Dienstag, 9. Juni 2020

🛠️ Pimp up my Diptychon



Aus wenig mach mit wenig mehr

Kürzlich habe ich (hier bzw. hier) einiges an historischen Replikaten bestellt. Darunter befand sich auch ein einfaches Diptychon. Dabei handelt es sich um zwei zusammengebundene Tafeln (je 14 x 9 cm) mit Wachsfüllung, die man allgemein auch als tabulae ceratae (Mz.) bzw. tabula cerata  (Ez.) bezeichnet (tabula = Tafel, cera = Wachs). In der vorliegenden Form wurden sie von der Antike bis ins Mittelalter vor allem als Notizbuch verwendet.

Für ca 16 Euro (13 Euro ohne Schreibgriffel/Stylus) darf man sich freilich nicht extrem viel erwarten (trotz Herstellung in Deutschland). Jedoch erhält man hier durchaus ein Produkt in die Hand, aus dem sich mit wenig Aufwand etwas Vernünftiges machen lässt. Daher war für mich von Anfang an klar, dass nachgebessert werden muss, um eine optische Aufwertung und Individualisierung zu erreichen. Produkte von der Stange kommen in Living-History-Kreisen ja nicht besonders gut an; gerade dieses Diptychon wird aber von mehreren Händlern angeboten und dürfte dementsprechend in seiner Originalausführung weit verbreitet sein.

Das Diptychon sah mir erst mal zu neu bzw. zu hell aus. Deshalb beschloss ich, eine Kaffeebeize aufzutragen. Außerdem habe ich aus den zwei vorhandenen Lederscharnieren vier gemacht - für diese Bauweise gibt es einige archäologische Belege (einfach nach "roman wax tablet" googeln). Schließlich waren da noch die Kanten, die maschinell allzu exakt abgeschrägt worden sind (im Maschinenbau sagt man dazu "Fase" - keine Ahnung, wie das der Holzhandwerker nennt). So etwas geht natürlich gar nicht, auch hier war dringend ein Nachbessern nötig. Und ganz zum Schluss gab es da noch den Stylus aus Messing, der - angelehnt an antike Vorbilder - natürlich ebenfalls etwas aufgemotzt werden musste.

'Geschickt' wie ich bin, habe ich das Davor und Danach nicht mit den gleichen Kameraeinstellungen fotografiert... Trotzdem werden die Bilder der deutlichen farblichen Veränderung ziemlich gerecht.






Der Vorgang 

1. Das Diptychon in seine Einzelteile zerlegen.
2. Je Platte zwei zusätzliche Löcher bohren.
3. Die Ecken und Kannten mit einem (ca) 1200er-Sandpapier abrunden; außerdem die großen Flächen damit glätten.
4. Alles mit kaltem Kaffee bestreichen und halbwegs trocknen lassen. Nach dem Trocknen (dauert ca 20 Minuten) eine zweite Schicht aufgetragen. Später eine dritte.
5. Wenn die Platten absolut trocken sind, mit einem (ca) 2500er-Sandpapier die nun etwas 'aufgequollene' Oberfläche leicht abschmirgeln.
6. Die Platten großzügig mit einem Speiseöl einreiben und dieses ein paar Stunden einziehen lassen. Dann das überschüssige Öl abwischen, und die Platten wieder zusammenbauen. 
7. Den Stylus (Schreibgriffel) am hinteren, spatelförmigen Ende mit z.B. einem Schleifbock oder mit einer Feile abrunden. Die Ringe in den Schaft drehen, indem man diesen in eine Bohrmaschine einspannte, die Bohrmaschine wiederum in einen Schraubstock und dann eine Feile ansetzt. Am Schluss alles mit ca 2500er Sandpapier sorgfältig polieren. Die Ringe erfüllen übrigens einen überraschend praktischen Zweck: Sie sorgen dafür, dass der Stylus nicht so leicht herausrutschen kann, da das Lederband sich darin leicht verfängt (ich werde deshalb weitere Ringe am vorderen Ende in den Schaft drehen). Möglicherweise findet man aus demselben Grund diese "Verzierung" - nebst Verdickungen - auch auf manch antikem Stylus?


Was zu beachten ist

- Die zusätzlichen Löcher sollten aus optischen Gründen genau die gleiche Größe haben wie die bereits vorhandenen.
- Beim Bohren die Platten zusammenklemmen, damit die Löcher exakt übereinander liegen.
- Die Mischung aus Wasser und gemahlenem Kaffee sollte sehr stark sein (50:50) - es handelt sich hier schließlich um eine Beize, kein Getränk. Ich habe sie deshalb auch vor der Verwendung 24 Stunden stehen lassen.
- Die Kaffee-Beize reagiert nicht immer gleich. Abhängig von der Holzart können unterschiedliche Brauntöne entstehen. Oben sieht man das Ergebnis auf massivem Buchenholz nach dem Einölen (das Öl wirkt sich ebenfalls auf den Farbton aus bzw. macht diesen dunkler). 
- Die Lederschnüre für die "Scharniere" möglichst eng ziehen (wenn nötig die Enden beim Anziehen mit Flachzangen packen). Für die zusätzlichen zwei Scharniere kann dabei die mitgelieferte Lederschnur verwendet werden, da sie perfekt in die Löcher passt. Ich habe übrigens besagte Lederschnur - die mir zu hell war - für 20 Minuten in die Kaffee-Beize gelegt und sie nach anschließender Trocknung mit einem Lederpflegemittel eingerieben (anderenfalls wird das Leder spröde und  brüchig).
- Mit der kurzen mitgelieferten Lederschnur (die ich für die zusätzlichen Scharniere verwendet habe) lässt sich der  Stylus nicht verlässlich an der Tafel fixieren. Es ist einfach nicht praxistauglich. Nur mit einer längeren Lederschnur bzw. mehreren Wicklungen ist das möglich - siehe Bild oben.


Ein paar Gedanken zum Wachs

Das Wachs des obigen Diptychons besteht aus echtem Bienenwachs und einem vom Verkäufer nicht näher definierten Farbstoff (der also vermutlich nicht historisch authentisch ist).
Für die Antike sind schwarze Wachstafeln mehrfach auf Darstellungen und im archäologischen Fundgut belegt, aber auch farbige Varianten werden angenommen. Für Schwarz wurde Ruß als Pigment verwendet, im Falle von Rot könnte ich mir gebrannten Ocker oder Eisenoxid vorstellen - siehe etwa das Pompejanisch-Rot, mit dem man im antiken Rom gerne Teile des Außenverputzes bemalte. Wer mag, kann Bienenwachs-Granulat kaufen und sich mit den genannten natürlichen Farbstoffen eine authentischere Mischung zusammenrühren. Ich werde das machen, wenn sich die originale Füllung abgenutzt hat. Und genau das tut sie mit der Zeit, da Wachs sich beim Schreiben immer wieder in kleineren Bröseln herauslöst (wenn man den Stylus zieht, anstatt ihn zu schieben, dann fällt dieser Effekt weniger stark aus; und natürlich kann man die meisten Brösel auch wieder festdrücken).
Außerdem ist für mich offensichtlich, dass eine höhere Umgebungstemperatur sich negativ auf den unwillkommenen Wachsverlust auswirkt, da sich hier der Stylus wesentlich tiefer in die Oberfläche gräbt. Andererseits kann man, wenn das Wachs wärmer ist, den geschriebenen Text leichter wieder löschen.

Übrigens, ursprünglich sind diese historischen Schreibtafeln nicht mit wachsgefüllten Vertiefungen hergestellt worden, sondern sie waren komplett plan und geweißt. Auf diese Grundierung schrieb man mit normaler Tinte. War der Platz voll, übermalte man oder rieb die Grundierung ab. Genau so - nur wesentlich großformatiger - wurden im Antiken Rom auch Bekanntmachungen öffentlich angeschlagen.

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9 Kommentare:

  1. Exakt diese Ausführung der Tafel habe ich schon in mehreren Museumsshops gesehen. Allerdings teilweise für über 20 Euro, was sie nicht wert ist. Da müssten sie es schon "pimpen" wie du es gemacht hast. Gefällt mir übrigens sehr gut.

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  2. Das wäre ein schönes Geschenk für unseren römerbegeisterten Sohn. Kannst du mir vielleicht sagen, wie lange du für das Auffrisieren der Tafeln gebraucht hast?
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Ohne die Wartezeit (Trocknen der Beize und des Öls) habe ich insgesamt für alle Arbeitsschritte maximal 30 Minuten benötigt. Und ich habe mich nicht einmal beeilt.

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  3. Morgen!
    Nicht direkt zum Thema, aber zumindest "Römisch":
    https://www.heise.de/news/Antike-roemische-Stadt-im-Radarbild-Falerii-Novi-ohne-Grabung-kartiert-4778151.html?wt_mc=nl.red.ho.ho-nl-daily.2020-06-10.link.link
    Jürgen

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  4. Kaffeebeize ist eine coole Idee - auch für Sohnemanns (Plastik-)Waffenständer, den ich mir für die nächsten Wochenenden vorgenommen habe...
    (Wie lange) Duftet denn der Kaffee nach?

    Dein Diptychon sieht echt gut aus, auch ganz ohne den Vergleich zum Originalzustand. Besonders gefällt mir der Oft-benutzt-aber-nicht-ramponiert-Look.

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    1. Den Kaffeegeruch habe ich nur ein paar Tage wahrgenommen (wenn ich meine Nase ganz dicht rangehalten habe). Das Ölen (mit Olivenöl) hat meiner Ansicht nach dazu beigetragen, dass er rasch verschwunden ist.

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    2. Danke dir! Ich hatte (zunächst nur) einen Leinölanstrich geplant, den zugunsten feinster Chemie verworfen, nun aber bei dir jetzt hier nahezu den gleichen Farbton gefunden, wie bei Sohnemanns "spät-neugotischer" Rittertruhe...

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    3. Im Prinzip kann man alles verwenden, was braune Flecken macht und auch aus der Kleidung kaum rausgeht. Sogar (echtes) Kakaopulver soll gehen. Oder Schuhcreme. Wers authentisch mag, der kann einen Sud aus Walnussschalen verwenden. Man muss nur aufpassen, auf welches Holz man die jeweilige Beize aufträgt. Auf bestimmte Holzarten reagiert etwa die Kaffeebeize leicht grünstichig. Vielleicht deshalb vorher an einer kleinen Stelle erst mal ausprobieren. Das habe auch ich so gemacht.

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