Freitag, 16. April 2021

📖 Buch: Die Wikinger und ihre Schiffe

Informativ

Dem Titel "Die Wikinger und ihre Schiffe" entsprechend, beschäftigt sich die Autorin Sunhild Kleingärtner in dem vorliegenden Buch schwerpunktmäßig mit dem Wikingerschiff in so ziemlich all seinen Facetten. Welche Typen gab es? Welche Segeleigenschaft hatten sie? Wie lange dauerte der Bau? Wie viel Holz und Eisen wurde gebraucht? Wie viele Schafe benötigte man als Wollspender für ein Segel? Waren die Schiffskörper bemalt? Von was ernährte sich die Besatzung auf hoher See? Wo schlief sie? Wie und wo hat man an Bord seien Notdurft verrichtet? Usw. usf.

Fragen über Fragen, die hier mehr oder weniger ausführlich beantwortet werden. Immer wieder Raum erhalten dabei auch Erläuterungen zu modernen archäologischen Methoden wie z.B. der für die Altersbestimmung von Holz so wichtigen Dendrochronologie. Aber auch der für die Forschung zunehmend wichtigen Experimentellen Archäologie wird Rechnung getragen. Viele  oft großformatige Abbildungen erleichtern dabei für den Leser das Verständnis.


Nicht immer optimal

Mitunter gleitet die Autorin allerdings zu sehr in gestelzten Akademiker-Sprech ab. Z.B. wenn sie wissenschaftliche Methoden wie die Experimentelle Archäologie erläutert. Teilweise liest sich das, als ob sie es aus einem Aufsatz oder Lehrbuch abgeschrieben hat. Die vorliegende Publikation kann ich daher Jugendlichen oder gar Kindern nur schwerlich empfehlen.
Darüber hinaus wirken die Erläuterungen in einigen wenigen Fällen etwas unausgegoren. So heißt es z.B. hinsichtlich der Segelherstellung: 

In der Regel können auf einem Vertikalwebstuhl 70 cm Stoff pro Tag hergestellt werden.

Nun kennt der geneigte Leser zwar die Länge, aber nicht die Breite! Sicher, ein paar Seiten davor findet sich das Foto einer Webstuhl-Rekonstruktion, aber dieses reicht kaum aus, um sich die Breite jener Textilstreifen auszuknobeln, aus denen das Segel schließlich zusammengenäht wurde. Woher soll schließlich der Leser wissen, ob die ganze Breite des Webstuhls ausgenutzt worden ist oder wesentlich weniger? Außerdem wird nicht jeder Webstuhl gleich groß gewesen sein. 


Ärgerlich 😠

So eine Auslassung wie die obige ist etwas ungeschickt. Richtig geärgert habe ich mich jedoch, als ich folgenden Satz lesen musste:

Reenactment bietet niederschwellige Anziehungspunkte für völkisches Gedankengut, das durch entsprechende Rockbands gesungen und hochgehalten wird.

Reenactment quasi als Einstiegsdroge zum Neonazismus? Ja hat die Frau noch alle Kirschen auf der Torte? Dieses lässig hingeschriebene Vermischen und Pauschalisieren ist schon mehr als nur fragwürdig! Damit verunglimpft sie die gesamte Reenactment- und Living-History-Szene (auch wenn es dort natürlich ein paar entsprechende Schwachmaten gibt, wobei das auch für die andere Seite des radikalen politischen Spektrums gilt - wie ich selbst schon auf Facebook-Auftritten von Darstellern gesehen habe). Man muss der Autorin allerdings zugutehalten, dass sie an anderer Stelle das Thema Reenactment wesentlich kompetenter betrachtet. 


Fazit

Ein an sich nicht uninteressantes Buch mit ein paar Fragwürdigkeiten. Obwohl ich über die Wikinger schon einige Bücher gelesen habe, konnte ich hier trotzdem noch mir bisher unbekannte Dinge erfahren. Geeignet für Einsteiger, aber nicht für Kinder und nur eingeschränkt für Jugendliche.

Tipp: Ich empfehle jenen, die an den Wikingern interessiert sind, sich die unten verlinkten Bücher/Rezensionen anzusehen. Besonders "Spurensuche Haithabu" und "Die Wikinger - Entdecker und Eroberer" sind einen näheren Blick wert.



2 Kommentare:

  1. Richard Graf (bevorzugtes Pronomen: Euer durchlauchtigste Gnaden)18. April 2021 um 04:19

    Die Autorin gehört wahrscheinlich zu denen, die überall Neonazis hervorlugen sehen und gerne aus einen Mücke einen Elefanten machen.

    Was mich bei dem Buch ansonsten aber gewurmt hat, sind die Bildtexte. Dabei ist ein paarmal geschludert worden. Wozu gibt es ein Lektorat? Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft ist offensichtlich auch nicht mehr so wissenschaftlich wie ihr Name suggeriert.

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    1. "Wozu gibt es ein Lektorat? Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft ist offensichtlich auch nicht mehr so wissenschaftlich wie ihr Name suggeriert."

      Da liegt Euer durchlauchtigste Gnaden wohl nicht ganz falsch. Eine Altgeschichtlerin, Bibliothekarin und Lektorin im Ruhestand hat mir schon vor einigen Jahren berichtet, dass die Qualität des Lektorats in vielen Verlagen seit Jahren stetig abnimmt. Man nimmt sich einerseits nicht mehr die nötige Zeit dafür, andererseits ist auch das Personal zunehmend inkompetent. Was da etwa so als LektorIN arbeiten darf (und es sind tatsächlich überwiegend Frauen), hätte trotz akademischem Grad früher nicht einmal eine gute Sekretärin abgegeben, sagt sie.

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