Im nun schon einige Wochen zurückliegenden 1. Teil habe ich vor allem davon berichtet, wie ein ottonenzeitliches Messer nicht aussehen sollte und welche im Netz frei zugängliche Literatur für die Recherche besonders hilfreich sein kann (ich verlinke noch einmal darauf am Ende des Beitrags).
Nachdem ich die benötigten Informationen gesammelt und ausgewertet hatte, beauftragte ich Schorsch den Schmied mir das Messer anzufertigen; sein Kollegen Aulus von der Ledermanufaktur war für die Messerscheide zuständig.
Dieser Tage ist das nach meinen Wünschen angefertigte Messer eingetrudelt und ich kann es nun im Rahmen dieses Blogs ein wenig unter die Lupe nehmen. Vorweg aber einige allgemeine Informationen:
Charakteristisch für ein der Ottonenzeit zuzuordnendes Messer ist eine Klinge mit mehr oder weniger geradem Rücken; daneben gab es durchaus noch andere Formen. Die durchschnittliche Klingenlänge beträgt rund 9 cm; allerdings gibt es auch hier etliche Funde, die eine Ausnahme von der Regel darstellen. Für den Griff kommen Holz, Horn und Elfenbein in Frage; wobei Holz besonders häufig Verwendung fand (auch gab es in ottonischer Zeit Messergriffe, die lediglich aus der tordierten Griffangel bestanden, wie westslawische Funde belegen). Bei etlichen Messern verbreitert sich der Griff außerdem am hinteren Ende.
Vor allem ein Thema muss ich noch einmal ansprechen: Griffplätchen, siehe die Zeichnung im ersten Teil, gab es im 10. und frühen 11. Jh., also in ottonischer Zeit, wohl keine. In der Arbeit von Holtmann heißt es, dass diese Technik bei normalen Messern (also keinen Saxen) erst für das 12. Jh. sicher nachweisbar ist. Jedoch der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass an anderer Stelle geschrieben steht, dass zwingenartige, metallene Einfassungen des Griffstücks (quasi Griffplättchen), sowie Knäufe, bei Messern die in den dänischen Mooren Kragehul und Nydam gefunden wurden, in das 4.-5. Jahrhundert datieren. Zurecht kann man hier anmerken, dass dies der Aussage, es habe Griffplättchenmesser erst ab dem 12. Jh. gegeben, widerspricht. Trotzdem, zumindest für ottonische Zeit scheint es keine eindeutigen Belege dafür zu geben. Man ist demnach auf der sicheren Seite, wenn man auf Griffplättchen bei seinem Messernachbau verzichtet.
In Schweden wurden außerdem ins 9. und 10. Jahrhundert datierte Messer bzw. Messergriffe gefunden, die teilweise mit Silberdraht umwickelt waren. Auf Zeichnungen und einigen Fotos sehen diese Drahtwindungen allerdings manchmal so aus, als handle es sich um Griffplättchen aus Metall. Hier besteht demnach eine gewisse Verwechslungsgefahr! Ähnlichs gilt für ausgeschmiedete Verdickungen am Übergang zwischen Klinge und Angel. Sie können bei oberflächlicher Betrachtung ebenfalls mit Griffplättchen verwechselt werden.
Was es in ottonischer Zeit unzweifelhaft gab, wenn auch in recht geringem Umfang, sind Metallhülsen bzw. -Manschetten, die die Griffenden umschließen um ein Aufspleißen des Holzes zu verhindern. Auch dies mag für das nicht ganz so geübte Auge, und da nehme ich mich nicht aus, manchmal wie eine massive Griffplatte aussehen.
Typische ottonenzeitliche Messer waren übrigens Griffangelmesser, keine Griffzungenmesser.
Die aus einem nicht rostfreien Stahl (C60) geschmiedete Klinge (gut 14 cm lang, ohne Griffangel) (Foto: Schorsch der Schmied) |
Die geschliffene und polierte Klinge, sowie der noch ungeschliffene Griff aus Zwetschgenholz (Foto: Schorsch der Schmied) |
Der Griff wurde auf die erhitzte Griffangel aufgesteckt und mit Birkenteer verklebt (Foto: Hiltibold - No rights reserved) |
Das ca 2,5 mm starke Rindsleder der Messerscheide, wurde von Hand vernäht (Foto: Hiltibold - No rights reserved) |
Das Messer, schön verpackt. Mit der Lederschlaufe wird es am Gürtel befestigt. (Foto: Hiltibold - No rights reserved) |
Detailaufnahme der Messerscheide bzw. der Naht aus Leinengarn (Foto: Hiltibold - No rights reserved) |
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Weiterführende Informationen:
- Der Ottonik-Kitguide von Wilhaim.de bietet einen leicht verständlichen und umfangreichen Überblick zu Kleidung, Bewaffnung und sonstiger Ausrüstung des 10. und frühen 11. Jahrhunderts (im deutschen Sprachraum): Klick mich
- Gerhard Folke Wulf Holtmann geht in seiner umfangreich bebilderte Dissertation detailliert auf die im Mittelalter und der frühen Neuzeit verwendeten Messer ein; es wird vor allem der Zeitraum vom 8. bis zum 17./18. Jh. behandelt. Die Arbeit ist ziemlich genau 20 Jahre alt und, so könnte man eventuell einwenden, nicht mehr auf dem letzten Stand der Forschung. Da sie allerdings überwiegend auf statistischen Erhebungen beruht - konkret ausgedrückt, auf weit über 1000 breit gestreuten Einzelfunden - dürften auch zwischenzeitlich gemachte Neufunde, die in der Arbeit getroffenen Aussagen kaum verändern: Klick mich
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