Donnerstag, 5. Oktober 2023

⚔️ Warum die Spartaner Bilder von Superhelden auf die Nachtkästchen ihrer schwangeren Frauen stellten


Kürzlich brachte eine gute Freundin ihr drittes Kind zur Welt. Passend dazu bin ich ungefähr zur gleichen Zeit durch Zufall auf einen ungewöhnlichen Brauch der berühmt-berüchtigten Spartaner gestoßen. Im antiken Werk "Kynegetika" beschreibt ihn der Autor folgendermaßen. 

Die Lakonier (=Spartaner) erdenken sich solche Listen sogar für ihre eigenen Frauen, wenn sie schwanger sind. Neben sie stellen sie mit strahlenden Schönheiten bemalte Täfelchen auf, junge Männer, die ehemals unter den Sterblichen glänzten. Nireus, Narkissos, Hyakinthos mit der starken Lanze, Kastor mit dem starken Helm, und Polydeukes, der den Amykos tötete. Jünglinge, die von den herrlichen Göttern geliebt werden, dazu auch Phoibos (=Apollon) mit Lorbeer im Haar, und den efeutragenden Dionysos. Die Frauen aber freuen sich über den vielgeliebten Anblick und gebären von der Schönheit beeinflusst Schönheiten.
Pseudo Oppian | Kynegetika I, 358-367 | Übers: Stephan Renker | De Gruyter, 2021

Ob das tatsächlich so einfach funktioniert hat, sei mal dahingestellt 😉. Allerdings fällt auf, dass anscheinend nur männliche Schönlinge als Vorlage verwendet wurden. Was freilich nicht ganz verwunderlich ist, haben wir es hier doch mit den militaristischen Spartanern zu tun, die bis heute für ihren aspektreichen Männlichkeitskult bekannt sind.
Es liegt deshalb auch der Verdacht nahe, dass man mit dem Aufstellen von ausschließlich Männer-Bildnissen das Geschlecht des Kindes im Bauch der Schwangeren beeinflussen wollte. Anders als heute - und das mag uns regelrecht verrückt vorkommen - konnte man sich dazumal noch nicht nachträglich nach persönlichem Gusto oder jeweiliger Tageslaune aussuchen, ob man Männlein oder Weiblein sein möchte.

Nicht nur bei den längst im Staub der Geschichte versunkenen Spartanern stand männlicher Nachwuchs wesentlich höher im Kurs als weiblicher. Das zieht sich vielmehr durch praktisch alle Zeiten und Kulturkreise. Selbst bei der Ein-Kind-Politik Chinas kam diese Präferenz noch zum Tragen. Abzulesen ist das an dem Umstand, dass im Reich der Mitte heute ein Frauenmangel herrscht, da weibliche Föten in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich häufiger als männliche abgetrieben wurden. Auch Morde an weiblichen Neugeborenen sollen öfter vorgekommen sein. Das wiederum führt uns zu den Spartanern zurück, denn die werden vom antiken Geschichtsschreiber Plutarch bezichtigt, dass sie jene Kinder/Buben töteten, die dem Ältestenrat als körperlich zu schwach erschienen. Konkret heißt es in der Biographie des spartanischen Gesetzgebers Lykurgos:

Das zur Welt Gekommene aufzuziehen unterlag nicht der Entscheidung des Erzeu­gers, sondern er hatte es an einen Ort zu bringen, Lesche genannt (Sprechhalle), wo die Ältesten der Gemeindegenossen saßen und das Kind untersuchten und, wenn es wohlgebaut und kräftig war, seine Aufzucht anordneten und ihm eins der neuntausend Landlose zuwiesen; war es aber schwächlich und missgestaltet, so ließen sie es zu der so genannten Ablage (Apothetai) bringen, einem Felsabgrund am Taygetos. Denn sie meinten, für ein Wesen, das von Anfang nicht fähig sei, gesund und kräftig heranzu­wachsen, sei es besser, nicht zu leben, sowohl um seiner selbst wie um des Staates willen.
Plutarch | Große Griechen und Römer, Band I, Lykurgos | Übers.: Konrad Ziegler | Artemis und Winkler

Inwieweit das wirklich zutraf, können wir heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Möglich ist z.B., dass diese grausame Vorgehensweise zwar in einem bestimmten Zeitabschnitt der über viele Jahrhunderte andauernden spartanischen Geschichte existierte, in anderen jedoch nicht. 
Doch wenn es wirklich einmal so war, dann könnte diese unschöne Aussicht für viele Eltern ein starker Ansporn gewesen sein, mittels 'übernatürlichen' Praktiken darauf hinzuwirken, dass das Kind ein kerngesunder Bub wird. Und vielleicht war es ja gerade der grausame Brauch der Kindstötung, der bei den Spartanern auch zum wesentlich harmloseren Brauch der aufgestellten Bildtäfelchen führte. 

—————–



6 Kommentare:

  1. Schon interessant, dass man in einem Buch über die Jagd etwas über schwangere Spartanerinnen finden kann. 🙂
    Antike Schriftquellen stecken voller Überraschungen!
    W.T.C.

    AntwortenLöschen
  2. Speziell wegen dem Brauch des Kindermordes, der starke eugenische Züge trägt, waren mir die Spartaner immer schon sehr unsympathisch.
    Ich finde es befremdlich, dass es moderne politische Gruppierungen gibt, die sich ausgerechnet die Spartaner als Idole auserkoren haben und mit deren Symbolik spielen. Aber wie du ja schreibst: "Männlichkeitskult". Der und die Thermopylenschlacht sind im Film "300" komplett glorifiziert worden und überlagern in der Popkultur anscheinend heutzutage alles andere, was dieses Volk noch ausgemacht hat.

    Didi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, der moderne, mitunter politisch vereinnamte Kult um die Spartaner wirkt oft peinlich. Das kommt freilich dabei heraus, wenn man auf der Basis von Halbwissen agiert. Oder schlimmer noch, wenn man die Fakten zwar kennt, diese aber, weil sie nicht zur angestrebten Deutungsweise passen, einfach beiseite wischt.

      Die in der Tat an Eugenik erinnernden Kindsmorde - aber auch die Helotenmorde wollen wir nicht vergessen - disqualifizieren die Spartaner eigentlich als moderne Idole oder auch nur als Vorlage für irgendwelche Symbole. Außer man möchte sich als geschichtsvergessener Ignorant oder als empathieloser Kotzbrocken inszenieren.

      Löschen
    2. Bei euch in der Alpenrepublik hat man doch sogar irgend ein spartanisches Zeichen verbote , soweit ich richtig informiert bin?
      Liebe Grüße,
      Fidibus

      Löschen
    3. Ja, den griechischen Buchstaben Lambda im Zusammenhang mit der IBÖ.
      Wobei das Symbolegesetz nach meinem Dafürhalten mindestens genauso dämlich wie der infantile Spartanerfetisch selbst ist.

      Löschen
    4. Ach so war das, danke, das habe ich dann irgendwie anders verstanden gehabt. Dachte es ging um einen Fußballverein bzw. Hooligans/Ultras.
      Fidibus

      Löschen

Kommentare werden entweder automatisch oder von mir manuell freigeschalten - abhängig von der gerade herrschenden Spam-Situation und wie es um meine Zeit bestellt ist.