Gaudium magnum - endlich einmal kein Saftladen!
Die Living-History- bzw. Reenactment-Szene ist geradezu druckbetankt mit unprofessionellen Handwerkern und Händlern, die E-Mails nicht oder erst nach vielen Tagen beantworten, die sich nicht an Lieferfristen halten oder gleich ganze Aufträge vergessen, obwohl sie längst das Geld dafür kassiert haben. Von meinem entsprechenden Ärger habe ich hier in den Vergangenen acht Jahren ja schon reichlich berichten können. Dass es auch anders geht, zeigt das folgende Beispiel:
Vor einiger Zeit habe ich mir beim Online-Shop Forum Traiani eine Auswahl an schönen Reproduktionen von Schreibutensilien gekauft, die in dieser Form von den Menschen der Antike - z.T. aber auch noch darüber hinaus - im Alltag genutzt wurden. Die Bestellung wurde ruck-zuck bearbeitet und die Ware kam bald darauf bei mir zuhause an. Die Preise sind überwiegend akzeptabel, doch gerade bei handgefertigten Keramikobjekten - dazu ein kommt noch ein gesonderter Beitrag - kann man einige Euro sparen, wenn man direkt den deutschen Hersteller kontaktiert und von ihm eine (verbesserungswürdige) Preisliste anfordert.
Vor einiger Zeit habe ich mir beim Online-Shop Forum Traiani eine Auswahl an schönen Reproduktionen von Schreibutensilien gekauft, die in dieser Form von den Menschen der Antike - z.T. aber auch noch darüber hinaus - im Alltag genutzt wurden. Die Bestellung wurde ruck-zuck bearbeitet und die Ware kam bald darauf bei mir zuhause an. Die Preise sind überwiegend akzeptabel, doch gerade bei handgefertigten Keramikobjekten - dazu ein kommt noch ein gesonderter Beitrag - kann man einige Euro sparen, wenn man direkt den deutschen Hersteller kontaktiert und von ihm eine (verbesserungswürdige) Preisliste anfordert.
Praktischerweise wird bei Forum Traiani die (mir bisher nicht bekannte) Möglichkeit angeboten, mittels "Amazon Pay" zu bezahlen. Das bedeutet, ohne Mehrkosten für einen selbst kann man über sein Amazon-Konto den Zahlungsvorgang abwickeln. Weder müssen hier die Adress- noch irgendwelche Konto- oder Kreditkarten-Daten extra eingeben werden (einziger Nachteil: Der Amazon-Heini Bezos wird dadurch noch reicher).
Übrigens, der Händler verkauft nicht nur über seine eigene Homepage und "Amazon Pay", sondern auch direkt bei Amazon. Allerdings scheint man dort nicht den gesamten Warenbestand anzubieten und die Preise sind etwas höher.
Die Schreibutensilien im Detail
Die Schreibutensilien im Detail
Die Binse: Dabei handelt es sich um eine global relativ weit verbreitete Pflanze, deren Stängel einerseits eine steife Rinde aufweist, andererseits aber auch ein weiches, saugfähiges Mark besitzt. Der Binsenstängel wurde wegen diesen Eigenschaften schon im Alten Ägypten zum Schreiben und Malen auf Papyrus, Holz, Baumrinde, Wandputz sowie Keramik genutzt. Es sind uns etliche Darstellungen überliefert, die sehr schön zeigen wie mit dem stumpf abgeschnittenen, oft aber auch pinselartig zerkauten bzw. zerfaserten Stengelende geschrieben worden ist. Aufbewahrt wurde dieses Schreiberät gerne in einem Holz-Etui.
Die populäre Binse fand sogar Verwendung als sogenannter Thron-Name von Herrschern - etwa in der Form: "Der von der Binse, der von der Biene" (die Binse steht hier für den Reichsteil Unterägypten, die Biene für den Reichsteil Oberägypten). Jedoch von all dem abgesehen, eignet sich die Binse bis heute besonders gut zum Niederschreiben von Binsenweisheiten 😄.
Die populäre Binse fand sogar Verwendung als sogenannter Thron-Name von Herrschern - etwa in der Form: "Der von der Binse, der von der Biene" (die Binse steht hier für den Reichsteil Unterägypten, die Biene für den Reichsteil Oberägypten). Jedoch von all dem abgesehen, eignet sich die Binse bis heute besonders gut zum Niederschreiben von Binsenweisheiten 😄.
Der Calamus: Dieses seit ungefähr dem 6. Jh. v. Chr. gebräuchliche Schreibrohr wurde überwiegend aus kostengünstigem Schilf hergestellt, aber auch exklusivere Varianten aus Kupferlegierungen waren in Verwendung. Da die Spitze des pflanzlichen Calamus beim Schreiben relativ schnell verschliss, musste sie mit einem kleinen Messer - dem scalprum - immer wieder neu zugerichtet werden.
Atramentum war die gebräuchliche lateinische Bezeichnung für Tinte, in die man den Calamus (aber auch die oben erwähnte Binse) tauchte. Das Wort leitet sich von ater ab, was so viel wie "schwarz" bedeutet. Daran ist gut abzulesen, welche Färbung die aus Ruß und dem Baumharz Gummi arabicum hergestellte Flüssigkeit hatte. Aber auch farbige Tinte war nicht unbekannt; rote wurde beispielsweise auf der Basis von Mennige (=Eisenoxid, Bleioxid) hergestellt.
Schreibfehler löschte man mit einem angefeuchteten Schwamm - spongia genannt. Je nach Beschreibstoff (Papyrus, Pergament, Holz) und Stadium der Trocknung konnte hierbei allerdings das Abkratzen der Tinte (sog. 'Palimpsestieren') mit einer Klinge die bessere Vorgehensweise sein.
Schreibfehler löschte man mit einem angefeuchteten Schwamm - spongia genannt. Je nach Beschreibstoff (Papyrus, Pergament, Holz) und Stadium der Trocknung konnte hierbei allerdings das Abkratzen der Tinte (sog. 'Palimpsestieren') mit einer Klinge die bessere Vorgehensweise sein.
Die Feder bzw. der Federkiel: Dieses Schreibgerät scheint sich erst am Ende der Antike einer zunehmenden Beliebtheit erfreut zu haben. Wie der Calamus musste der Federkiel zugespitzt werden (das ist bei der abgebildeten Gänsefeder noch nicht der Fall); vorher war jedoch eine Härtung des Endes durch eine Kombination aus Einweichen und Erhitzen nötig (hier bereits geschehen). Wie beim Calamus, so musste auch beim Federkiel immer wieder nachgespitzt werden. Meiner persönlichen Erfahrung nach, schreitet die Abnutzung hier allerdings langsamer voran.
Der Stylus bzw. der Schreibgriffel: Dieses Schreibgerät, das aus Metall oder organischem Material wie Knochen hergestellt wurde, fand beim Schreiben auf Wachstafeln (aber auch auf ungebranntem Ton) Verwendung - siehe unten. Aus naheliegenden Gründen haben sich im archäologischen Fundgut vor allem Exemplare aus (Bunt-)Metall erhalten. Die oben abgebildete Ausführung ist sehr einfach. Man entdeckte jedoch auch wesentlich aufwendiger gestaltete Stücke.
Das Diptychon: Dabei handelt es sich um zwei meist aus Holz gefertigte, zusammengebundene Tafeln, in deren Vertiefungen man eingefärbtes Bienenwachs goss. Für die Antike sind schwarze Wachstafeln mehrfach auf Darstellungen und im archäologischen Fundgut belegt, aber auch farbige Varianten werden angenommen. Für Schwarz wurde nachweislich Ruß als Pigment verwendet, im Falle von Rot könnte ich mir gebrannten Ocker oder Eisenoxid vorstellen - siehe etwa das Pompejanisch-Rot, mit dem man im Antiken Rom gerne großflächige Teile des Außenverputzes einfärbte und Werbetexte auf Fassaden malte. Geschrieben (geritzt) wurde auf solchen Wachstafeln mit der Spitze des Stylus, gelöscht mit dessen abgeflachten, spatelförmigen Ende.
Wachstafeln wurden allgemein auch als tabulae ceratae (Mz.) bzw. tabula cerata (Ez.) bezeichnet (tabula = Tafel, cera = Wachs). Kleinformatige Ausführungen nannte man manchmal pugillares oder codicilli. Es gab auch solche mit drei oder mehr verbundenen Tafeln, die triptychon bzw. polyptychon genannt wurden. Sie werden wohl Vorbild für den klassische Codex gewesen sein, also das gebundene Buch mit Pergamentseiten, welches die meist aus Papyrus gefertigte Schriftrolle ablöste.
Wachstafeln wurden von der Antike bis ins Mittelalter wohl primär als Notizbuch verwendet. Allerdings kam es vor, dass man darauf sogar Kaufverträge fixierte und die zusammengeklappten Tafeln im Anschluss mit einem Siegel versah, wie etwa Funde aus Pompeji bezeugen. Auch Briefe wurden mitunter in dieser Form verschick - das geht u.a. aus einem Schreiben Ciceros an seinen Bruder Quintus hervor ("Diesen [Antwort-]Brief haben mir deine Schreibtäfelchen lautstark abgenötigt").
Das von mir gekaufte Diptychon (je Tafel 14 x 9 cm) war ziemlich günstig, sah mir ursprünglich aber zu modern gefertigt aus (siehe das Foto ganz oben). Deshalb habe ich es mit einfachen Mitteln verbessert. Der entsprechende Vorgang wurde hier beschrieben.
Papyrus: Dieser aus langfaserigen, übereinandergeklebten Stengelmark-Streifen der Papyrus-Pflanze hergestellte Beschreibstoff war (im Vergleich zu Pergament) 'relativ' kostengünstig. Allerdings wird er bei weitem nicht so billig zu haben gewesen sein wie unser modernes Papier (das seinen Namen vom Papyrus vererbt bekam - wobei man interessanterweise in der Antike selbst den Beschreibstoff Papyrus vor allem als charta bezeichnet hat; davon leiten sich wiederum unsere modernen deutschen Wörter 'Karton' und 'Karte' ab).
Der Umstand, dass eine zu häufige Nutzung von Papyrus ins Geld gehen konnte, erklärt vermutlich die Existenz der leicht wiederbeschreibbaren Wachstafeln (siehe oben). Darüberhinaus dürfte die Verwendung von Papyrus mit der zunehmenden Entfernung von den ägyptischen Hauptanbau- und Herstellungsgebieten aufgrund steigender Transportkosten abgenommen haben. Vielleicht nicht ganz zufällig wurden ausgerechnet im fernen (Groß-)Britannien etliche furnierartige, mit Tinte beschriebene Holzplättchen entdeckt. Diese sogenannten "Vindolanda tablets" stellten für bestimmte Zwecke einen günstigen Papyrus-Ersatz dar.
Im Laufe der Antike kam es zu Papyrus-Versorgungsengpässen - sogar staatlich verordnete Rationierungen waren die Folge davon. Dieser Umstand und besonders die Brüchigkeit des Papyrus werden maßgeblich dazu beigetragen haben, dass es in der Spätantike nach und nach von dem aus Tierhäuten hergestellten Pergament ersetzt worden ist. Pergamentbögen waren zwar um einiges teurer, allerdings auch beständiger und wesentlich geeigneter für das Binden zu Büchern (codices), welche damals die lange Zeit gebräuchliche Schriftrolle (rotulus) weitestgehend ablösten (ein Problem bei Buchrollen war auch, dass durch das ständige Ein- und Ausrollen aufgetragene Farben brüchig wurden, was besonders Illustrationen schadete). Aufgrund der Kosten wurden im Zuge der Umstellung fast nur jene Texte von Papyrus auf Pergament 'rüberkopiert', die man für bedeutend genug hielt. Bedingt durch den Zeitgeist war der Inhalt vor allem religiöser und philosophischer Natur. Hingegen die Naturwissenschaften, die Geschichtsschreibung usw. wurden vergleichsweise stiefmütterlich behandelt.
Zum Schluss eine persönliche Beobachtung aus der Praxis: Beim Schreiben auf Papyrus mit z.B. einem Calamus kann es passieren, dass man mit der Spitze an den im rechten Winkel überinandergeklebten Mark-Streifen hängenbleibt. Dieses Problem kann allerdings weitestgehend vermieden werden, wenn das Blatt so auf dem Tisch gelegt wird, dass die Papyrusstreifen auf der zu beschreibenden Seite nicht senkrecht, sondern waagrecht zu einem stehen. Die Frage für mich ist hier, in welchem Ausmaß dieses Phänomen bereits in der Antike existierte (ich bilde mir ein, irgendwo schon einmal davon gelesen zu haben). Laut Plinius gab es nämlich bei Papyrus unterschiedliche Qualitätsstufen - von fein bis sehr grob. Da ich keine Vergleichsmöglichkeit habe, kann ich nicht einschätzen, in welche Kategorie meine heute gefertigten Papyrusblätter damals eingeordnet worden wären. Jedoch waren alle mir im Laufe der Jahre untergekommenen Reproduktionen dieses historischen Beschreibstoffs von sehr ähnlicher Qualität.
Wachstafeln wurden von der Antike bis ins Mittelalter wohl primär als Notizbuch verwendet. Allerdings kam es vor, dass man darauf sogar Kaufverträge fixierte und die zusammengeklappten Tafeln im Anschluss mit einem Siegel versah, wie etwa Funde aus Pompeji bezeugen. Auch Briefe wurden mitunter in dieser Form verschick - das geht u.a. aus einem Schreiben Ciceros an seinen Bruder Quintus hervor ("Diesen [Antwort-]Brief haben mir deine Schreibtäfelchen lautstark abgenötigt").
Das von mir gekaufte Diptychon (je Tafel 14 x 9 cm) war ziemlich günstig, sah mir ursprünglich aber zu modern gefertigt aus (siehe das Foto ganz oben). Deshalb habe ich es mit einfachen Mitteln verbessert. Der entsprechende Vorgang wurde hier beschrieben.
Der Umstand, dass eine zu häufige Nutzung von Papyrus ins Geld gehen konnte, erklärt vermutlich die Existenz der leicht wiederbeschreibbaren Wachstafeln (siehe oben). Darüberhinaus dürfte die Verwendung von Papyrus mit der zunehmenden Entfernung von den ägyptischen Hauptanbau- und Herstellungsgebieten aufgrund steigender Transportkosten abgenommen haben. Vielleicht nicht ganz zufällig wurden ausgerechnet im fernen (Groß-)Britannien etliche furnierartige, mit Tinte beschriebene Holzplättchen entdeckt. Diese sogenannten "Vindolanda tablets" stellten für bestimmte Zwecke einen günstigen Papyrus-Ersatz dar.
Im Laufe der Antike kam es zu Papyrus-Versorgungsengpässen - sogar staatlich verordnete Rationierungen waren die Folge davon. Dieser Umstand und besonders die Brüchigkeit des Papyrus werden maßgeblich dazu beigetragen haben, dass es in der Spätantike nach und nach von dem aus Tierhäuten hergestellten Pergament ersetzt worden ist. Pergamentbögen waren zwar um einiges teurer, allerdings auch beständiger und wesentlich geeigneter für das Binden zu Büchern (codices), welche damals die lange Zeit gebräuchliche Schriftrolle (rotulus) weitestgehend ablösten (ein Problem bei Buchrollen war auch, dass durch das ständige Ein- und Ausrollen aufgetragene Farben brüchig wurden, was besonders Illustrationen schadete). Aufgrund der Kosten wurden im Zuge der Umstellung fast nur jene Texte von Papyrus auf Pergament 'rüberkopiert', die man für bedeutend genug hielt. Bedingt durch den Zeitgeist war der Inhalt vor allem religiöser und philosophischer Natur. Hingegen die Naturwissenschaften, die Geschichtsschreibung usw. wurden vergleichsweise stiefmütterlich behandelt.
Zum Schluss eine persönliche Beobachtung aus der Praxis: Beim Schreiben auf Papyrus mit z.B. einem Calamus kann es passieren, dass man mit der Spitze an den im rechten Winkel überinandergeklebten Mark-Streifen hängenbleibt. Dieses Problem kann allerdings weitestgehend vermieden werden, wenn das Blatt so auf dem Tisch gelegt wird, dass die Papyrusstreifen auf der zu beschreibenden Seite nicht senkrecht, sondern waagrecht zu einem stehen. Die Frage für mich ist hier, in welchem Ausmaß dieses Phänomen bereits in der Antike existierte (ich bilde mir ein, irgendwo schon einmal davon gelesen zu haben). Laut Plinius gab es nämlich bei Papyrus unterschiedliche Qualitätsstufen - von fein bis sehr grob. Da ich keine Vergleichsmöglichkeit habe, kann ich nicht einschätzen, in welche Kategorie meine heute gefertigten Papyrusblätter damals eingeordnet worden wären. Jedoch waren alle mir im Laufe der Jahre untergekommenen Reproduktionen dieses historischen Beschreibstoffs von sehr ähnlicher Qualität.
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Weiterführende Informationen:
- Karl-Wilhelm Weeber | Alltag im Alten Rom - Das Leben in der Stadt | Albatros | 2011 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
- Johannes Irmscher (Hrsg.) | Lexikon der Antike | Anaconda | 2010 | Infos bei Amazon
Weitere interessante Themen:
- "Mustius, der Walker, trug die Tünche auf." - Wahlplakate im antiken Pompeji
- Ein antiker "Bienentopf" aus Pompeji
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Binsen habe ich sogar im Garten, da werde ich demnächst mal ausprobieren müssen , ob man auch mit denen Schreiben kann. :-)
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Bei Forum Traiani habe ich vor ein paar Jahren mal Gallustinte, Feuersteine und ein paar andere Kleinigkeiten gekauft. Hat dabei nichts zu meckern gegeben, alles war top. Die sind auch auf Reenactmentmessen und ähnlichen Veranstaltungen vertreten.
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