Mittwoch, 26. März 2014

Die Waffen der Germanen und eine etwas vorschnelle These


Nicht zuletzt in Living-History-Kreisen stößt man immer wieder auf die These, wonach die Spatha - also das zweischneidiges Langschwert - im germanischen Frühmittelalter angeblich weitestgehend der Oberschicht vorbehalten war. Die Offensivwaffen des durchschnittlichen Bauernkriegers seien hingegen der Sax, der Speer und eventuell die Kriegsaxt gewesen. 
Grundlagen dieser Annahme sind diverse archäologische Erkenntnisse. Konkret ist damit gemeint, dass Langschwerter hauptsächlich in jenen Gräbern als Beigaben lagen, die insgesamt verhältnismäßig reich ausgestattet waren und somit den führenden Mitgliedern einer Gemeinschaft zugeordnet werden konnten. Aus dieser Fundsituation leitet man in weiterer Folge ab, dass die Spatha für den Otto-Normal-Krieger einfach zu teurer war.
Nun, "zu teuer" mag zutreffen, allerdings nicht unbedingt in dem Sinne, dass sich der freie Bauer kein Langschwert leisten konnte. Eher dürfte solch eine Waffe für viele Familien eine zu kostspielige Investition dargestellt haben, um sie nach dem Tode des Besitzers einfach in der Erde zu vergraben. Stattdessen hätte sie auch so lange weitervererbt werden können, bis sie reichlich verschlissen in die Brüche ging.

Dass Kriegsgerät tatsächlich vererbt wurde - auch innerhalb der Oberschicht - zeigt übrigens ganz konkret jener Spangenhelm, der im Grab des fränkischen Herrn von Morken entdeckt wurde (Bild). Anhand stilistischer Vergleiche mit einem Fund aus Krefeld-Gellep wurde festgestellt, dass dieses Stück mindesten über drei Generationen hinweg in Gebrauch war, bevor man es als Grabbeigabe seinem endgültigen Schicksal zuführte. Die Vorfahren des Verstorbenen wurden also vermutlich ohne Helm bestattet, obwohl sie zu Lebzeiten sehr wohl einen metallenen Kopfschutz trugen.
Doch warum kam dieser Spangenhelm letztendlich doch unter die Erde, anstatt ihn, wie bis dahin üblich, an die Verwandtschaft weiterzureichen? Nun, kaputt bzw. unbrauchbar war er nicht. Möglicherweise hatte der Herr von Morken aber niemanden an den er ihn vererben konnte. Oder aber sein Erbe besaß ein schöneres Stück, das weniger abgetragen aussah. Denkbare Möglichkeiten gibt es hier viele.

Grundsätzlich muss die Frage gestellt werden, inwieweit das Grabinventar überhaupt die tatsächliche Ausrüstung wiederspiegelte, die ein bestimmter Krieger zu Lebzeiten trug. Beispielsweise wurden metallene Kettenhemden, Schuppen- und Lamellenpanzer selbst in reich bestückten Gräbern kaum gefunden. Dieser Umstand sollte jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass hier einfach die Verbreitung sehr gering war, denn nicht einmal im mit etlichen Kostbarkeiten versehenen Grab des fränkischen Königs Childerich befand sich ein entsprechender Panzer, obwohl gerade dieser Herrscher nicht nur den Anschaffungspreis problemlos begleichen konnte, sonder vermutlich sogar auf seinem eigenen Siegelring in einem Schuppenpanzer dargestellt wurde.
Wenn also selbst den obersten Herrschaftsträgern kostspielige Waffen bzw. Schutzwaffen nur zum Teil auf ihre Reise ins Jenseits mitgegeben wurden, dann dürfte dies in weniger begüterten Kreisen noch viel eher die übliche Vorgehensweise gewesen sein.

Mein persönliches Fazit - das nicht den Anspruch erhebt, der Weisheit letzter Schluss zu sein:
Anhand der Fundsituation auf die tatsächliche Verbreitung von Waffen oder ähnlichen Objekten zu schließen, ist eine relativ problematische Herangehensweise, die eventuell in qualitativ nicht einwandfreie Thesen mündet. Größte Vorsicht ist hier angebracht.


Weiterführende Literatur:
  • A. Strassmeir, A. Gagelmann | Das fränkische Heer der Merowingerzeit - Teil I (Bekleidung, Rüstung,...) | Zeughaus Verlag | 2014 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
  • A. Strassmeir, A. Gagelmann | Das fränkische Heer der Merowingerzeit - Teil II (Schwert, Schild,...) | Zeughaus Verlag | 2014 | Meine Rezension | Infos bei Amazon
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5 Kommentare:

  1. Ist ein sehr stimmiger Artikel , wenn man bedenkt das selbst in meiner Jugend noch Kleidung von Toten wie Anzuege an die Jungen weitergegeben wurden ja in manchen Doerfern das sicher noch getan wird. Wieso also nicht auch Waffen und Ruestungen.

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    1. Wenn man wenig hat, dann muss man in der Tat mit seinem Besitz haushalten. Das scheint in unserer modernen Überfluss- und Wegwerfgesellschaft allerdings schwer vermittelbar zu sein.

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    2. Die fünf Männer, die im sog. Großhöbinger Fürstengrab (zu sehen im Museum in Greding) bestattet wurden, wurden gewaltsam getötet, wohl in einem Hinterhalt. Sie wurden ohne die üblichen protzigen Gürtelgarnituren und mit Schwertern, die eine oder mehrere Generationen alt waren, bestattet. Vermutlich waren ihre eigenen Schwerter samt Gürteln von den Tätern geraubt worden. Es gab also um 700 u.Z. in Bayern mindestens fünf Second-Hand-Schwerter, die man dann hier für eine halbwegs standesgemäße Bestattung hernahm.

      - Exilwikingerin -

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  2. Da könnten also all die männlichen Germanendarsteller, die ja mehrheitlich ein langes Schwert besitzen, ausnahmsweise kein verzerrtes Bild wiedergeben, sondern versehentlich sogar richtig liegen ;-)

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