihre UrsprĂŒnge im Norden haben, dann sind solche Gemeinsamkeiten in der Bildersprache eigentlich gar nicht so verwunderlich.
LöschenZum Fachchinesisch: Da haben sie offensichtlich vergessen, dass die Zeitschrift Bayerische ArchÀologie hauptsÀchlich von Laien gelesen wird.
AntwortenLöschenDer Wanderschmied
Hört sich ja nicht gerade prickelnd an. WĂŒrde ich die Reihe nicht vollstĂ€ndig haben wollen, dann wĂŒrde ich das Heft auslassen. Schade, aber es kommen sicher wieder bessere. :-)
AntwortenLöschenC3PO
Das nĂ€chste Mal erfolgt die BuchĂŒbergabe gleich mittels zwei jeweils 3 Meter langen Kneifzangen. Um wirklich sicher zu gehen.
AntwortenLöschen:D
Hiltibold, ich bitte dich, du wirst doch wohl wissen was die Allomorphenverteilung ist!??
AntwortenLöschen;D
Heute lernt man das schon im Kindergarten, aber zu meiner Zeit war das noch nicht der Fall ;)
LöschenIch hoffe doch sehr, dass die zwei Herren sich nach dem Ăberreichen des Buchs umgehend die HĂ€nde desinfiziert haben, denn es gibt auch Schmierinfektionen, dagegen hilft auch kein Abstandhalten. ;-)
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