Mittwoch, 27. April 2022

☠️ 'Beschissen': Chemiewaffen in der Antike


Wieder einmal habe ich eine kleine Quellen-Zusammenstellung aus dem hochinteressanten antiken Werk Strategika vorgenommen. Konkret geht es diesmal um den Einsatz von Giften im militärischen Kontext, was nach moderner Definition unter den Oberbegriff 'chemische Kriegsführung' fällt. Denn nicht nur beim Beseitigen unliebsamer politischer Konkurrenten, Ehemänner oder Herrscher scheint sich Gift dazumal einiger Beliebtheit erfreut zu haben, sondern auch im wesentlich größeren Maßstab. 


'Ausgeschissen' (sozusagen)

Dass die Kollegen von Asterix und Obelix in gewisser Weise tatsächlich 'Zaubertränke' brauten, um damit ihre Feinde zu bezwingen, veranschaulicht das folgende Beispiel.

Die Kelten waren gegen die Autariaten (ein illyrisches Volk) ins Feld gezogen und der Krieg hatte schon lange gedauert. Da mischten die Kelten unter die Speisen und den Wein schädliche Kräuter, ließen sie in ihren Zelten zurück und ergriffen bei Nacht die Flucht. Die Autariaten, die glaubten, die Kelten seien aus Furcht geflohen, nahmen die Zelte in Besitz und ließen sich den Wein und die Speisen über die Maßen schmecken.  Sogleich aber wurden sie von heftigem Durchfall ergriffen; während sie krank darniederlagen, kamen die Kelten zurück und brachten sie um.
Polyainos Strategika 7.42.1  | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter, 2017

Auch den alten Griechen war dieses Vorgehen im Krieg offensichtlich nicht ganz fremd; mit ähnlich 'beschissenem' Ausgang für den Feind. 

Als die Amphiktyonen Kirrha belagerten, entdeckten sie eine unterirdische Wasserleitung, welche die Stadt reichlich mir Wasser versorgte. Auf den Rat des Eurylochos holte sie von Antikyrha her eine große Menge Nieswurz und mischten ihn unter das Wasser. Als die Kirrhaier von dem Wasser tranken, bekamen sie Durchfall und konnten sich alle vor Entkräftung nicht mehr aufrecht halten. Die Amphiktyonen nahmen nun die Stadt ohne Mühe ein, da ihre Feinde krank darnieder lagen.
Polyainos Strategika 6.13.1  | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter, 2017


Alraunen und die Trunkliebe der Afrikaner

Statt auf Nieswurz und Durchfall wie im vorangegangenen Beispiel, setzten die Karthager auf die ebenfalls giftigen Alraunen bzw. deren einschläfernde Wirkung; wobei anzumerken ist, dass bei einer Überdosierung der Betroffene nicht nur in einen fast komatösen Schlaf fallen, sondern auch leicht an den Giftstoffen sterben konnte (die Menge macht bekanntlich das Gift).

Da Himilko von Karthago die Trunkliebe der Afrikaner kannte, versetzte er viele Krüge Wein mit Alraunen, legte sie vor der Stadt aus und zog sich, als die Feinde anrückten, in die Stadt zurück, als ob er nicht imstande wäre, ihrer Gewalt zu widerstehen. Die Afrikaner waren außerordentlich erfreut, dass sie die Karthager in die Stadt eingeschlossen hätten, und als sie die Krüge fanden, tranken sie den Wein in vollen Zügen. Sogleich fielen sie in den tiefsten Schlaf [und konnten deshalb leicht von den Karthagern überwältigt werden].
Polyainos Strategika 5.10.1  | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter, 2017

Dieses und die beiden vorhergehenden Beispiele erinnern ein wenig an eine Erzählung des griechischen Militärs und Autors Xenophon: Während des Marsches entlang der südlichen Schwarzmeerküste bedienten sich griechische Soldaten am Honig wilder Bienen. Daraufhin wurden sie von üblen Halluzinationen, Erbrechen und Durchfall geplagt, einige fielen sogar in einen komaähnlichen Zustand, doch erholten sie sich wieder völlig (Xenophon | Anabasis 4,8,20-21 | Übersetzung von Helmuth Vretska | Reclam 1958/2009)
Die Bienen dürften große Mengen an Blütenstaub gesammelt haben, der von Pflanzen stammt, die für den Menschen giftig sind; z.B. Rhododendron und Oleander. Übrigens, im Jahr 66 v. Chr. erlitt die Vorhut einer römischen Armee in derselben Gegend ein ähnliches Schicksal wie 350 Jahre zuvor Xenophons Kameraden. Nur dass die halluzinierenden Legionäre das Pech hatten, im falschen Moment von Feinden überrascht und niedergemacht zu werden; diese hatten nämlich die Honigwaben absichtlich auf der Marschroute der Römer platziert (Adrienne Mayor | Pontisches Gift. Die Legende von Mithridates, Roms größtem Feind | Theiss, 2011).

Schon wieder Alraunen: Caesar als Gefangener von Piraten

Von der Gefangennahm des noch recht jungen Caesar durch Piraten wurden variierende Erzählungen überliefert. Hier nun jene, die zum gegenständlichen Thema besonders gut passt. 

Als (Gaius Julius) Caesar zu Nikomedes segeln wollte, wurde er bei Malea von kilikischen Piraten gefangengenommen. Sie verlangten ein hohes Lösegeld; er aber versprach ihnen das Doppelte. Sie fuhren nun auf Miletos zu und legten sich außerhalb der Stadt vor Anker. Caesar sandte einen Sklaven, den Mileser Epikrates, zu einigen Milesern, und ließ sie bitten, ihm Geld zu leihen. Epikrates hatte aber von Caesar den Auftrag erhalten, außer dem Geld auch alles Erforderliche für ein großes Festmahl, einen mit Dolchen gefüllten Wasserkrug und mit Alraunen vermischten Wein herbeizuschaffen. Nachdem Caesar den Piraten das Doppelte des Lösegeldes ausbezahlt hatte, setzte er ihnen das Festmahl vor. Sie waren über den hohen Geldbetrag hocherfreut und begannen sogleich das Festmahl zu genießen. Als sie sie aber den vergifteten Wein getrunken hatten, fielen sie in einen tiefen Schlaf. Während sie schliefen, ließ Caesar sie umbringen und gab daraufhin den Milesern sogleich das Geld zurück.
Polyainos Strategika 8.23.1  | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter, 2017


Man arbeitete in der Antike nicht nur mit flüssigen Chemie-Kampfstoffen, sondern durchaus auch mit gasförmigen, welche man in Form von Feuern freisetzte. Stichwort "Rauchgasvergiftung". Mehr dazu in einem gesonderten Beitrag, denn die Anzahl der Quellen ist hier nahezu unübersichtlich groß. Ein entsprechendes Beispiel habe ich allerdings bereits in einem vorhergehenden Text beschrieben.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.