Sonntag, 4. September 2016

Heuneburg - Vom Kelten-Museum zum Esoterikmarkt?



Das baden-württembergische Freilichtmuseum Heuneburg ist finanziell kein Riesenerfolg - um es höflich zu formulieren. Daher bastelt die Politik gerade an einem verbesserten touristischen Konzept: Neben dem Bündeln von Ressourcen sollen durch neue Angebote mehr Besucher angelockt werden - berichtet die Schwäbische Zeitung.

Wenn es um die Vermarktung der Heuneburg geht, nehmen es die handelnden Personen mit der Wahrheit nicht übermäßig genau. So wird etwa die unbewiesene Theorie in den Rang einer Tatsache erhoben, wonach jene keltische Siedlung, die heute unter dem Namen Heuneburg bekannt ist, mit einer von Herodot als Pyrene bezeichneten Stadt identisch sei. Ebenfalls ein Fall für den Baron-Münchhausen-Gedächtnispreis ist folgende Aussage:
Die Grundlage für die Entscheidung sind laut Landrätin (Stefanie Bürkle, CDU) Alleinstellungsmerkmale der Keltenstadt, wie die vergleichbare Größe mit Athen um 450 vor Christus mit 5000 Einwohnern aber auch die Siedlung mit Akropolis und Vorburg, die die Geschichte der Kelten erzählt.
Entweder ist diese Landrätin schlichtweg ahnungslos oder sie ist eine passionierte Märchenerzählerin - auch eine Kombination aus beidem wäre denkbar (schließlich haben wir es hier mit einer Politikerin zu tun). In jedem Fall muss der von ihr gebrachte Vergleich als Humbug zurückgewiesen werden, da Athen in der Mitte des 5. Jahrhunderts mindestens von einigen Zehntausend Menschen bewohnt wurde. Verglichen damit war die Heuneburg - selbst zu ihrer Blütezeit - fast so etwas wie ein Kaff. Und das nicht nur aufgrund der deutlich geringeren Einwohnerzahl, denn schließlich thronte Athen auch kulturell haushoch über der Keltensiedlung. Daraus folgt, dass man es hier wieder einmal mit dem politischen Versuch zu tun hat, die heimatliche Geschichte zu überhöhen - des Tourismus und des lieben Geldes wegen. Unethisch handelnde Wissenschaftler, die dabei assistieren, finden sich im Heer des staatlich herangezüchteten Akademikerprekariats immer ausreichend.

Den Vogel schießt allerdings ein Kollege der Frau Landrätin ab. Die Zukunft des Freilichtmuseums sieht er nämlich wie folgt:
Johannes Kretschmann (Grüne) schlug vor, Events wie einen Esoterikmarkt oder Highlandgames im neuen Museum zu veranstalten.
Die Ideen eines Banausen. Freilich, derselbe Herr fiel im Zusammenhang mit der Diskussion um die Heuneburg schon einmal durch eine äußerst unqualifizierte Aussage negativ auf:
„Kelten sind im Gegensatz zu Germanen und Römern nach wie vor absolut in“, stellte Johannes Kretschmann (Grüne) fest. 
Soso, das stellt er also fest. Qua welcher Kompetenz? Doch sei's drum, es heißt schließlich nicht ganz zufällig: Er war Politiker und auch sonst von mäßigem Verstand. 
Die Germanen irgendwie doof und verdächtig zu finden, mag ja Teil des grünen Wertekanons sein, aber was haben die Römer angestellt, dass sie hier gleich dermaßen marginalisiert werden? Lehnt Herr Kretschmann sie eventuell nur deshalb ab, weil sie beim Befeuern ihrer Thermen große Mengen garstiges CO2 in die Luft geblasen haben? ;)
Im Übrigen würden die Betreiber des Archäologischen Parks Carnuntum den steilen Thesen des grünen Living-History-Verstehers vehement widersprechen, denn dort wird erfolgreich mit Römer- und Germanen-Darstellern um Publikum geworben. Es kommt eben auf die Präsentation und die Qualität des Angebots an, nicht auf die Ethnie, wie bereits ein Leser dieses Blogs - verärgert über obiges Politiker-Geschwurbel - völlig richtig klarstellte. 

Fazit: Aufgrund der bisherigen Unfähigkeit, seriöse Museumspädagogik publikumswirksam zu vermarkten, möchte die Politik nun das Niveau des Kelten-Museums Heuneburg absenken. Esoterikmärkte und Massenbesäufnisse wie Highlandgames sollen neue Zielgruppen ansprechen: Nämlich Spinner und Proleten - um es ein wenig überspitzt zu formulieren.
Zufällig, aber passenderweise, liegt der sogenannte "Geniewinkel" mit dem äußerst fragwürdigen Campus Galli als Hauptattraktion in direkter Nachbarschaft. Dort wird bereits seit rund vier Jahren vorexerziert, wie einfach es sein kann, Geschichte und ihre Vermittlung bis zur Unkenntlichkeit zu trivialisieren.



14 Kommentare:

  1. Bedenklich, welche Entwicklung sich dort anbahnt. Dabei bietet das Freilichtmuseum Heuneburg eine Vielzahl an qualitativ sehr guten Veranstaltungen an und ist diesbezüglich weit besser aufgestellt als der Campus Galli. Auch die Eintrittspreise sind moderat: 4 € für Erwachsene und 2 € für Kinder.
    Allerdings ist das Werbekonzept des Museums meiner Einschätzung nach unzureichend. Könnte man auch nur Hälfte der Medienpräsenz erzielen, über die der Campus Galli verfügt, dann würde sich das mit ziemlicher Sicherheit spürbar in den Besucherzahlen niederschlagen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich sehe das Problem auch bei der Werbung. Die besitzen nicht einmal ein ordentliches Logo für das Museum. Und die Homepage passt vom optischen Gesamteindruck besser zu einer Gärtnerei.
      Da scheinen ein paar ziemliche Werbe-Dilettanten am Werk zu sein. Mit Eso-Märkten und Highland Games werden sie dann auch noch den Ruf des Museums in den maßgeblichen Kreisen ankratzen. Super!

      Löschen
  2. Johannes Kretschmann (Grüne) ist der Sohn des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und angeblich als Netzredakteur tätig. Man kann nur hoffen, dass seine Leserschaft eine kritische Haltung zu seinen Auslassungen einnimmt.
    Insider

    AntwortenLöschen
  3. Danke für den Beitrag! Ich bin eigentlich Heuneburg-Fan und denke die Amtsarchäologie könnte durch die fortwährenden Ausgrabungen super auf seriöse Weise eine gute Medienpräsenz erreichen. Allerdings müßte man da selber auch machen und besseres Material ins Netz stellen. Was von den reichlich vorhandenen Fotos und Texten her sicher ginge - aber ich glaube die wollen durch miserable Internetarbeit "tolle" Pressekontakte und vor allem ihre eigenen "Publikationen" schützen. Ich vermute, daß irgendeine Amtsgröße mal übers Internet gesagt hat, das ist Mist und geht vorbei, und damit ne Kultur bestimmt hat, bei der sie sich nicht mal die bundesweite Verteilung der Zeichner der Heuneburg-Online-Petition vor ein paar Jahren angesehen haben. Die Lokalpresse scheint mir sehr gut bestückt, Fans und potentielle Touristen lesen die aber in der überwiegenden Mehrzahl nicht. Unter dem Hintergrund denke ich, die Heuneburg-Archäologie könnte locker einen Elefanten ausgraben und online eine Mücke daraus machen.

    Was anderes: der Google URL Shortener wollte mich grad von Deinem Tweet auf Twitter nicht hierher weiterleiten. "It was found to be violating our Terms of Service". Dachte erst es ist der "Esoterikmarkt". Wäre aber denkbar, daß Google nun auch schlimme Sprache zensiert und "Banausen" etc. auszählt? Ich hoffe es ist nix dergleichen und nur ein temporärer technisches Problem.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für den Hinweis. Da scheint ein technisches Problem vorzuliegen, da sich bereits andere Nutzer auch über nicht funktionierende Kurz-Links beschweren, die bei Twitter automatisch erstellt werden.

      Löschen
  4. Die Aversion gegen die Germanen hat wirklich ihren Grund in dem von Politikern kultivierten Antigermanismus. Die Römer sind hingegen durch die Popularität des Asterix zwar überaus präsent, kommen aber immer schlecht weg. Aus beiden Gründen bleiben die Kelten oder Gallier übrig. Ich tippe, dass demnächst Asterix- und Obelix-Darsteller das Gelände bespielen.
    Übrigens befremdet der Ausdruck, mit dem auf Prospekten für die Heuneburg geworben wird: "Der älteste Ort Deutschlands". Von der ältesten Stadt will man also nicht reden (das ist bekanntlich Trier ;-) ). Was aber meint man mit "dem ältesten Ort"? Die Stelle die zuerst aus dem Urmeer aufgetaucht ist? Die älteste Siedlung Deutschlands will man wohl kaum hier lokalisieren.
    Leser

    AntwortenLöschen
  5. Die Museumspädagogik der Heuneburg ist sehr gut, aber der Rest ist eine halbe Sache. Die Projektträger könnten ein paar Tausend Euro in die Hand nehmen (ein Klacks, verglichen mit den bisherigen Investitionen!) und diese für eine häufigere Belebung der Anlage mit LH-Darstellern aufwenden. Sofern das richtig beworben wird, also deutschlandweit und auch in den Nachbarländern, wäre es sicher ein wirkungsvolles Mittel, um mehr Menschen anzulocken.

    Die Äußerung zur angeblich geringen Popularität von Römer- und Germanendarstellern ist faktenfrei und dumm. Es gibt viele Beispiele, die das widerlegen.

    AntwortenLöschen
  6. Der Sigmaringer Kreistag hat am 25. Juli einstimmig einen Grundsatzbeschluß zur Heuneburg verabschiedet. Der Kern der Neukonzeption ist die Zusammenlegung zweier Museen zu einem in einem Neubau nahe des Torbaus – auch mit dem Ziel, spektakuläre Funde aus jüngster Zeit wie das Fürstinnengrab am Ort zu halten und auszustellen.

    Für uns Kreisräte wird es politisch nun darum gehen, ob wir uns für eine bescheidenere Variante (z.B. ohne Winterbetrieb) oder eine großzügigere, aber finanziell riskantere Lösung einsetzen. Beim momentanen Planungsstand tendiere ich zu letzterem, da ich erstens als Altertumswissenschaftler (!) von der herausragenden archäologischen Bedeutsamkeit der Heuneburg überzeugt bin und zweitens in dem Etikett und der Projektionsfläche «Kelten» ein Potential sehe, das bei uns auf ein breites (auch populär-) kulturelles Interesse trifft, wohingegen das nahe gelegene, mehrfach preisgekrönte Römermuseum Ennetach wegen mangelnden Zuschauerzuspruchs dichtgemacht hat. Es kommt eben nicht nur auf «die Präsentation und die Qualität des Angebots» an, sondern auch maßgeblich aufs Prestige. Das kann man natürlich bedauern, aber wenn man es konstatiert, darf es bei so einer wegweisenden Entscheidung nicht ignoriert werden.

    Meine Einschätzung, daß Kelten (wen auch immer dieses in diesem Falle spekulative Ethnonym umfaßt) bei uns besser ziehen als Germanen und Römer, ist vielleicht eine «steile These», basiert aber nicht auf einem angeblich «von Politikern kultivierten Antigermanismus». Und daß «Germanen irgendwie doof und verdächtig zu finden [...] Teil des grünen Wertekanons sein (mag)», gibt das kurze Zeitungszitat in keiner Weise her. Das ist nur Geätze.

    Bei der Neukonzeption ist selbstverständlich dafür Sorge zu tragen, daß dieser buchstäblich erhabene Ort Heuneburg weder materiell noch kulturell zu einem trostlosen Druidengehege verschandelt wird, nur um «Spinner und Proleten» (wir schwäbischen Grünen können halt auch nicht aus unserer Haut!) ans Kartenhäuschen und an die Getränkestände der Highlandgames zu locken. Daß aus meinem Plädoyer für ein mutiges und optimistisches Gesamtkonzept in besagter Sitzung es ausgerechnet der Esoterikmarkt in die Zeitung geschafft hat, ist mir höchst peinlich! Ich würde mir gerne die Zunge rausreißen, wenn mit diesem Opfer das Internet vergessen könnte.

    Verbindlichsten Dank Euch allen für Euer Interesse an der Heuneburg, unserem Dornröschen am Oberlauf der Donau. Sanft soll es aus seinem Schlaf geweckt werden und nicht in eine Wirklichkeit blinzeln, die ihm wie ein Alptraum erscheinen muß.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und daß «Germanen irgendwie doof und verdächtig zu finden [...] Teil des grünen Wertekanons sein (mag)», gibt das kurze Zeitungszitat in keiner Weise her. Das ist nur Geätze.

      Ja eh, aber der Leser will schließlich auch ein wenig unterhalten werden ;)
      Umso löblicher, dass du trotzdem deinen Standpunkt näher erläutert hast, auch wenn ich nicht in jedem Detail zustimmen kann: Das Römermuseum Ennetach ist meines Wissens kein typisches Freilichtmusum mit umfangreichen Rekonstruktionen; aus diesem Grund hinkt der Vergleich mit der Heuneburg. Der von mir genannte Archäologischen Park Carnuntum böte sich da schon eher als Vergleichsobjekt an.

      Ich harre jedenfalls gespannt der Dinge, die da bezüglich der Heuneburg noch kommen werden.

      Löschen
    2. @ "hompo politicus": Dass Römer im Bereich performativer Geschichtsdarstellung mehr oder weniger out sein sollen ist nicht nur eine steile These, sondern das ist gegenüber den entsprechenden Darstellern auch ein Afront. Aus den schlechten Besucherzahlen einzelner Museen mit Schwerpunkt "Römer" lässt sich keine Regelhaftigkeit ableiten, sondern nur, dass es die Museumsbetreiber aus nicht bekannten Gründen versemmelt haben. Living History als Instrument der Geschichtsdidaktik boomt in ganz Deutschland, auch mit Römern und Germanen. Wer behauptet, in BW ticken die Uhren anders, der sollte das empirisch belegen können, anstatt aus einem subjektiven Bauchgefühl heraus zu argumentieren. Jutta

      Löschen
    3. Vom «Bereich performativer Geschichtsdarstellung» war ja in dem kurzen Zeitungszitat gar nicht die Rede. Und ich maße es mir auch an keiner Stelle an, als Kreisrat das Ansehen antiker Völker in Baden-Württemberg zu beurteilen.

      Mir geht es um eine Chanceneinschätzung vor Ort für ein hervorragend ausgestattetes Museum auf der Heuneburg, mit der eben der uneindeutige, aber eigentümlich prestigeträchtige Name «Kelten» verbunden ist.

      Als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker bin ich in großem Maße auf mein eigenes Räsonieren angewiesen, was aber nicht heißt, das es sich dabei um reines «Bauchgefühl» handelt. Was habe ich bei früheren Besuchen auf der Heuneburg selbst angetroffen? Irishfolk-Bands, die «Original Royal Sulgemer Crownswamp Pipers», Highland Games. Solcherart Populärkultur trägt das Etikett keltisch und diese Assoziation schlägt eine Brücke zur archäologischen Stätte.

      Abgesehen von anderen Faktoren fehlte ein ähnlicher Nexus dem Ennetacher Römermuseum, was aber weder die Römer noch deren Darsteller entwertet. Einen Affront gegen etwas oder jemanden kann ich in meiner Beurteilung, die natürlich möglicherweise auch falsch ist, jedoch nicht erkennen.

      Löschen
  7. Herr Kretschmann ist Altertumswissenschaftler? Er hat auch Slawistik und Religionswissenschaft studiert. Immer wieder überraschend, was man über das Internet erfährt.
    Insider

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leider hat das Internet als solches dann auch nicht immer recht. Neben Religionswissenschaft im Hauptfach habe ich Rumänistik und Linguistik studiert. Altertumswissenschaft ist kein Studiengang, aber entsprach in meinem Falle als Religionswissenschaftler formal dem Fachbereich und inhaltlich in weiten Teilen meinem Profil.

      Löschen
  8. An die Partei der GrünInnen dachte ich nicht in erster Linie, wenn ich an die Mentalität von Politikern erinnert habe. Gerade bei jener Partei gab es eher als bei anderen Affinitäten zu heidnisch-germanischem Gehabe, siehe Baldur Springmann, gelten doch die alten Germanen als naturverbunden.
    Leser

    AntwortenLöschen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.