Samstag, 1. April 2023

📖 Zeitschrift Bayerische Archäologie - Heft 1.23: Mithras-Kult, Denkmalschutz-Schweinerei und Krokodilstränen wegen einem "geraubten" Keltenschatz

Bayerische Archäologie | Mithras - Mysterien - Kult
Der geheimnisumwitterte Mithraskult

Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des Hefts "Bayerische Archäologie" ist der Mithraskult; eine ca. im 1. Jahrhundert nach Christus im Römischen Reich aufkommende 'Geheimreligion', die sich vor allem unter Soldaten großer Beleibtheit erfreute. Grundlage für den Mysterienkult war der altpersische Gott Mitra, dessen Verehrung bis weit in die Bronzezeit zurückreicht.
Da der Mithraskult nicht öffentlich, sondern im Geheimen zelebriert wurde - und Eingeweihte nicht mit Außenstehenden darüber sprechen durften - wissen wir heute sehr wenig darüber. Und doch gibt es einige Zeugnisse, etwa in Form von bildlichen Darstellungen des Gottes, in denen er typischerweise einen Stier tötet. Und sogar das eine oder andere Mithräum hat sich erhalten; solche unterirdischen Höhlen oder halb vergrabenen Bauten der Kult-Anhänger fanden Archäologen und 'Innen' nicht nur in italienischen Städten wie Ostia und Vulci, sondern auch nördlich der Alpen - z.B. in Stockstadt am Main, in Mühltal am Inn und in Königsbrunn; die Überreste des letzteren Mithräums wurden mit einer schützenden Überbauung versehen und können von Interessierten besichtigt werden.

In mehreren Artikeln wird ein guter Überblick hinsichtlich des Mithraskults gegeben. Beispielsweise ist zu lesen, dass es in den Kultgemeinschaften eine hierarchische Gliederung nach Weihegraden gab (in aufsteigender Reihenfolge): Rabe, Bräutigam/Puppe, Soldat (miles), Löwe (Leo), Perser (perse), Sonnenläufer (heliodromus), Vater. Wobei, wie es heißt, nicht jeder Eingeweihte auch automatisch einen Weihegrad besessen haben soll, sondern nur eine kleine Gruppe. Außerdem mussten sich Anwärter auf eine Mitgliedschaft im Rahmen einer Initiation Prüfungen unterziehen; eventuell in Form von regelrechten Mutproben. Bestand man diese, war man Mitglied einer exklusiven und gewissermaßen elitären Vereinigung. Kurz gesagt: Man durfte sich wichtig fühlen (wer hier meint, Parallelen zum Brimborium und Getue diverser Freimaurerlogen zu erkennen, dürfte nicht komplett falsch liegen). Der Unterschied zum Christentum, das allen offenstand, also auch Frauen, wird hier offensichtlich. Vermutlich nicht zuletzt deshalb war die christliche Religion schlussendlich wesentlich erfolgreicher.

Vermisst habe ich eine wirklich kritische Auseinandersetzung bezüglich des Verhältnisses, welches der Mithraskult zum frühen Christentum hatte. Es gibt nämlich Forscher, die - wie ich finde - sehr glaubwürdig gezeigt haben, dass das Christentum beim altpersischen Gott Mitra und beim römischen Mithraskult abgekupfert hat (ohnehin ist im Neuen Testament erstaunlich wenig Originäres zu finden; die Jungfrauengeburt, die Auferstehung drei Tage nach dem Tod, der "Stern von Bethlehem" usw. gab es längst alles in älteren Religionen).


Denkmalschutz-Schweinerei in Neumarkt-St.Veit

Auch in diesem Heft wird wieder über einen üblen Fall von Baudenkmalzerstörung berichtet. Der aktuellen Eigentümer des im frühen 18. Jahrhundert errichteten Fischerhäusels - ursprünglich Teil des 1803 aufgelösten Klosters St. Veit an der Rott - hat um die Abbruchbewilligung des Gebäudes angesucht. Und zwar nachdem in den vergangenen zwei Jahrzehnten die im Dach entstandenen Löcher unrepariert gelassen wurden.
Ich vermute dahinter Vorsatz. Die Bausubstanz des denkmalgeschützten Hauses wurde durch eindringenden Regen und Schnee dermaßen geschädigt wird, dass es schließlich leicht fiel, den staatlichen Sanktus für den Abriss zu erhalten. Das ist ja ein bekanntes Spielchen von Immobilieneigentümern, die so gerne den Denkmalschutz aushebeln. Und der Parteipolitik ist - abzulesen an der inadäquaten Gesetzeslage - dergleichen wurscht. Vielleicht kein Wunder, lassen Politiker sich doch u.a. von großen Immobilienfinanzierern - das sind etwa Banken - bestechen sponsern. "Wer zahlt, schafft an", heißt es bekanntlich.


Als in Manching ein Keltenschatz gestohlen wurde - und warum mich das zum Lächeln brachte...

Dem gestohlenen Keltenschatz von Manching (Bayern) wurde ein immerhin zweiseitiger Beitrag gewidmet - freilich erst rund fünf Monate nach dem Diebstahl im November 2022...
Apropos "Diebstahl:" Warum wohl der Autor nicht diesen Begriff verwendet, sondern im vorliegenden Kontext völlig unrichtig mehrfach "Raub" schreibt? Um bloßes Unwissen handelt es sich dabei sicher nicht, denn es wird ja an anderer Stelle im Text darauf hingewiesen, dass die Polizei wegen "schwerem Bandendiebstahl" ermittelt. 
Wir dürften es hier also bei der Wortwahl mit jener unwissenschaftlichen Rabulistik zu tun haben, die Archäologen und vielen ihrer Groupies längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Dies findet ja auch im ebenfalls juristisch hochgradig blödsinnigen Begriff "Raubgrabung" seinen entlarvenden Ausdruck.

Aber um zu dem besagten Diebstahl zurückzukommen: Als ich davon zum ersten Mal las, habe ich innerlich gelächelt. Nicht nur, weil ich ein Freund von guten Heist-Movies wie "Der große Eisenbahnraub" (1979) oder "Oceans Eleven" (2001) bin. Nein, vielmehr war ich - in Kenntnis ähnlicher Ereignisse in der Vergangenheit - davon überzeugt, dass dieser Kriminalfall in wunderbarer Weise wieder einmal die Heuchelei und schiere Verlogenheit der archäologischen Community sichtbar machen wird. Und ich lag nicht falsch, wie das sofort einsetzende Geheule bestätigte: Über eineinhalb Millionen soll der Goldhaufen wert sein, hieß es. Ganz furchtbar ist daher angeblich sein Verlust. 

Doch warum eigentlich? Sind es nicht die Archäologen, die im Rahmen ihrer oft schrillen Kritik an der privaten Metallsucherei ("Sondengehen") der Öffentlichkeit gebetsmühlenartig erzählen, der Befund wäre viiiiiel wichtiger als der Fund an sich? Da nun aber der bereits 1999 entdeckte Keltengoldschatz längst wissenschaftlich bestens untersucht und dokumentiert wurde (und diese Art Fund in der Regel sowieso keinen überragenden Wert für die Wissenschaft besitzt), stellt sich die Frage, warum man nun den Verlust zu einer Katastrophe hochjazzt? Die archäologische Forschung hat doch längst bekommen was sie wollte. Oder geht es diesen Damen und Herren schlussendlich doch auch ums Geld? Beispielsweise hinsichtlich des Monetarisierens solcher aufsehenerregenden Funde mittels Zurschaustellung in staatlichen Museen? Etwas, das schließlich vielen Historikern und Archäologen ein recht bekömmliches Auskommen sichert...
Ja, so dürfte der Sachverhalt tatsächlich sein; heißt es doch im Artikel, dass der Schatzfund einer der Hauptgründe für den Bau eines Museums vor Ort war. Das bedeutet, die Schreier und Krokodilstränenvergießer haben immer auch ihre persönlichen wirtschaftlichen und beruflichen Interessen im Auge. Weil sie aber diesen Egoismus natürlich öffentlich schlecht eingestehen können, ohne ungut dazustehen, verschleiern sie alles mittels nobel klingenden Schwafelphrasen wie 'im Interesse der Allgemeinheit' usw. (wobei ich keinen Zweifel hege, dass etliche der Protagonisten längst auch ihre eigenen Pseudoargumente vom rein selbstlosen Handeln usw. glauben; Stichwort 'Autosuggestion').

Es bleibt im konkreten Fall die Frage nach Schuld bzw. Verantwortung. Wie im Artikel zu lesen ist, war etwa die Anlage zur Videoüberwachung dermaßen veraltet, dass das Bildmaterial nicht verwertet werden konnte. Dass allem Anschein nach außerdem nur ein stiller Alarm ausgelöst wurde - der wegen gekappten Festnetzleitungen ins Nirgendwo führte - war offenbar auch nicht der Weisheit letzter Schluss (besonders nicht in Zeiten mobiler Datenübertragung per Funk). Maximaler Radau vor Ort macht in der Regel hingegen nicht nur die Täter nervös, sodass sie vorzeitig das Weite suchen; vielmehr hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass Augenzeugen auf den Plan gerufen worden wären.
Aber irgend ein Oberg'scheiter - der irgendwann einmal für das Sicherheitskonzept zuständig gewesen ist - wusste halt alles besser. Und der Museumsleiter hat sich danach offenbar auch nicht mehr viel geschert. Mit dem bekannten Ergebnis. Leider ist das kein Einzelfall, wie änliche spektakuläre Museumseinbrüche in den vergangenen Jahren gezeigt haben. 



4 Kommentare:

  1. Guter Punkt, den du hier im Zusammenhang mit dem Mithraskult erwähnst, lieber Hiltibold! Die Erzählungen über Jesus in den Evangelien finden erstaunlich viele Parallellen in älteren Quellen. Mindestens ein Dutzend Götter hat Merkmale von Jesus gehabt - lange vor Jesus! Zum Bsp soll im 10. Jh. v. Chr. der hinduistische Krishna von einer Jungfrau geboren worden sein und ein im Osten leuchtender Stern kündigte das Ereignis an (darauf hast du wahrscheinlich mit dem Stern von Bethlehem angespielt). Ein Herrscher soll unzählige Säuglinge ermordet haben lassen, in der Hoffnung, dabei auch Krishna zu erwischen! Auch der grichische Gott Attis ist von einer Jungfrau geboren woryen, und zwar am 25. Dezember. Nach seinem Tod ist er wieder auferstanden.
    Jetzt noch zu Mitra aus Persien. Auch der ist am 25. Dezember geboren worden, zog mit 12 Schülern (Jünger durchs Land), vollbrachte Wunder und ist von den Toten auferstanden.
    Diese Liste könnte man noch ganz lange fortführen.
    Wünsche dir einen schönen Sonntag!

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    1. Ja, dazu gibt es tatsächlich jede Menge an interessanten Beispielen. Die verschiedenen Religionserfinder haben im großen Stil voneinander kopiert, ähnlich Hollywood-Drehbuchautoren heute. Elemente, die beim Publikum gut ankamen, wurde immer und immer verwendet.

      Auch dir einen schönen Sonntag.

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    2. Werner Papke hatte zu den Todes- und Auferstehungserzählungen von Gilgamesch bis Mithras eine recht plausible astronomisch/ "astrologische" Deutung. So betrachtet, wären die Ähnlichkeiten der levantischen Göttergeschichten, als eine Art Jahreszeitenkalendergeschichten zu saisonalen Sternbildern, eher zwingend.

      Frage mich gerade, warum ich dem Stapel ungelesener Bücher noch keines von Papke hinzugefügt habe... (Ich kannte bis jetzt nur ein paar Essays.)

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    3. Das hört sich sehr interessant an. Auch der Grieche Hesiod hat typische saisonale Sternbilder, die für die Landwirtschaft (z.B Zeitpunkt für Aussaat) wichtig waren, mit Göttern in Verbindung gebracht.

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