Hatten einige römische Kaiser - wie etwa Caligula, Claudius, Nero, Domitian, Commodus, Caracalla und Elagabal - einen gröberen Sprung in der Schüssel? Zumindest vertrat die Geschichtswissenschaft diese Meinung lange Zeit relativ undifferenziert. Mittlerweile ist ein Gegentrend zu beobachten, zu dem auch das von Alexander Rudow verfasste Buch Caesarenwahn - Herrscher, die sich für Götter hielten (Regionalia Verlag) zählt.
Im Großen und Ganzen führt der Autor den schlechten Ruf bestimmter römischer Kaiser auf den Umstand zurück, dass diese mit dem ungeschriebenen Gesetz des Augustus brachen, den römischen Senat bzw. seine aus der Oberschicht stammenden Mitglieder zumindest pro forma zu respektieren. Unterblieb diese 'Reminiszenz' an die Gepflogenheiten der untergegangenen Republik, wurden die aus der Reihe tanzenden Kaiser - auch wenn sie beim einfachen Volk noch so beliebt waren - von der senatorisch geprägten Geschichtsschreibung in die Pfanne gehauen und verteufelt.
An sich ist dieser Schluss nicht völlig von der Hand zu weisen. Aber die Argumentation wirkt im Detail gelegentlich dann doch ein wenig 'bemüht'. Etwa wenn Neros extreme Verschwendung von staatlichen Steuereinnahmen folgendermaßen relativiert wird:
So viel Zerstreuung und Aufmerksamkeit wie unter ihm (Anm: Nero) sind der plebs urbana schon lange nicht mehr zuteil geworden. Zusätzliche Getreidelieferungen sorgten für einen relativen Wohlstand und die Veteranen der Legionen und die Prätorianer sind exzellent versorgt.
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'Brot und Spiele' also. Was aber soll - objektiv betrachtet - positiv daran sein, wenn die Ausgaben für den Müßiggang ständig hochgeschraubt werden? Wer bezahlt das denn? Richtig, früher oder später die Leistungsträger des Staates - also die, die einer steuerpflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Neros Nachfolger Vespasian sah sich sogar genötigt, Urin zu besteuern, um die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen ("Geld stinkt nicht").
Die unzähligen überlieferten Grausamkeiten von Typen wie Caligula waren - wie der Autor schreibt - zumeist kühl kalkuliert, um die Gegner - vor allem jene im Senat - einzuschüchtern und auf Linie zu bringen. Die verantwortlichen Kaiser wären demzufolge zwar mindestens Verbrecher im großen Stil, nicht aber zwingend rein emotionsgesteuerte Wahnsinnige.
Das mag durchaus so sein. Allerdings ist es schon auch ein wenig Definitionssache, wo Geistesgestörtheit bzw. Wahn beginnt. Diese Frage ist umso wichtiger, da wir nicht nur in einer Zeit leben, in der das vorschnelle Pathologisieren von Andersmeinenden schwer in Mode ist, sondern selbst hochbezahlte Gerichtsgutachter reihenweise psychiatrische Fehldiagnosen produzieren.
Das mag durchaus so sein. Allerdings ist es schon auch ein wenig Definitionssache, wo Geistesgestörtheit bzw. Wahn beginnt. Diese Frage ist umso wichtiger, da wir nicht nur in einer Zeit leben, in der das vorschnelle Pathologisieren von Andersmeinenden schwer in Mode ist, sondern selbst hochbezahlte Gerichtsgutachter reihenweise psychiatrische Fehldiagnosen produzieren.
Auch ein paar andere Aussagen in diesem Buch erscheinen mir diskussionsbedürftig: Nachdem 64 n. Chr. durch Feuer große Teile Roms zerstört oder stark beschädigt worden sind, wurden von Nero Baugesetze erlassen, die ähnlichen Brandkatastrophen vorbeugen sollten. Der Autor urteilt darüber folgendermaßen:
Tatsächlich kommen solche Großbrände nach Neros Umgestaltung auch nicht mehr vor.
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In Wirklichkeit brannte Rom nur wenige Jahre später - 80 n. Chr. - unter Titus bereits wieder einmal lichterloh. Auch zur Zeit von Commodus - 192 n. Chr. - gingen Teile Roms im Feuer unter. Diese Brände mögen nicht so umfangreich wie jener unter Nero gewesen sein, katastrophale Großbrände, die ganze Stadtteile zerstörten, waren es aber allemal. Dermaßen nachhaltig, wie suggeriert wird, dürfte Neros einschlägige Gesetzgebung demnach auch wieder nicht gewesen sein ...
Fakten wie diese sollte man keinesfalls unter den Tisch fallen lassen. Es sei denn, man legt es darauf an, Nero unbedingt zu rehabilitieren (was ich dem Autor nicht unterstellen möchte, aber darauf läuft es schlussendlich hinaus).
Hinterfragenswert ist auch die im Buch geäußerte These, wonach vor allem jene Kaiser ungerechtfertigterweise eine schlechte 'Presse' hatten, die als letzte ihrer Dynastie über keinen Verwandten als direkten Nachfolger verfügten, der ihr Andenken trotz eines beleidigten Senats - etwa mittels offizieller Vergöttlichung - auf schön bürsten konnte. Siehe etwa Nero (Claudier), Domitian (Flavier) und Commodus (Antoninen).
Hier wurde der Fehler begangen, eine Korrelation mit einer Kausalität gleichzusetzen. Genauso gut wäre es nämlich denkbar, dass die betroffenen Kaiser nicht einfach zufällig die letzten ihrer Dynastie waren, sondern weil sie gerade wegen ihres üblen Betragens zu einem verfrühten Zeitpunkt (einen gewaltsamen Tod) starben, als ihre Nachfolge - etwa durch Adoption - noch nicht geregelt worden war.
Fakten wie diese sollte man keinesfalls unter den Tisch fallen lassen. Es sei denn, man legt es darauf an, Nero unbedingt zu rehabilitieren (was ich dem Autor nicht unterstellen möchte, aber darauf läuft es schlussendlich hinaus).
Hinterfragenswert ist auch die im Buch geäußerte These, wonach vor allem jene Kaiser ungerechtfertigterweise eine schlechte 'Presse' hatten, die als letzte ihrer Dynastie über keinen Verwandten als direkten Nachfolger verfügten, der ihr Andenken trotz eines beleidigten Senats - etwa mittels offizieller Vergöttlichung - auf schön bürsten konnte. Siehe etwa Nero (Claudier), Domitian (Flavier) und Commodus (Antoninen).
Hier wurde der Fehler begangen, eine Korrelation mit einer Kausalität gleichzusetzen. Genauso gut wäre es nämlich denkbar, dass die betroffenen Kaiser nicht einfach zufällig die letzten ihrer Dynastie waren, sondern weil sie gerade wegen ihres üblen Betragens zu einem verfrühten Zeitpunkt (einen gewaltsamen Tod) starben, als ihre Nachfolge - etwa durch Adoption - noch nicht geregelt worden war.
Am Ende des Buchs wird auch noch einem verhaltensauffälligen Staatschef aus der jüngeren Vergangenheit ein eigenes, recht umfangreiches Kapitel spendiert. Nein, es handelt sich nicht um Stalin, Pol Pot oder Mao, sondern natürlich wieder einmal um 'ihn'.
Und obwohl mich der gescheiterte Landschaftsmaler aufgrund seiner medialen Dauerpräsenz nur noch anödet, muss ich einräumen, dass der Autor hier dann doch einige interessante Details über dessen möglichen Geisteszustand zusammengetragen hat. Von daher handelt es sich für mich bei diesem Kapitel unerwartet um einen Gewinn.
Und obwohl mich der gescheiterte Landschaftsmaler aufgrund seiner medialen Dauerpräsenz nur noch anödet, muss ich einräumen, dass der Autor hier dann doch einige interessante Details über dessen möglichen Geisteszustand zusammengetragen hat. Von daher handelt es sich für mich bei diesem Kapitel unerwartet um einen Gewinn.
Fazit: Caesarenwahn ist im Großen und Ganzen kein übles Buch, wobei aber die Beurteilung römischer Kaiser offenbar enorm viel Interpretationsspielraum zulässt und immer auch dem Zeitgeist unterworfen ist. Dieser Umstand wirkt sich meiner Ansicht nach spürbar auf einige der vom Autor wiedergegebenen Überlegungen aus, die zwar interessant, bei näherer Betrachtung jedoch nur mäßig überzeugend sind.
Der Preis des 162seitigen Hardcover-Buchs ist mit seinen knapp 4 € (!) auf jeden Fall unschlagbar.
Weiterführende Informationen:
Der Preis des 162seitigen Hardcover-Buchs ist mit seinen knapp 4 € (!) auf jeden Fall unschlagbar.
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Ja, Hilti, man kann schon fast den Eindruck bekommen, dass sich die Forschung hier einige ganz schöne Verrenkungen gemacht hat, um Neues über die altbekannten Schurken berichten zu können!
AntwortenLöschenLG,
Erwin
Die Geschichtsforschung muss sich eben immer wieder ein bisschen selbst neu erfinden, um ihre Existenz zu rechtfertigen und damit es nicht zu langweilig wird ;)
LöschenIn 10 oder 15 Jahren wird es dann heißen: "War Nero doch wahnsinniger als gedacht?" oder "Die Grausamkeiten des Caligula"
AntwortenLöschenGeschichtswissenschaft wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. :)
Da ist absolut was dran!
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