Montag, 13. Januar 2014

Zu Gast bei den Germanen


Vor einiger Zeit bat mich ein Freund darum, ich möge doch seine selbstverfasste Kurzgeschichte begutachten. Dabei ging es ihm besonders um meine Meinung zu einigen historischen Details der im eisenzeitlichen Germanien angesiedelten Handlung.
Nun, das historische Drumherum war wirklich vorbildlich recherchiert, so dass ich letztendlich nur einen winzig kleinen Verbesserungsvorschlag parat hatte: Eine zu einem Festmahl geladene Gruppe von Germanen wurde als "Gäste" bezeichnet. Das jedoch ist nicht völlig korrekt, denn in der germanischen Dichtung nannte man in erster Linie Personen, die quasi unangemeldet das Haus betraten "Gäste" - so z.B. Reisende die ein Quartier für die Nacht suchten. Geladene, dem Hausherrn bekannte Menschen, waren hingegen "Gebotene".
Der mit "Gast" verwandte lateinische Begriff "hostis" weist anschaulich darauf hin, dass ursprünglich eine fremde Person gemeint war, von der man nicht genau wusste, ob sie einem freundlich oder feindlich gesinnt war. "Hostis" bedeutet nämlich Fremder bzw. Feind. 

Trotz dieses im Wort "Gast" steckenden Argwohns, war die sogenannte "Gastfreundschaft" bei den Germanen ein besonders hohes Gut, wie etwa Caesar berichtet:
 Sie betrachten es als eine Schande einen Gast zu beleidigen. Wer es auch sein mag und welche Ursachen ihn auch dazu veranlassen die Gastfreundschaft anderer zu suchen, sie beschützen ihn gegen Unrecht. Er gilt als heilig, alle Häuser stehen ihm offen und das Essen ist für ihn bereit (Caesar, De Bello Gallico, Buch VI, 23)
Sobald sich ein Gast an der Tafel niedergelassen hatte, musste der Hausherr mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für dessen Schutz sorgen, da das Unglück des Gastes rasch zum Unglück der gesamten Hausgemeinschaft werden konnte
Freilich, diese herzliche Gastfreundschaft über Gebühr auszunutzen galt als unschicklich. So heißt es etwa in (einer angestaubten Übersetzung) der Hávamál:
Geh beizeiten, als Gast nicht weile immer an einem Ort; 
der Liebe wird lästig, der allzu lang an fremdem Feuer sich wärmt (Edda, Havamal, I, 35)
Bei etlichen US-Amerikanern gilt es übrigens als typisch deutsch, nach einer Party noch ungebührlich lange sitzen zu bleiben. Wie sich die Zeiten und Sitten doch ändern ;)

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4 Kommentare:

  1. Interessant das mit Gast und Gebotene wußte ich auch nocht nicht.
    Ha hab ich wieder was dazugelehrnt.

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    1. das mit Gast und Gebotene wußte ich auch nocht nicht.

      Ich bis vor ca einem halben Jahr auch nicht ;)
      Und wenn man man sich manch moderne Übersetzungen germanischer/nordischer Texte ansieht, dann dürfte sich wohl auch einigen Germanisten der Unterschied zwischen Gast und Gebotenem noch nicht so ganz erschlossen haben...

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  2. Gibt es einen Verweis auf die genannte Kurzgeschichte?

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    1. Die Kurzgeschichte war eine Arbeit für die Uni und wurde, soweit ich weiß, nie veröffentlicht.

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