Samstag, 7. Mai 2022

⚣ Gayus Schwulius Caesar - Homosexuell oder nicht?


Manch einer neigt heutzutage dazu, berühmten historischen Figuren (vor)schnell Homosexualität zu 'attestieren'; der Grund dafür sind aktuelle gesellschaftspolitische Anliegen, die wiederum jeder bewerten mag wie er möchte. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa der im Mittelalter lebende König Richard Löwenherz, dessen mutmaßliche Männerliebe ich mir bereits näher angesehen habe. Hier soll es nun aber um den noch wesentlich weiter in der Vergangenheit angesiedelten Staatenlenker Gaius Julius Caesar gehen. Als bester Zeitzeuge für seine Homosexualität (eigentlich Bisexualität) wird immer wieder der auf Klatsch spezialisierte antike Geschichtsschreiber Gaius Suetonius Tranquillus bemüht. Dieser teilt uns mit, dass Caesar im Zuge seines Kriegsdienstes in Kleinasien zu König Nikomedes von Bithynien entsandt wurde (siehe auch seine legendäre Gefangenname durch Piraten). Bald darauf verbreitenten sich angeblich Gerüchte, wonach er während des längeren Aufenthalts beim König mit diesem eine sexuelle Beziehung eingegangen ist. Nach Beendigung seiner Mission soll Caesar sogar einen Vorwand gesucht und gefunden haben, um seinen angeblichen 'Geliebten' noch einmal zu besuchen (Sueton | Caesar 1.2 | Übersetzung von Dietmar Schmitz, Reclam 1999/2010).

An anderer Stelle heißt es bei Sueton, Caesar habe sich viele Jahre später in einer Senatssitzung damit gebrüstet, dass ihm gleich mehrere der gallischen Provinzen gleichzeitig als Amtsbereich übertragen wurden. Woraufhin einer der Senatoren bissig einwarf, das sei gerade für eine Frau in der Tat eine ziemliche Leistung. Caesar entgegnete auf dieses Foul ironisch, dass schließlich auch in Syrien eine Semiramis geherrscht haben soll und einen großen Teil Asiens hätten einst die Amazonen innegehabt. (Sueton | Caesar 22.2  | Übersetzung von Dietmar Schmitz, Reclam 1999/2010).

Der Kritiker hat - als er Caesar quasi als Frau bezeichnete - darauf angespielt, dass dieser beim Geschlechtsverkehr mit Männern wie König Nikomedes den passiven Part - also quasi den der Frau - gespielt haben soll; was wiederum für einen römischen Bürger als besonders unwürdiges bzw. entehrendes Verhalten galt. Caesar ging - wie wir gesehen haben - mit diesem Vorwurf der 'passiven Homosexualität' aber allem Anschein nach humorvoll um. Und das musste er wohl auch, denn er war anscheinend nicht selten und wurde mitunter noch wesentlich deutlicher als im obigen Beispiel vorgebracht: Nikomedes sei -  hinsichtlich seiner angeblichen Beziehung zu Caesar - ein "Knabenschänder" gewesen; diese Aussage war dazumal für Caesar wesentlich beleidigender als für Nikomedes. Außerdem soll der spätere Diktator "Nebenbuhler der Königin (von Bithynien)" und "Matratze der königlichen Sänfte" 😂 gewesen sein. Glaubt man Sueton, dann wurde Caesar von Zeitgenossen auch als "Stall des Nikomedes" und "bithynisches Bordell" bezeichnet. Marcus Calpurnius Bibulus, sein mit ihm verfeindeter Amtskollege im Konsulat, nannte ihn dem Vernehmen nach wenig wohlmeinend "Königin von Bithynien" (= die Ehefrau des Nikomedes); und während Caesar früher "Könige am Herzen gelegen" haben sollen (=Nikomedes), so sei es nun die Königsherrschaft (bzw. die Diktatur). Sogar Caesars Soldaten haben einschlägige Spottlieder auf ihn gesungen, heißt es weiter (Sueton | Caesar 49.1-4  | Übersetzung von Dietmar Schmitz, Reclam 1999/2010). Wobei solche Spötteleien der eigenen Soldaten prinzipiell nichts ungewöhnliches waren; auch beispielsweise Caesars steinreicher Zeitgenosse Marcus Licinius Crassus musste sie über sich ergehen lassen. 

Die Liste ließe sich noch länger fortführen. Zum Abschluss aber eine Beispiel, das mir neben der Sänftenmatratze besonders gut gefällt: Der Politiker Gaius Scribonius Curio d.Ä. soll in einer Brandrede Caesar "Mann aller Frauen und Frau aller Männer" genannt haben. Ihm wurde damit unterstellt, nicht nur mit Frauen (man denke etwa an Kleopatra), sondern auch mit Männern über alle Maßen Sex gehabt zu haben. Und im letzteren Fall eben in der dazumal als schändlich eingestuften Rolle/Position einer Frau (Sueton | Caesar 52.3  | Übersetzung von Dietmar Schmitz, Reclam 1999/2010).

Ob freilich an diesen unterhaltsamen Überlieferungen etwas Wahres dran ist, lässt sich nach mehr als 2000 Jahren nicht mehr seriös beurteilen. Politische Lügen und Verleumdungen können schließlich ein munteres Eigenleben entwickeln. Auch unsere Gegenwart bietet eine Unzahl an entsprechenden Beispielen. Andererseits kann nichts ausgeschlossen werden. Eines zeigt der Fall Caesar aber deutlich: Die Toleranz gegenüber Homosexuellen hielt sich auch im Antiken Rom in engen Grenzen. Mehr noch: Der Vorwurf der Homosexualität wurde schon dazumal gezielt als Waffe eingesetzt. Ziemlich leicht war es nämlich, einem Mann, der tatsächliche oder vermeintlich homosexuell war, zu unterstellen, er würde den passiven/entehrenden Part in einer Beziehung mit einem anderen Mann spielen.


PS: Oberstudienräte und Lateiner mögen ihre Beschwerden über mein absolut geistreiches und überhaupt nicht kindische Wortspiel mit dem Namen des großen römischen Diktators bitte direkt ans Salzamt schicken 😄. 
Übrigens, dieser Tage stand in einer Tageszeitung zu lesen, dass das Posting eines homosexuellen ORF-Journalisten von einer Social-Media-Plattform verbannt wurde, nachdem er darin sein Buch "Die schwule Seele" beworben hatte. Das Wort "schwule" wurde von irgendeinem Zensur-Algorithmus anscheinend als böse eingestuft. Und das ist schon erstaunlich. Haben doch homosexuelle Männer den Begriff "schwul", der Ursprünglich wie das englische Wort "gay" tatsächlich ein reines Spottwort für sie war, längst vereinnahmt und mit einem gewissen Stolz getragen (ob man auf seine sexuelle Ausrichtung - egal welche - stolz sein kann ist freilich eine andere Frage). Und nun kommen (a)soziale Medien daher und wollen - in einer Art Allmachtswahn - das Rad der Zeit zurückdrehen. "Schwul" 'dürfen' nun nur noch die Gegner der Schwulen sagen. Damit man sie daran gleich als Bösewichte erkennen und sperren kann? Komisch nur, dass der ähnlich gelagerte Begriff "gay" hingegen weiterhin erlaubt ist. Doppelte Maßstäbe? Oder einfach nur ein Zeichen für die abgrundtiefe Blödheit einer von amerikanischen Tech-Giganten dominierten Idiocracy? 

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4 Kommentare:

  1. LOL
    Keine Beschwerde von mir ans Salzamt, sondern höchstens eine Empfehlung für den Pulitzerpreis ;-)

    Sueton war wahrscheinlich das größte Klatschmaul der Antike. Seine Kaiserbiographien wirken, als ob er dafür Quellen herangezogen hat, die dem Niveau der "Bild" entsprechen. Ich wundere mich unentwegt, warum Historiker den so ernst nehmen.

    Gero

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    1. Sieht man sich die Preisträger besonders der letzten Jahre etwas genauer an, dann ist es mittlerweile eine eher zweifelhafte Ehre, für den Pulitzerpreis vorgeschlagen zu werden ;)
      Es verhält sich so ähnlich wie mit dem Friedensnobelpreis.

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  2. Ich kann mir vorstellen, dass die Moralvorstellungen in der Republik noch strenger waren als in der Kaiserzeit. Weil von Nero und Hadrian ist ja bekannt, dass sie öffentlich mit ihren Lovern verkehrt haben. Klar, da waren wohl sie als Kaiser der dominante Part und nicht die "Frau", aber nicht einmal von so einer Konstellation ist mir aus der Zeit der Republik etwas von öffentlichen Personen / Politikern bekannt.
    Tribul

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    1. Die Späte Republik wird in den antiken Quellen tendenziell als sittlich verwahrlost beschrieben. So streng gings da nicht mehr zu. Im Gegenteil, Augustus hat dann mit diversen Gesetzen - etwa zur Ehe - sogar versucht, die Sitten der Vorväter ("mos maiorum") wieder herzustellen. Mit mäßigem Erfolg freilich, wie das Liebesleben seiner eigenen Familie belegt. Aber ja, punktuell kann und wird es trotzdem Unterschiede zwischen der Später Republik (Cäsars Zeit) und der Kaiserzeit gegeben haben (wobei: DIE Kaiserzeit gabs ja auch nicht). Im Falle der Homosexualität sind allerdings die Unterschiede schwer zu beurteilen, weil hier die Quellen meiner Erfahrung nach sehr dürftig sind.

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