Mittwoch, 16. Dezember 2015

Die faszinierenden Methoden zur Suche und Qualitätsprüfung von Trinkwasser in der Antike



Der Senator Sextus Iulius Frontinus schreibt Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr., dass die Trinkwasserversorung der Stadt Rom in der Frühzeit nur mittels Brunnen und Zisternen (sowie dem Fluss Tiber) gewährleistet wurde. Erst der Censor Appius Claudius ließ im Jahr 312 v. Chr. eine Fernwasserleitung errichten. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte sollten noch zehn weitere dazukommen, die das antike Rom in einem Ausmaß mit frischem Wasser versorgten, wie es in europäischen Städten erst wieder im 20. Jh. erreicht wurde.

Auf dem Land war die Situation freilich eine etwas andere. Auch hier bestand zwar die Möglichkeit Flüsse anzuzapfen, um das kostbare Nass mittels Leitungen aus Ton, Blei, Holz oder Stein/Mörtel entsprechend umzuleiten; beispielsweise berichtet der berühmte Staatsmann Marcus Tullius Cicero seinem Bruder Quintus in einem Brief, er habe einen Nachbarn gebeten, über dessen Grundstück eine kleine Wasserleitung verlegen zu dürfen. Allerdings standen etliche Landbesitzer vor dem Problem, dass sich erst gar kein geeigneter Fluss oder Bach zum Entnehmen von Trinkwasser in der Nähe befand. In diesem Fall blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen oder mehrere Brunnen (putei) zu graben bzw. graben zu lassen.
Es wäre nun freilich wenig zielführend gewesen, einfach irgendwo tiefe Suchschächte anzulegen; vielmehr musste zuerst ein geeigneter Platz ausgekundschaftet werden. Das hierfür nötige Spezialwissen wurde uns beispielsweise in der antiken Schrift De architectura privata aus dem 3. Jh. n. Chr. überliefert; der Verfasser war ein gewisser Marcus Cetius Faventinus.  Er griff etliche Punkte von Vitruvs umfangreichen Werk De architectura libri decem (spätes 1. Jh. v. Chr.) auf, bediente sich jedoch einer allgemein verständlicheren Sprache und fügte neue Erkenntnisse hinzu - wie etwa ein besseres Mischungsverhältnis für Kalkmörtel.
Von De architectura privata sind heute 22 Abschriften bekannt. Besonders in der sogenannten "Karolingischen Renaissance" scheint das Buch relativ beliebt gewesen zu sein. Aus dieser Zeit haben sich nicht nur mehrere Kopien erhalten (z.B. der in St. Gallen verfasste Codex Scletstatensis), sondern auch diverse Bibliotheksverzeichnisse, in denen zwischenzeitlich verlorene Ausgaben gelistet sind (z.B. im Kloster Reichenau). Es darf also angenommen werden, dass die Mönche des Mittelalters De architectura privata des Öfteren zu Rate gezogen haben.

Es folgen die von Faventinus erteilten Ratschlägen zur Suche und Qualitätsprüfung von Trinkwasser. Inwieweit er damit immer richtig liegt - bzw. wir ihn immer richtig verstehen - ist eine andere Frage. Interessant sind seine Einlassungen zu diesem Thema jedoch allemal.


Zuallererst beachte man die Beschaffenheit des Untergrundes, da dieser viel über Quantität und Qualität möglicher Wasservorkommen aussagen kann:
  • In Kreide/hellem Ton findet sich Wasser nur in dürftiger Menge und es ist nicht von gutem Geschmack
  • In lockerem Grobsand ist es dürftig vorhanden, schlammig und unlieblich - an tieferen Orten sogar faulig
  • In schwarzer Erde ist Wasser von sehr gutem Geschmack - es kommt dort in geringer Menge in Form von Tropfen-Feuchtigkeit aus Winterniederschlägen vor, die in kompakten, dichten Orten lagert.
  • Kies hat mittelmäßige und unbestimmte Wasseradern, allerdings von herausragender Lieblichkeit im Geschmack
  • Harter Grobsand bietet reichliche und gesunde Wasservorräte
  • Große Mengen gutes Wasser findet man auch in rotem Gestein, es ist aber Vorsicht angebracht, da es durch Risse wieder ablaufen kann
  • Am Fuß von Bergen und in basaltartigem Gestein finden sich große Mengen kühles und gesundes Wasser
  • Aus Quellen im Flachland ist das Wasser oft salzig, schwer und lau. Findet man jedoch eine Quelle von gutem Geschmack, kommt das Wasser unterirdisch aus den Bergen


Um herauszufinden, an welchen Stellen Wasser im Untergrund verborgen ist, muss wie folgt vorgegangen werden:
  • Man lege sich vor Sonnenaufgang waagerecht auf die Erde und sehe sich mit abgelegtem Kinn auf ihr um. Wo Wasser im Untergrund verborgen ist, steht häufig ein dünner Nebelschleier. 
  • Es sollte nach Pflanzen Ausschau gehalten werden, die reichlich Feuchtigkeit zum Überleben benötigen, wie z.B. die wilde Weide, die Erle, der Mönchspfeffer (Vitex), die dünne Binse, das Schilfrohr, der Efeu usw. Es ist hierbei allerdings Vorsicht angebracht, da auch ähnliche Pflanzen in nur vorübergehend feuchten Mulden wachsen!


Nach dem Auffinden einer Stelle, die obige Merkmale aufweist, muss zwecks Überprüfung ein Loch von mindestens 5 Fuß* Tiefe und 3 Fuß Breite gegraben werden. Für das weitere Vorgehen gibt es nun mehrere Möglichkeiten:
  • Man platziere bei Sonnenuntergang ein sauberes, auf der Innenseite eingefettetes Gefäß aus Bronze oder Blei umgedreht auf dem Grund des Lochs. Darüber wird nun Laub oder Schilf geworfen und zuoberst kommt eine Schicht Erde. Sollten am nächsten Tag an der Innenseite des Gefäßes Schwitzwasser bzw. Tropfen feststellbar sein, dann findet sich an diesem Ort bestimmt Wasser.
  • Weiters kann ein ungebranntes Gefäß aus Kreide (weißem Ton) in das Loch gestellt werden. Ist es am nächsten Tag aufgrund der Feuchtigkeit aufgelöst, dann findet sich an dieser Stelle Wasser.
  • Auch ein Wollvlies kann in die Aufgrabung gelegt werden. Wenn es am nächsten Tag so stark mit Wasser vollgesogen ist, dass es ausgewrungen werden kann, dann darf dies als Hinweis auf ein ausreichendes Vorkommen von Wasser gedeutet werden.
  • Stellt man eine entzündete Öllampe in die ausgehobenen Vertiefung und deckt sie ähnlich ab, wie oben beschrieben wurde, dann sollte sie, sofern es vor Ort Wasser gibt, am nächsten Tag noch brennen - weil jede Wärme Feuchtigkeit an sich zieht (???)
  • Wird in dem Loch ein Feuer gemacht - und steigt von der erwärmten Erde ringsum nebeliger Rauch (Dunst) auf - dann ist dies ein Hinweis auf Wasser.
(1 röm. Fuß/pes = 29,42 - 29,57 cm, wobei in den nördlichen Provinzen auch das pes drusianus mit 33,5 cm Verwendung fand).


Gräbt man schließlich einen Brunnenschacht und stößt tatsächlich auf auf eine Quelle, sollte die Qualität des Wassers überprüft werden; das gilt auch für Quellen, die praktischerweise direkt an der Erdoberfläche entspringen: Folgende Vorgehensweisen bieten sich hierfür an:
  • Ist eine (oberirdische) Quelle sehr klar und ohne Moos oder Anzeichen für Verschmutzung, dann ist  dies ein Hinweis, dass das Wasser beständig fließen wird und von guter Qualität ist.
  • Man beobachte, wie es um die Gesundheit jener Menschen bestellt ist, die um eine Quelle leben. Kennzeichen für reines, gesundes Wasser sind glänzende Haut, ungetrübte Augen, unbeschädigte Beine (?) und leistungsfähige Körper
  • Dem Brunnen oder der oberirdischen Quelle entnehme man Wasser und spritze einige Tropfen auf ein glänzendes Gefäß aus Bronze. Wenn es keine Flecken verursacht, ist das Wasser gut.


Weiterführende Literatur:
  • Marcus Cetius Faventinus (Autor), Kai Brodersen (Übersetzer) | De Architectura Privata / Das römische Eigenheim | Marix Verlag | 2015 | Infos bei Amazon



2 Kommentare:

  1. Danke für diese prima und informativen Seiten!

    Wenn ich eine kleine, generelle Bitte äußern darf - ich lese lateinische Stellen sehr gerne im Original nach, und da würde es mir sehr helfen (bzw. Zeit sparen), wenn die entsprechende Stellenangabe gleich mit dabei stünde, z.B. "Vitruv 8, 1ff".
    Danke, und weiter so mit dem Blog!

    - Epicuri de grege porcus -

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    1. Das kann ich gut verstehen. Bei meinen neueren Blogbeiträgen gebe ich die entsprechenden Textstellen auch in der Regel immer an.
      Und danke fürs Lob!

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