Dienstag, 29. Mai 2018

Buch: Die Welt der Himmelsscheibe

1999 fanden zwei Schatzsucher mit ihren Metallsonden unweit der Stadt Nebra (Sachsen-Anhalt) einen vor rund 3600 Jahren vergrabenen Hort. Auffälligstes Objekt darunter war eine Scheibe aus Bronze mit 31 cm Durchmesser, auf der sich u.a. aus Goldblech gefertigte Darstellungen verschiedener Himmelsobjekte befanden. Anstatt den für die Wissenschaft hochinteressanten Hort rechtskonform zu melden, verhökerten ihn die Finder für 31 000 Mark an einen Zwischenhändler. Kein wirklich gutes Geschäft für die beiden, denn besagter Zwischenhändler fand durch Vermittlung einer Gastwirtin bald einen Käufer, der ihm mehr als das Siebenfache - nämlich 230 000 Mark - bezahlte. Damit war die Geschichte der Himmelsscheibe freilich noch nicht zu Ende, denn nun trat die längst hellhörig gewordene Denkmalbehörde auf den Plan: Mithilfe eines fingierten Kaufangebots lockte man den letzten Käufer in eine polizeiliche Falle und stellte ihn samt den ursprünglichen Findern, dem Zwischenhändler und der Vermittlerin vor Gericht. Im folgenden Verfahren, in dem von fachlicher Seite sogar Fälschungsvorwürfe erhoben wurden, fassten die Beteiligten bedingte Haft- und Geldstrafen aus. Die Himmelsscheibe konnte nun aber endlich wissenschaftlich untersucht, konserviert und einem Museum übergeben werden.

Im Buch Die Welt der Himmelsscheibe erzählt die Archäologin Iris Newton von der spannenden Fundgeschichte und erläutert die einstige Funktion der bronzezeitlichen Scheibe, die frühe astronomische Aktivitäten des Menschen anschaulich belegt; zum Vergleich werden Objekte mit ähnlichen Verwendungszwecken herangezogen - wie etwa der 'Berliner Goldhut' und der berühmte 'Mechanismus von Antikythera'.
Vor allem wird hier anhand der Himmelsscheibe von Nebra aber ein facettenreicher Einblick in die Bronzezeit gegeben: Woher kamen beispielsweise die verarbeiteten Metalle? Welche Umweltauswirkungen hatte ihr Abbau? Wie weit reichten damals schon die Handelsbeziehungen? Welche Nahrung nahm man zu sich?
An einigen wenigen Stellen waren mir die Ausführungen etwas zu verkürzt und potentiell irreführend - etwa wenn es heißt, 10prozentige Zinn-Bronze sei ähnlich hart wie Stahl. Ja, aber nur wenn man das Endprodukt fleißig hämmert (verdichtet); wobei ein dergestalt bearbeitetes Bronzeobjekt (z.B. ein Dolch) selbst dann hinsichtlich der Härte nur mit sehr einfachen Kohlenstoff-Stahlsorten mithalten kann (Stahl ist nicht gleich Stahl).

Die Autorin wendet sich zweifellos an ein möglichst breites Publikum; das heißt, kein überbordendes Fachchinesisch, sondern allgemein verständliche Erläuterungen - etwa wenn es darum geht, den Unterschied zwischen relativer und absoluter Chronologie zu verdeutlichen; oder wenn aufgezeigt wird, wie Spektral- und Isotopenanalyse dazu dienen, die chemische Zusammensetzung und die Herkunft eines Metalls festzustellen. Bei der Himmelsscheibe war es damit sogar möglich, den genauen Stollen/Gang herauszufinden, aus dem das verwendete Kupfer stammte; und zwar handelte es sich dabei um den "Buchberggang" im Mitterberg-Gebiet (Salzburg). Der Leser erfährt hier also auch manch Interessantes über die verschiedene Methoden der modernen Archäologie.

Das Buch enthält viele großformatige Fotos und Grafiken, von denen mir manche sinnvoller als andere erscheinen.

Fazit: Unterm Strich ein gelungenes Sachbuch. Zu haben ist es für 20 Euro - meiner Meinung nach ein guter Preis für das Gebotene.

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4 Kommentare:

  1. Das ist interessante , weil in den Medien hat man immer nur gehört, die Finder selbst wären der Polizei in die Falle gegangen. Hier haben sie offensichtlich die wahre Geschichte ganz schön stark zusammengekürzt. LG , H.Weeber

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    1. Ich habe das nie so genau mitverfolgt, allerdings kann ich mich auch nur an Berichte erinnern, die den Sachverhalt stark 'vereinfachten'.

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  2. Ab jetzt "Wanderer zwischen Bronzezeit und Mittelalter"?
    ;-)

    Gero

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