Was machte in der Antike einen guten militärischen Anführer aus? Was war sein optimales Alter? War es vorteilhaft oder nachteilig, wenn er Kinder hatte? Welche Entscheidungen konnte ihm der Krieg abverlangen?
Diese und viele weitere Fragen beantwortet der Autor Onasandros in seinem im 1. Jh. n. Chr. entstandenen Werk, das in mittelalterlichen Abschriften unter dem Titel Onasandrou Strategikos überliefert wurde. Bei der vorliegenden Neuübersetzung haben sich der Marix Verlag (ohne Bindestrich) und der Übersetzer Kai Brodersen für den Titel Gute Führung entschieden - was zwar dem Buchinhalt gerecht wird, andererseits aber manch potentiellen Leser eher an die Autobiographie eines ehemaligen Häftlings denken lassen dürfte ...
Onasandros - eingedeutscht auch Onasander genannt - widmet sich in seinem Werk zuerst den persönlichen Verhältnissen und Charaktereigenschaften, über die ein General (Strategos) seiner Meinung nach verfügen musste. Teilweise erinnern Onasandros' Einlassungen dazu stark an 'Küchenpsychologie' und waren für mich entsprechend wenig interessant. Erfreulicherweise geht der Autor bald zu Handfesterem über, will heißen, er gibt anhand von Beispielen Ratschläge hinsichtlich klugen militärischen Verhaltens. Der Leser kann daraus manch wichtige Information über antike Kriegsführung entnehmen (allerdings weniger über römische, sondern mehr über hellenistische - wie alleine viele der von Onasander verwendeten militärischen Begriffe nahelegen). Es folgen einige Beispiele:
Bei Angriffen und nächtlichen Einnahmen von Städten durch Verrat darf man nicht unerfahren sein in den himmlischen Läufen der Fixsterne bei Nacht, da sonst die Pläne nicht umgesetzt werden. (39.1)
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Obiges Beispiel zeigt sehr schön, dass die Menschen der Antike am Nachthimmel die ungefähre Uhrzeit ablesen konnten und so selbst ohne Uhren zeitlich genau koordinierte militärische Aktionen durchzuführen im Stande waren.
Die Leichtbewaffneten - Speerwerfer, Bogenschützen und Schleuderer - stellt man zunächst vor die Phalanx. Wenn sie nämlich hinter ihr stehen, werden sie den eigenen Leuten mehr Schaden zufügen als dem Feind, und wenn sie mitten unter ihnen stehen, werden sie ihre eigenen Fähigkeiten nicht nützen können [...]. Wenn die Bogenschützen vor den anderen laufen, werden sie ihre Pfeile auf die Körper (der Feinde) wie auf Ziele schießen; wenn sie jedoch hinter den Reihen oder in ihnen stehen, werden sie in die Höhe schießen, womit die Pfeile nur für ihre Abwärtsbewegung Antrieb haben, danach aber, selbst wenn sie auf die Köpfe der Feinde fallen, ihre Kraft vertan haben und den nicht viel Schaden zufügen. (17.1)
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Diesen Umstand sollte man unbedingt Hollywood mitteilen, wo bei inszenierten Schlachten hinsichtlich der Bogenwaffe fast immer genau das Gegenteil von dem hier Geratenen gemacht wird.
Die Schleuder ist die gefährlichste Waffe der Leichtbewaffneten, weil das Schleuderblei die gleiche Farbe wie die Luft hat und in seinem Lauf unsichtbar ist, sodass es unvorhergesehen auf die ungeschützten Körper der Feinde fällt. Ja, nicht nur die Wirkung selbst ist heftig, sondern auch das Geschoss, das von der Wucht durch die Luft erhitzt wird und daher das Fleisch sehr tief durchdringt, sodass es nicht mehr sichtbar ist und rasch vom Geschwür umschlossen wird. (19.3)
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Die Erwähnung der angeblich durch bloße Luftreibung stark erhitzten Schleuderbleie lässt mich etwas ratlos zurück. Interessant ist dergleichen aber auf alle Fälle.
Die zweisprachige Übersetzung (griechisch-deutsch) ist hinsichtlich ihrer Wortwahl unkompliziert. Fuß- bzw. Endnoten gibt es nicht, aber im Text selbst wurden in runden Klammern immer wieder Zusatzinformationen eingebaut. Der Anhang enthält ein kurzes Register, ein Literaturverzeichnis und einen textkritischen Apparat (interessant für wissenschaftliches Arbeiten).
An dieser Stelle könnte ich eigentlich meine Rezension beenden. Wenn da nicht das Vorwort des Buchs wäre, das zwar keinen Einfluss auf die Bewertung hat, auf das gesondert einzugehen mir aber sinnvoll erscheint. Grund: Man hat es für eine gute Idee gehalten, dort den geneigten Leser ein bisschen mit verklausuliertem Trump-Bashing zu behelligen. Offensichtlich entkommt man dergleichen jetzt nicht einmal mehr in der Übersetzung eines 2000 Jahre alten Textes. Doch worum geht es eigentlich? Ich zitiere:
Nicht viel hält Onasandros hingegen bei solchen Menschen von persönlichem Reichtum, auch wenn dieser Bestechlichkeit einschränken könnte. Reichtum könnte nämlich einen Menschen verderben. Dazu sagt er: "Einen, der Geldgeschäfte macht, selbst wenn er der Allerreichste wäre, werde ich nie empfehlen" (1.20).
[...] Wie aktuell solche Maximen sind oder doch sein sollten, liegt gerade im Hinblick auf den seit 2017 amtierenden Strategos der größten westlichen Streitmacht auf der Hand! |
Hier liegt vor allem eines auf der Hand: Nämlich wie hinkend der bemühte Vergleich ist. Weil wenn schon in der deutschen Übersetzung das Wort "Geldgeschäfte" verwendet wurde, dann sollte doch gerade der Übersetzer selbst wissen, dass sich das in der Antike üblicherweise auf Geldverleiher, Publicani (Staatspächter, Steuerpächter) und ähnliche Geld-Berufe bezog, die allgemein einen sehr schlechten Ruf in der Bevölkerung genossen; auch heute noch mag kaum jemand Banker!
Donald Trump, der gegenwärtige "Strategos" der USA, hat hingegen sein Vermögen im Immobilienhandel gemacht. Und daran hätte Onasandros kaum etwas auszusetzen gehabt, war es doch in den gehobeneren Kreisen der römischen Gesellschaft, denen auch er selbst als gebildeter Schriftsteller angehört haben wird, allgemein üblich, Immobilien (vor allem in Form von Landgütern) als Wertanlage je nach Bedarf und Marktlage zu kaufen und zu verkaufen - siehe etwa die entsprechend Aktivitäten von Cicero und dem jüngeren Plinius. Grundbesitz bzw. ein auf diese Art erworbenes Vermögen galt in der Regeln nicht als anrüchig. Dass der geschätzte Herr Brodersen das nicht weiß, halte ich für unwahrscheinlich 😉
Donald Trump, der gegenwärtige "Strategos" der USA, hat hingegen sein Vermögen im Immobilienhandel gemacht. Und daran hätte Onasandros kaum etwas auszusetzen gehabt, war es doch in den gehobeneren Kreisen der römischen Gesellschaft, denen auch er selbst als gebildeter Schriftsteller angehört haben wird, allgemein üblich, Immobilien (vor allem in Form von Landgütern) als Wertanlage je nach Bedarf und Marktlage zu kaufen und zu verkaufen - siehe etwa die entsprechend Aktivitäten von Cicero und dem jüngeren Plinius. Grundbesitz bzw. ein auf diese Art erworbenes Vermögen galt in der Regeln nicht als anrüchig. Dass der geschätzte Herr Brodersen das nicht weiß, halte ich für unwahrscheinlich 😉
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Weiterführende Informationen:
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Volltreffer und versenkt!
AntwortenLöschenLG,
Erwin
Zum Schleuderblei mal Jaegoor fragen, ich schleuder nur mit Steinen
AntwortenLöschenEin Leser hat gemeint, die Schleuderbleie wären eher aufgrund des Aufpralls auf eine harte Oberfläche heiß geworden. Und das habe man dann vielleicht fehlinterpretiert.
LöschenIch hab mal ein Blei auf eine 12mm stahlplatte geschossen. Das Blei Pilzte bis zu Hälfte auf und klebten auf der platte fest.ich bekam es nur mit werkzeug ab. Es war zwar warm, aber nicht heiß. Ich halte es für eine schöne Geschichte.
LöschenDas vermute ich auch.
LöschenTrump hat immerhin noch keinen größeren militärischen Konflikt angeleiert und Chaos gestiftet. Das ist nicht selbstverständlich für einen US-Präsidenten, wenn man zum Beispiel die Aktivitäten seiner Amtsvorgänger Bush (Irak, Afghanistan) und Obama (Libyen, Syrien) betrachtet.
AntwortenLöschenGero