Montag, 17. November 2014

Die antike Grabstele einer griechischen Mutter

Vor einiger Zeit las ich in einer Zeitung, dass auf einer Grabstele - die der hier abgebildeten sehr ähnelte - eine glückliche Episode aus dem Leben der Verstorbenen dargestellt worden sei.
Das ist so allerdings nicht ganz richtig, denn dieses im klassischen Griechenland sehr häufig anzutreffende Motiv zeigt die im Kindbett dahingeraffte Mutter und ihr Neugeborenes beim Abschiednehmen.
Nicht selten wird hierbei der relativ eng in Binden oder Tücher gewickelte Säugling von einer Dienerin/Sklavin (u.a. erkennbar am Kurzhaarschnitt) der Mutter noch einmal hingehalten. Als Hausherrin - sprich als Autoritätsperson - sitzt diese meist auf einem Stuhl. 
In einigen Fällen strecken Mutter und/oder Kind auch die Hände (vergeblich) nach dem jeweils anderen aus, was in berührender Weise symbolisieren soll, dass man sich nach dem Tode nicht mehr erreichen kann - siehe etwa dieses anschauliche Beispiel

Ich bin ja eigentlich nicht der große Leserbriefschreiber, trotzdem wies ich die Zeitung darauf hin, dass ihre Interpretation der Grabstele nicht gerade das Gelbe vom Ei ist. Und ich erhielt tatsächlich eine Antwort. Die verantwortliche Journalistin erklärte mir darin, dass ihre Ausführungen auf der Presseaussendung jenes Museums beruhen, um das es im Artikel primär ging. Gerade dort sollte man es doch aber eigentlich besser wissen :(

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4 Kommentare:

  1. So etwas kenne ich gut. Auf einem Flyer des British Museum stand in großen Buchstaben "Amphoras" und darunter waren alle möglichen antiken Gefäße abgebildet, vom Kados bis zum Krater. Nur Amphore war keine einzige dabei :-)
    QX

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    1. Ehrlich gesagt, einen Krater könnte ich noch von einer Amphore unterscheiden, beim Kados wäre ich mir allerdings nicht mehr ganz so sicher :)

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  2. Die Interpretation des Museums ist aber auch nicht unbedingt falsch, es gibt in der Tat Bilddarstellungen aus der Vasenmalerei, wo eine stehende Frau einer sitzenden Frau ("Hausherrin") ein Kind reicht (z.B. die Lekythos mit der Inventarnummer F 2443 aus der Antikensammlung in Berlin- einfach mal in der Beazley-Datenbank eingeben: http://www.beazley.ox.ac.uk/xdb/ASP/dataSearch.asp). Wobei man natürlich nicht ausschließen kann, inwieweit solche Gefäße für Begräbnisse gedacht waren, da könnte man viel diskutieren, ich weiß.
    Außerdem gibt es mindestens ein Grabmal, das der Ampharete aus dem Kerameikos in Athen, dass eindeutig eine Tote mit Säugling zeigt, und wo aus der Inschrift hervorgeht, dass es sich um die Verstorbene und ihr ebenfalls verstorbenes Enkelkind handelt, und dass sie das Kind so hielt, als sie noch lebten- doch mittlerweile sind sie und das Kind tot.
    Gibt es irgendeinen Kontext zu der Stele oben, oder eine Inschrift? Zumindest geht aus dem Blick "ins Nichts" der sitzenden Frau hervor, dass sie tot ist und nicht mehr an der Szene teilnimmt, was vermuten lässt, dass die Frau mit dem Kind noch lebt. Interessant ist auch, dass das Kind nicht der Verstorbenen gereicht wird und die Verstorbene eine Gefäß (??) in den Händen hält. Achja, soweit ich weiß können kurze Haare auch ein Kennzeichen von Trauernden sein (was hier auch nicht unpassend wäre).
    Ich hab mich jetzt nicht tief mit der Materie hier beschäftigt und bin auch kein Experte für die griechische Antike, aber es ist wichtig, dass es mehr als eine Interpretation geben darf, solange man keine Lösung definitv ausschließen kann. Je nachdem, womit man vergleicht, kann man auch auf unterschiedliche Aussagen kommen. Jede plausibel erklärbare Interpretation gilt solange nicht als falsch, solange man sie nicht widerlegen kann. (Und man müsste halt in diesem Fall sehr viel mehr Vergleiche heraussuchen, versuchen, etwas über den Kontext herauszubekommen, etc. um wirklich etwas sagen zu können- Keine Ahnung, was die in dem Museum gemacht haben, insofern kann ich das auch nicht beurteilen.)
    Sorry, dass ich schon wieder meckere, eigentlich mag ich den Blog ganz gerne!
    D

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    1. Das besagte Relief (5. Jh.) aus dem Kerameikos-Museum kenne ich gut, darauf ist, wie du absolut richtig sagst, die auf einem Klismos sitzende, noch relativ junge Großmutter (vielleicht Mitte 30) mit dem Enkel abgebildet. Das Relief (ebenfalls 5. Jh.) auf das ich mich bezog, befindet sich im Rijksmuseum in Leiden, und darauf soll tatsächlich die verstorbene Mutter mit ihrem Kind abgebildet sein (keine Inschrift). Ich habe das damals extra noch einmal nachgeprüft, da es in der Tat bei solchen Grabstelen einige wenige Ausnahmen mit abweichender Deutungsweise gibt. Leider konnte ich für den Blogbeitrag online kein Foto davon finden. Es war übrigens nicht das Rijksmuseum, dass die falsche Info publiziert hat, sondern ein anderes (ich möchte das "inkriminierte" Museum allerdings aus persönlichen Gründen nicht öffentlich beim Namen nennen bzw. bloßstellen).
      Das obige Bild, das ich aus Ermangelung einer besseren Alternative verwendet habe, soll ebenfalls die Mutter sein (auch hier gibt es wohl keine Inschrift). Wenn, dann ist es allerdings wohl keine ganz junge Mutter mehr, da sie bereits leicht angedeutete Falten bzw. "Ringe" um den Hals aufweist, die das leicht fortgeschrittene Alter charakterisieren. Im Prinzip könnte es daher, meiner Meinung nach, auch eine junge Großmutter sein - wie im Falle der Ampharete.
      Was aber kaum zutrifft, ist, dass hier ein glücklicher Moment abgebildet wurde. Vielmehr handelt es sich bei solchen Darstellungen eigentlich immer um Szenen des Abschieds.
      (Habe deinen Kommentar übrigens nicht als Gemecker aufgefasst!)

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