Freitag, 29. Juni 2018

"He Passant, hör zu! Wenn's recht ist, komm rein!" - Werbung im antiken Rom



Werbung ist keine moderne Erfindung, vielmehr begegnete man ihr schon in der Antike auf Schritt und Tritt. Besonders im Römischen Reich war es allgemein üblich, Häuserfassaden vor allem an den Haupt- und Einfallstraßen mit Werbeslogans für Dienstleistungen, Betriebe, Personen (politische Wahlen), Produkte und Großveranstaltungen vollzukleistern. Man spricht hier von Graffiti oder besser noch von Dipinti: letzerer Begriff beschreibt schwarz oder rot gemalte Aufschriften (das Schwarz gewann man, indem Knochen, Pinienrinde oder Harze verbrannt wurden; das Rot erzeugten die Römer aus gekochtem gelbem Ocker*). Archäologische Ausgrabungen in Städten wie Pompeji und Herculaneum haben unzählige Beispiele für solche Dipinti zutage gefördert. Beispielsweise bewarben Besitzer von Thermen auf diese Weise die verschiedenen Annehmlichkeiten ihrer Betriebe - da hieß es dann etwa, man könne "nach städtischer Art" baden und dass den Gästen "Becken mit Süß- und Meerwasser" zur Verfüng stehen würden.

Die antike Literatur liefert Hinweise auf weitere Formen von öffentlicher Werbung. Z.B. dienten laut Martial bei Buchhandlungen die Türpfosten als Werbefläche für Titelverzeichnisse usw. (Mart. I 117). Auch wurden von Ladeninhabern Leinwandvorhänge (lintea) verwendet, die wohl mit Werbeslogans und Ankündigungen bemalt waren, wie man Juvenals Satiren mehr oder weniger entnehmen kann (Juv. VIII 168). Hersteller- und Manufaktur-Stempel auf Amphoren und anderen Keramikprodukten dürften zumindest teilweise ebenfalls Werbecharakter gehabt haben (meist waren sie vor dem Brennen in den weichen Ton eingedrückt worden, es gibt aber auch gemalte Aufschriften). Und natürlich existierte in der Antike bereits Werbung in Form von lauthals vorgetragener Mundpropaganda; Cicero berichtet über die Marktschreierei von Kleinhändlern und meint, es handle sich dabei um eine schmutzige Berufstätigkeit (negotium sordidum). Auch Seneca fühlt sich gut 100 Jahre später bei seinem Aufenthalt im noblen Badeort Baiae von dem unablässigen Geschrei "des Getränkeverkäufers, der Kuchenbäcker, der Wurst- und Gebäckhändler, und all der Krämer und Garköche" genervt (Sen. epist. 56, 2). Es ist daher wenig überraschend, dass diese Geschäftsleute im Laufe der Zeit ganz raue bzw. heisere Stimmen bekommen haben sollen (Mart. XII 18,2).

Aus der Fülle der überlieferten Beispiele für Werbung möchte ich in nun einige herausgreifen und kurz kommentieren.


Prostitution

Auf den Hauswänden Pompejis fanden Archäologen etliche Schriftzüge, mit denen für weibliche und männliche Prostituierte geworben wurde (manches davon dürfte allerdings gar keine echte Werbung gewesen sein, sondern erfüllte eher den Zweck, Personen zu diffamieren). 

Fortunata: Für 23 Asse. (Pompeji | CIL IV 8034)

23 Asse waren viel Geld für die Dienste einer Prostituierten, verglichen mit ähnlichen Angeboten, die doch wesentlich kostengünstiger waren (siehe das folgende Beispiel). Die Dame dürfte demnach außerordentlich attraktiv und sehr begabt gewesen sein ...

Felicula, hausgeborene Sklavin, für 2 Asse. (Pompeji | Bäckerei, am Eingang | CIL IV 4023

Wollte sich hier möglicherweise ein Bäcker mit seiner Sklavin ein 'Zubrot' verdienen? Möglich ist es, denn beispielsweise auch im Gastgewerbe war es nicht ungewöhnlich, dass Kellnerinnen nebenbei als Prostituierte arbeiteten.

In Nucera sollst du bei der Porta Romana in der Venus-Straße fragen nach Novellia Primigenia. (Pompeji | Haus des Menander | CIL IV 8356) 

Auch hier handelt es sich wohl um Werbung für eine Prostituierte. Allerdings fand sich das Graffito im Inneren einer großen Stadtvilla, was einerseits etwas merkwürdig, andererseits aber auch nicht völlig ungewöhnlich ist, da römische Hausherren von Rang und Namen oft viele Besucher empfingen; das Gebäude war dementsprechend stark frequentiert. 
Interessant ist außerdem, dass hier ein Straßenname genannt wird. Straßennamen waren in der Antike nämlich keinesfalls allgemein üblich. Warum diese Straße ausgerechnet nach der Liebesgöttin Venus benannt wurde, kann verschiedene Gründe haben. Eventuell weil dort mehrere Bordelle versammelt waren (man kennt ähnliche Beispiele auch hinsichtlich anderer Gewerbe) oder weil die Straße zu einem Tempel der Venus führte. Gut möglich, das sogar beides zutrifft, denn die räumliche Nähe von Prostituierten zu einem Venus-Tempel ist ja nicht völlig unlogisch (im Alten Orient gab es sogar eine regelrechte Tempelprostitution).


Freizeitangebote

Bade gut! Heute zahlst du einen As, morgen ist es Gratis. Eine sichere Sache! (CIL VIII 8424) 

Obiges Beispiel zeigt sehr schön, dass bereits in der Antike gezielt Mengenrabatte zu Werbezwecken eingesetzt wurden. In diesem Fall bezogen auf Thermenbesuche.

Hier wird eine Truppe Tierkämpfer am 28. August kämpfen, und Felix wird gegen die Bären kämpfen. (Pompeji | CIL IV 1989) 

Zwanzig Paare Gladiatoren des  D. Lucretius Satrius Valens, des ständigen Priesters des Nero Cäsar Augustus, und zehn Paare Gladiatoren seines Sohnes L. Lucretius Valens werden in Pompeji am 8., 9., 10., 11. und 12. April kämpfen. Es wird ordentliche Tierkämpfe und Sonnensegel geben. (Pompeji | CIL IV 3884) 

Die nicht gerade billigen Gladiatorenspiele sowie ähnliche Großveranstaltungen wurden üblicherweise von den höheren Beamten einer römischen Stadt organisiert und auch bezahlt. Als Veranstalter leistete man damit seinen Beitrag zum Gedeihen des Gemeinwesens und empfahl sich so überdies für weitere politische Ämter, die dem Träger einen Zuwachs an Ansehen versprachen (siehe dazu auch den Punkt "Wahlwerbung").
Die letzere der beiden Ankündigung ähnelt übrigens jener auf dem folgenden Bild eines Gebäudes des Freilichtmuseums Carnuntum (Niederösterreich), wo man sich vielleicht an einem der zahlreichen Beispielen aus Pompeji oder Herculaneum orientiert hat.



Wahlwerbung

Wahlwerbung wurde in der römischen Antike gerne in Form von öffentlichen Unterstützungserklärungen betrieben, die man sich auf die Fassade seines eigenen Wohnhauses oder Ladens pinseln ließ.

Valens schlägt den Ceius und den Trebius Valens zur Wahl als Ädilen vor. (CIL IV 8815) 

Hier preist jemand sich selbst und einen weiteren Kandidaten für die beiden jährlich zur Wahl stehenden Ädilen-Ämter an (Ädilen waren zuständig für die Kontrolle der Märkte, Thermen usw.). Doppelkandidaturen wie diese waren nicht selten. Man spricht bei solchen Konstellationen auch von einer coitio (bitte nicht mit dem Koitus verwechseln, obwohl es sich dabei freilich auch um eine 'Vereinigung' handelt 😉).

Die Spitzbuben schlagen Vatia als Ädil vor. (CIL IV 576) 

Dieses Beispiel zeigt: Nicht jede an die Wand gepinselte Wahlwerbung dürfte man ernst gemeint haben. Im Gegenteil, mitunter wurde schlicht und ergreifend auf humorvolle Weise versucht, einen der Kandidaten zu verunglimpfen.

Zwar verfügten in der römischen Antike nur Männer über das aktive und passive Wahlrecht, allerdings ließen es sich doch auch einige Frauen nicht nehmen, zumindest indirekt politisch aktiv zu werden. Denn auf immerhin 50 von 2500 erhaltenen pompejanischen 'Wahlplakaten' machen sich einzelne Frauen oder Gruppen von Frauen für diverse Kandidaten stark.
Mehr zum Thema "Wahlplakate" im antiken Pompeji findet man übrigens in meinem unten verlinkten Beitrag .


Handel

Gefäße für Hefe verkauft ... (CIL IV 8815) 

Hier gibt ein Händler mittels entsprechender Aufschrift neben dem Laden-Eingang Auskunft über einen Teil seines Warensortiments. Dergleichen war sicher nicht unüblich, schließlich gab es noch keine Schaufenster im modernen Sinn. Und nicht immer war genügend Platz vorhanden, um die unterschiedlichen Produkte vor dem Geschäft auszustellen.


Gastgewerbe

Im Gastgewerbe warb man mit gemalten Schildern um Kundschaft - so etwa im Fall des Asellinen-Wirtshauses in Pompeji, auf dessen Fassade sich eine Weinkanne und Vasen befinden.

In Lyon wiederum warb der Wirt einer Herberge folgendermaßen :

Hier verspricht dir Merkur Gewinn, Apollo Gesundheit. Septumanus bereitet dir Speise und Lager. Wer hierher gekommen ist, dem wird es nachher besser gehen. Achte darauf, wo du absteigst, Fremder! (CIL XII 2031) 

Dass der Wirt hier zum Schluss mit der Angst seiner Kundschaft spielt, war schlau. Denn es kam durchaus vor, dass Reisende in die 'falsche' Herbergen einkehrten und danach nie wieder gesehen wurden. Der berühmte Arzt und Naturforscher Galen schreibt sogar von Absteigen, in denen menschliches Fleisch als angebliches Schweinefleisch serviert worden sein soll. "From Dusk Till Dawn" lässt grüßen 😉

In der Stadt Antibes (Südfrankreich) lautet der Werbeslogan eines Wirts:

He Passant, hör zu! Wenn's recht ist, komm rein! Drinnen ist eine eherne Tafel, die dich über alles informiert. (CIL IXII 5722) 

Die erwähnte "eherne Tafel" wird wohl eine Speise- und Getränkekarte gewesen sein. Ähnliches fanden Archäologen auch in Pompeji, dort aber in Form von einfachen Dipinti, wie das folgende Beispiel zeigt.

Hedone gibt bekannt:
Hier trinkt man für 1 As,
zahlst du 2 Asse, wirst du besseren Wein trinken,
zahlst du 4 Asse, wirst du Falerner trinken.
(CIL IV 1679) 

Die Weinpreise (pro halbem Liter) wurden nach Qualität gestaffelt. Der vor allem in Kampanien angebaute Falerner war ein höherwertiger, im antiken Rom weithin bekannter Wein. Entsprechend viel musste für ihn bezahlt werden. 


Fazit: Werbung war den alten Römern ebenso geläufig wie uns heute. Außerdem legt die Dichte an schriftlicher Werbung, wie sie vor allem in Pompeji überliefert wurde, eine relativ hohe Alphabetisierungsquote in der römischen Bevölkerung nahe. Einige Forscher gehen von bis zu 50 Prozent aus - ein Drittel ist aber vielleicht realistischer. So oder so ist das enorm viel, wenn man bedenkt, dass beispielsweise im Reich der Pharaonen laut Expertenmeinung vermutlich nur rund 1 Prozent der Landeskinder lesen konnte.


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Anmerkung: Da sich die Pigmente des gelben Ocker beim Kochen - also beim Erhitzen - rot verfärben, geht man davon aus, dass manch roter Wandanstrich in Pompeji ursprünglich gelb war und erst durch die große Hitze des Vulkanausbruchs (Stichwort 'Pyroklastische Ströme') seine aktuelle Färbung erhielt. Im Falle der roten Dipinti ist dieses Szenario allerdings unwahrscheinlich, denn eine gelbe Aufschrift auf den üblicherweise weißen Fassaden wäre wegen des vergleichsweise schlechten Kontrasts widersinnig gewesen.

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Weiterführende Literatur / Quellen (Auswahl):


2 Kommentare:

  1. Bei der Fernsehserie "Rome" hat man diese gemalten Werbeslogans auch an den Hauswänden gehabt. Was ich gut gefunden habe, weil die meisten Filmemacher dieses wichtige Detail bis dahin übersehen hatten.
    Der Rest der Ausstattung der Serie war natürlich nicht besonders authentisch.
    Jörg

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  2. Äußerst interessant, dieses Ausmaß an Werbung hätte ich den Römern nicht zugetraut!

    W.T.C.

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