Montag, 16. Januar 2023

📖 Buch: Die Kriegskunst der Assyrer: Von Sargon II. bis Assurbanipal

Im 9. Jahrhundert vor Christus entstand das Neuassyrische Großreich, dessen Kerngebiet überwiegend dort lag, wo heute der Irak zu finden ist. Zeitweise dehnten es seine kriegerischen Herrscher, die eine immens schlagkräftige Armee aufgebaut hatten, sogar bis nach Ägypten aus. Und selbst die Insel Zypern blieb nicht von Attacken verschont, wie eine dort entdeckte assyrische Inschrift auf der sogenannten "Kiton-Stele" bezeugt. Mitunter sollen die von den Assyrern geführten Schlachten dermaßen katastrophal für ihre Feinde geendet haben, dass deren unzählige Leichen das Wasser von ganzen Flüssen für mehrere Tage aufstaute...

Im vorliegenden Buch von Roland Sennewald (Text) und Stefano Borin (Zeichnungen) wird schwerpunktmäßig das assyrische Heerwesen im Zeitraum von ca. 722 bis 627 vor Christus erörtert; diese rund 100 Jahren waren gefüllt mit unzähligen kriegerischen Konflikten und haben dementsprechend einiges an archäologischem Anschauungsmaterial im gut konservierenden Wüstensand hinterlassen - etwa  in Form von Waffen oder Reliefs mit darauf abgebildeten Kriegern. Die entsprechenden Funde wurden in Form von vielen oft großformatigen Fotos und farbenfrohen Rekonstruktionszeichnungen auf rund 148 Seiten dargestellt; wobei die Zeichnungen mit sehr ausführlichen erklärenden Texten versehen worden sind. Es wird dabei manch Leser überraschen wie knallig bunt die Assyrer gekleidet sein konnten. Selbst das Leder der Schuhe war davon nicht ausgenommen.
Natürlich ist bei solchen grafischen Rekonstruktionen einiges Interpretationssache; siehe das nachfolgende Beispiel. Die elaborierten Vollbärte der beiden Krieger - besonders der des linken - entsprechen sehr dem, was man von zeitgenössischen Reliefs her kennt. Doch wurde darin wirklich die exakte Realität wiedergegeben? Mir scheint es eher stark stilisiert zu sein. Hat es überhaupt schon jemand geschafft, so einen kompliziert geflochtenen Bart mit den damaligen Mitteln zu reproduzieren? 

Kleinste Kampfgemeinschaft bei den Assyrern, bestehend aus einem Bogenschützen, der von einem Lanzenträger mit großem Schild gedeckt wird. Wer sich bei dem Schild bzw. seinem Verwendungszweck stark an eine spätmittelalterliche Pavese erinnert fühlt, liegt sicher richtig. | (C) Zeughaus Verlag, 2022

In einer knapp 40seitigen Einleitung erhält der Leser vor allem einen Überblick hinsichtlich der politischen Rahmenbedingungen der damaligen Zeit: Wer waren die Herrscher? Was waren die Zentren des Reichs? Wer waren die Nachbarvölker, mit denen sich die Assyrer ständig zofften? Welche Feldzüge wurden deshalb geführt? Aber auch die zivilen Leistungen der assyrischen Herrscher finden kurz Erwähnung, so z.B. die Errichtung des ältesten bekannten Aquädukts der Welt um 700 v. Chr. (die Römer, welche wir heute mit dieser Art Bauwerk exklusiv in Verbindung bringen, waren erst viel später dazu in der Lage - siehe hier und hier).

Im gut strukturierten Hauptteil widmet sich der Autor dann den Details, die das assyrische Militär kennzeichneten, welches ursprünglich eine Bauernarmee war, im Zuge der zunehmenden Ausdehnung des Reichs aber überwiegend in ein stehendes Berufsheer umgewandelt wurde. Man legte auch Zeughäuser an und übernahm von Kriegsgegnern bewährte Bewaffnungen und Kampftechniken. Überhaupt sorgten gerade die fast ununterbrochenen Kriege, die den Assyrern oft von ihren Nachbarvölkern aufgezwungen wurden, dafür, dass eine besonders wehrfähige und soldatisch erprobte Gemeinschaft entstand. Man griff zusätzlich aber auch auf Hilfstruppen von Außen zurück; etwa Ionier (Griechen), Araber und Israeliten. Wer sich bei all dem schwer an das römische Militär erinnert fühlt, liegt damit kaum falsch. 
Neben dem Fußvolk und der klassischen Reiterei waren dazumal noch Streitwagenverbände von einiger Bedeutung. Auch Dromedare kamen zum Einsatz. Und wie bei den Fortbewegungsmitteln, so war man auch bei der Bewaffnung sehr breit aufgestellt. Verwendung fanden beispielsweise Schuppenpanzer, Pektorale, Lamellenpanzer, verschiedenste Schildformen, Streitkolben, Schwerter, Lanzen, Pfeil und Bogen, Steinschleudern, schwere Belagerungsmaschinen sowie Helme aus Bronze oder Eisen. Ja, sogar Hunde nahmen an Kämpfen teil, wie Reliefs belegen, auf denen sie zusammen mit ihren Führern dargestellt worden sind. Im Buch wird das alles sehr anschaulich in Wort und Bild beschrieben.

Assyrischer Raupenhelm aus Bronze, Vorder- und Seitenansicht. Ca 860 - 727 v. Chr. | (C) Zeughaus Verlag, 2022

Wo Licht ist, ist freilich auch Schatten. Konkret ist die auf den Seiten 24 und 25 abgebildete Landkarte eine ziemliche Katastrophe. Warum hat man für den Text keine besser kontrastierenden Farben verwendet oder ihn gleich zwecks optimaler Erkennbarkeit farblich unterlegt? Diesen Patzer kann ich nicht nachvollziehen. Mir wäre so etwas selbst für mein kleines Geschichtsblog peinlich (siehe den Vergleich unten). Es passt auch gar nicht zu diesem ansonsten so sorgfältig gestalteten Buch. Man muss freilich sagen, dass viele Verlage bei den in ihren Publikationen verwendeten Landkarten dergestalt versagen. 



Fazit: "Die Kriegskunst der Assyrer" ist höchst informativ, allgemein verständlich geschrieben, sehr übersichtlich strukturiert und enthält viele schöne Abbildungen. Die schludrig gemachte Landkarte ist der einzige Negativpunkt, der mir ins Auge gesprungen ist - es fällt unterm Strich jedoch nicht ins Gewicht (ich hoffe trotzdem, dass hier bei einer Neuauflage nachgebessert wird). Der Preis bewegt sich mit rund 35 Euro in Anbetracht des gebotenen Inhalts ebenfalls noch im grünen Bereich. Unterm Strich ist es ein sehr gutes Buch.

Hinweis: Am Ende des Buchs wird auf einen Folgeband hingewiesen - Titel: "Die Gegner der Assyrer zur Zeit der Sargoniden". Das Erscheinungsdatum wird mit Ende 2022/Anfang 2023 angegeben. Bisher konnte ich aber nichts dazu bei Amazon oder auf der Verlagswebsite finden. Es ist vorstellbar, dass sich das noch deutlich verzögern wird. Der Verlag ist nämlich bei solchen Ankündigungen - meiner langjährigen Erfahrung nach - häufig überoptimistisch.

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Weiterführende Informationen:



3 Kommentare:

  1. Hallo Hilti, danke für diesen Tipp. Ich habe selber auch einige Bände aus dieser Reihe. Die sind super recherchiert und gut geschrieben. Gibts nichts zu meckern.
    Lg Ludwig

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  2. Du sprichst mir aus der Seele, das Schlechteste in vielen Sachbüchern sind die Karten.
    Die packt man halt einfach dazu, ohne sich ordentlich darüber Gedanken zu machen.
    Der Wanderschmied

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  3. Diese Barttracht findet man auch bei den alten Persern. Ich denke auch, dass man es hier mit einer starken Stilisierung bzw. Idealisierung zu tun hat, denn in den Reliefs sind auch alle anderen Objekte so angelegt. Die Rinder und Pferde oder der Faltenwurf der Gewänder. Alles viel zu schön, um wahr zu sein.

    Perseus

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