Montag, 3. Juni 2013

Der römische Soldat - Beschützer oder Verbrecher?


Unser Bild vom römischen Soldaten (miles) ist ein weitestgehend positives. Das liegt nicht zuletzt an den Massenmedien, in denen man das hochentwickelte Römertum anpreist und auf die technischen Leistungen der römischen Streitkräfte hinweist. Als Beispiele werden hier besonders gerne Straßen- und Brückenbau genannt. Auch die integrative Leistung römischer Veteranen, die für eine langsame und angeblich schonende Romanisierung der "barbarischen" Provinzbevölkerung sorgten, wird gerne betont (gerade so, als ob ein allmähliches Verdrängen von uralten Kulturen etwas Begrüßenswertes sei - siehe z.B. die Kelten).
Kaum spricht man hingegen darüber, dass der römische Soldat von der eigenen Bevölkerung - die er doch beschützen sollte - mitunter gefürchtet wurde. Und das zu recht, wie antike Überlieferungen nahelegen:

Im Roman Der Goldene Esel (Apuleus, 2. Jh. n. Chr.) ist beispielsweise zu lesen, wie ein römischer Centurio versucht, den Esel eines Händlers zu requirieren und dabei nicht davor zurückschreckt, den Mann mit seiner vitis (Stock aus einer Weinrebe) zu verprügeln. Der so Traktierte wehrt sich vorerst mit Erfolgwird aber aus Rache vom Centurio und seinen Kameraden vor Gericht gezerrt und dort diverser erfundener Verbrechen bezichtigt. 
Passend zu dieser sicher nicht völlig aus der Luft gegriffenen Geschichte ist auch der Ratschlag des Philosophen Epiket (1. Jh. n. Chr.), demzufolge sich Besitzer von Maultieren der Requirierung ihres Tieres nicht wiedersetzen sollen, da man dabei doch nur Schläge kassiere und sein Tier letztendlich trotzdem los sei.
Juvenal (1.-2. Jh. n. Chr.) stößt in dasselbe Horn, denn er meint in seinen Satieren, dass es unklug sei, Aufhebens davon zu machen, wenn man von einem Soldaten verprügelt wurde. Im Falle einer offiziellen Beschwerde, würde der Soldat nämlich in Begleitung seiner Kameraden wiederkommen und einem noch massiver zusetzen.

In der Spätantike verschlimmerten sich diese Zustände allem Anschein nach. So berichtet etwa der Redner Libanios im 4. Jh. n. Chr. davon, wie römische Soldaten in der großen Provinzstadt Antiochia systematisch Händler bedrohten und misshandelten. Aus Angst davor, in das Militärlager verschleppt zu werden, wo man sich entweder für viel Geld freikaufen musste oder tot geprügelt wurde, erduldete man diese Drangsalierungen zähneknirschend.
Praktisch für die Soldaten war hierbei sicher, dass sie nicht der zivilen Rechtssprechung unterlagen und unzweifelhaft häufig von Vorgesetzten gedeckt wurden, die insgeheim an den diversen Machenschaften beteiligt waren.
Korruption war in den letzten Jahrhunderten des Reichs grundsätzlich ein immenses Problem. Soldaten pressten beispielsweise den ihnen schutzbefohlenen Zivilisten erfundene Steuern ab (denen man mitunter auch kuriose Phantasienamen gab, wie etwa cenatica superstatuta). 
Es geht allerdings noch ärger: Synesius, ein Bischof in der Provinz Cyrenaica, berichtet im frühen 5. Jh. empört davon, dass der korrupte Kommandant einer Einheit berittener Bogenschützen, sämtliche Pferde verkaufte und seine Soldaten so zu Infanteristen machte.

Man könnte es sich im Angesicht dessen einfach machen und sagen, "typisch Spätantike, da befand sich Rom eben bereits auf dem absteigenden Ast".
Das ist an sich zwar nicht völlig falsch, aber man sollte fairerweise erwähnen, dass der römische miles bereits in den Zeiten der Republik eine mitunter recht problematische Figur war. So meuterte im Krieg gegen Pyrrhus (4. Jh. v. Chr.) eine 4000 Mann starke Einheit, die Rom unter einem gewissen Decius ursprünglich zu dem Zweck entsandt hatte, die verbündete Stadt Rhegium zu schützen. Die vermeintliche Schutztruppe übernahm das verlockend reiche Rhegium kurzerhand und vollzog sofort das volle Programm, welches eigentlich nur widerborstigen Feinden vorbehalten war; nämlich Raub, Vergewaltigung und Mord. Rom musste daraufhin eine zweite Armee in Marsch setzen, die die Stadt nur mit Mühe zurückerobern konnte.
Laut dem Historiker Steffan Chrissanthos, soll es in den letzten fünf Jahrzehnten der alten Republik rund 30(!) größere Meutereien in der römischen Armee gegeben haben; und in nur drei Fällen sah sich die Führung in die Lage versetzt, entsprechende Strafen zu verhängen; die Soldaten saßen offensichtlich meist am längeren Hebel. 
Aber natürlich gab es auch innerhalb der Armee gewaltige Reibereien. Ein besonders blutiges Beispiel ist uns aus der frühen Kaiserzeit überliefert: So sollen sich die Legionäre des Kurzzeitkaisers Vitellius während eines Ringkampfes, den einer ihrer Kameraden mit einem gallischstämmigen Kavalleristen austrug, dermaßen von den spöttischen Zwischenrufen der im Publikum anwesenden Gallier provoziert gefühlt haben, dass man kurzerhand zwei ganze gallische Hilfskohorten (beinahe 1000 Mann!) abschlachtete.

Anhand all dieser Beispiele (die nur die Spitze des Eisberges darstellen!) kann man erkennen, dass die angeblich so überaus disziplinierte Armee Roms, bestenfalls mit starken Abstrichen dem weitestgehend positiven Bild entspricht, das gerne durch die Medien geistert und von den einschlägigen Vereinen transportiert wird. Wobei man den Vereinen kaum vorwerfen kann, dass sie sich bei ihrem Tun in erster Linie auf die positiven Aspekte beschränken. Lagerleben, Handel und Handwerk, lassen sich im Rahmen von Living History schließlich deutlich leichter darstellen, als Erpressung, Raub und Totschlag.

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