Sonntag, 22. Mai 2022

💀 Wenn Liebe wirklich durch den Magen geht: Der bizarre Selbstmord der römischen Dame Porcia 🔥


Weiter geht es hier in der Reihe interessanter Schnipsel aus Polyainos' Werk "Strategika". Der Autor beschäftig sich an einer Stelle mit dem Mut, dem Einfallsreichtum und der Listigkeit antiker Frauen, die aufgrund ihrer Taten und Leistungen einst berühmt waren, heute aber in nahezu völlige Vergessenheit geraten sind. Darunter befindet sich etwa die Ehefrau des Caesar-Attentäters Brutus. Anscheinend war ihr daran gelegen, es aus Liebe dem berühmten Gatten nachzutun und mit einigem Getöse aus dem Leben zu scheiden. Ein normaler Selbstmord, etwa durch Erhängen am Dachboden oder sich die Pulsadern in der Badewanne aufzuschneiden (wie es 100 Jahre später Seneca tat), kam für sie nicht in Frage. Nein, es musste schon etwas mit mehr Drama und vor Augenzeugen sein, über das die Römer selbst Jahrhunderte nach ihrem Tod noch sprechen würden. Überhaupt scheint die gute Frau etwas verhaltensauffällig gewesen zu sein (möglicherweise tue ich hier einem verzweifelten Menschen nachträglich Unrecht, aber wer weiß nach über 2000 Jahren schon noch, was sich dazumal wirklich zutrug - die Geschichte könnte im Angesicht der damaligen politischen Gemengelage sogar von vorne bis hinten eine Propaganda-Lüge sein, oder eben auch nicht ...).

Porcia, die Tochter des (jüngeren Marcus Porcius) Cato und Gattin des Brutus, die ihren Mann im Verdacht hatte, dass er Caesar nach dem Leben trachtete, schnitt sich mi einem Scherenmesser in den Schenkel, um damit ihre Standhaftigkeit bei körperlichem Schmerz und die Stärke ihrer Seele zu zeigen. Jetzt vertraute ihr Brutus das Geheimnis an. Sie selbst brachte ihrem Mann ihre Untergewänder und darin einen Dolch. Brutus näherte sich mit seinen Genossen dem Caesar und ermordete ihn. Nachdem er mit Cassius in Makedonien gegen Augustus angetreten war, aber eine Niederlage erlitten und sich selbst umgebracht hatte, versuchte Porcia zuerst, sich durch Verhungern umzubringen. Da aber ihre Freunde und Verwandten dies verhinderten, ließ sie sich ein Feuerbecken bringen, als wollte sie sich salben, raffte mehrere Kohlen mit den Händen auf, war sie sich in den Mund und verschluckte sie, ehe jemand von den Anwesenden zu Hilfe kommen konnte. so endete Porcia, die strategisch dachte, dem Tod tapfer begegnete und ihren Gatten liebte.
Polyainos Strategika 8.32.1  | Übersetzung von Kai Brodersen, De Gruyter, 2017

Übrigens, auch Plutarch berichtet von dieser angeblichen Begebenheit, jedoch weniger gefühlvoll bzw. blumig (Brutus 53,5).

Interessant ist an der Schilderung des Polyainos, dass Porcia scheinbar 'zwangsernährt' wurde, denn wie anders ist es erklärbar, dass sie sich nicht durch Verhungern hatte umbringen können 🙄? Oder mangelte es ihr einfach am nötigen Durchhaltevermögen? Der finale - und auch gelungene - Selbstmordversuch erweckt überdies den Eindruck, dass die Frau bereits unter ständiger Beobachtung stand, weil das soziale Umfeld ihre Lebensmüdigkeit erkannt hatte und Schlimmes verhindern wollte. Vergebens, wenn wir der Überlieferung glauben schenken wollen. Und doch ist es gerade Porcias dramatischer Selbstmord, aus Liebe zum toten Ehemann Marcus Iunius Brutus, der sie in den Augen ihrer Zeitgenossen und darüber hinaus zum Tugend-Vorbild machte. Siehe etwa das obige Gemälde aus dem 17. Jahrhundert.


Exkurs: Wer mutmaßt, dass "Porcia" sich verdächtig nach "Schwein" anhört, liegt richtig. "Porcia" ist die weibliche Version des alten römischen Familiennamens "Porcius", der sich wiederum vom lateinischen Wort für Schwein, "porcus", herleitet. Da Frauen dazumal bei den alten Römern noch keine eigenen Vornamen führten (das kam erst später) verwendeten sie die besagte weibliche Variante des Familiennamens. Heute würde es beispielsweise so aussehen, dass man eine Frau aus dem Geschlecht der "Maier" als "Maierin" anspricht.
Freilich, wenn aufgrund dieser Praxis alle weiblichen Familienmitglieder den gleichen Namen trugen, dann konnte das gerade bei großen Familien zu ständigen Verwechslungen führen. Daher kamen wohl häufig Namenszusätze (z.B. "die alte ..., die junge ...) und Spitznamen zum Einsatz, welche eine eindeutige Unterscheidung ermöglichte. 



4 Kommentare:

  1. "Die nennen ihre Tochter nach einem Auto?!"
    [Sry. Das ist es, was der Name Portia/ Porcia bei mir seit 30 Jahren auslöst...]

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    1. In den USA gibts ja sogar den weiblichen Vornamen Porscha/Porsha - angeblich zurückgehend auf die Automarke. https://en.wiktionary.org/wiki/Porscha

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  2. Einfacher wäre es gewesen, wenn die Gute sich einfach von der Stadtmauer oder einem Felsen gestürzt hätte. Bei sieben Hügeln sollte sich dafür doch ein passendes Plätzchen finden?!
    ;-)
    W.T.C.

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    1. Wie bei Tarpeia und dem nach ihr benannten Felsen ;)

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