Der weitgereiste antike Geschichtsschreiber Herodot von Halikarnassos hat uns in seinem Werk "Historien" eine Unzahl an Begebenheiten überliefert, von denen viele beim modernen Leser Erstaunen oder gar Skepsis hervorrufen. In einer dieser Überlieferungen geht es um die Schlacht von Pelusium (Pelousion) zwischen einem persischen Heer unter Kambyses II. und einem ägyptischen Aufgebot unter Pharao Psammenitos III. (Psammetich).
Die Perser gingen aus dieser im Jahr 525 vor Christus ausgetragenen Streitigkeit als Sieger hervor, nicht zuletzt wegen des Verrats des in ägyptischen Diensten stehenden griechischen Generals Phanes, der übrigens zufälligerweise aus der gleichen Stadt wie der etliche Jahrzehnte später geborene Herodot stammte. Dieser berichtete nun in seinem Geschichtswerk über, wie er es nennt, "ein großes Wunder", das sich als Folge der Schlacht offenbart haben soll.
Ich habe aber ein großes Wunder gesehen, nachdem ich von den Bewohnern jener Gegend davon gehört hatte: Die Gebeine der in dieser Schlacht Gefallenen waren nämlich je für sich getrennt aufgeschichtet - die Gebeine der Perser lagen separat, wie sie von Anfang an getrennt worden waren, und auf der anderen Seite die der Ägypter -, und von ihnen sind die Schädel der Perser so dünn, dass man sie durchlöchern wird, wenn man mit einem einzigen Steinchen auf sie werfen will, die der Ägypter dagegen so fest, dass man sie kaum zerschmettern kann, wenn man mit einem großen Stein darauf schlägt. Als Grund dafür nannten sie folgenden - und überzeugten mich damit leicht -, nämlich dass die Ägypter gleich von Kindheit an ihren Kopf scheren, und in der Sonne wird der Knochen hart. Eben das gleiche ist auch der Grund, weshalb sie nicht kahlköpfig werden; unter den Ägyptern nämlich dürfte man die wenigsten Kahlköpfe von allen Menschen sehen. Für sie also ist das der Grund, dass sie harte Schädel haben, für die Perser aber ist der Grund, dass sie dünne Schädel haben, folgender: Die Perser tragen von Jugend an eine Tiara aus Filz und haben auf diese Weise ihren Kopf bedeckt. Dies also ist so; diesem Vergleichbares aber sah ich in Papremis, bei denen, die zusammen mit Achaimenes, dem Sohn des Dareios, von dem Libyer Inaros vernichtet wurden." Herodot | Historien Buch 3,12,1 | Verlag Alfred Kröner, 2017 |
Die Gebeine der Gefallenen waren demnach noch zu Herodots Zeiten irgendwo gelagert worden, und zwar in einer Weise, dass sie besichtigt werden konnten. Doch geht das überhaupt mit den damaligen persischen Toten- bzw. Bestattungsritualen konform? Ägypten war zu Herodots Zeiten schließlich eine persische Satrapie/Provinz. Dass freilich Herodot, der ja persönlich in Ägypten war, sich diese Geschichte komplett aus den Fingern gesogen hat, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Ob allerdings seine originell anmutende Interpretation für die beobachtete unterschiedliche Schädeldicke richtig ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Macht viel Sonnenlicht wirklich den Schädelknochen signifikant härter/dicker? Oder kann es dafür andere Gründe geben? Etwa fußend auf einer unterschiedlichen Ernährungsweise bei den Persern und Ägyptern? Was wohl moderne Anthropologen und Mediziner dazu sagen?
Hinzu kommt, dass sowohl im persischen wie auch im ägyptischen Heer jede Menge griechische Söldner dienten. Bei den Ägyptern zum Zeitpunkt der Schlacht von Pelusium eventuell nicht mehr ganz so viele, nachdem der griechische General Phanes sich vom Acker gemacht hatte. Hingegen bei den Persern ganz bestimmt. Von den Kämpfern anderer Völkerschaften, die freiwillig oder unfreiwillig in persischen Diensten standen, ganz zu schweigen. Das persische Heer war ethnisch also nicht homogen. Wenn nun Herodot von "Persern" spricht, deren Schädelknochen wegen der bei ihnen anzutreffenden traditionellen Kopfbedeckungen so dermaßen dünn gewesen sein sollen, dann stellt sich schon die Frage, ob das überhaupt mit dem Umstand, dass das persische Heer ein Völkergemisch darstellte, konform geht. Es sei denn natürlich, Herodot hat ein Beinhaus (?) besucht, das explizit für Soldaten persischer Herkunft vorgesehen war, aber nicht für Söldner anderer Ethnien. Was sehr gut möglich ist. Nichtsdestotrotz bleibt der obige Bericht rätselhaft.
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