Samstag, 8. Oktober 2016

Kontroverse Ephesos-Forschung: Ein Interview mit der Grabungsleiterin Sabine Ladstätter



Archäologische Forschung ist nicht billig. Umso sorgfältiger muss mit den zur Verfügung stehenden Mitteln hausgehalten werden. Doch geht dies mit dem Umstand konform, dass einerseits Grabungen im Ausland von der Öffentlichen Hand finanziert werden, während andererseits die Archäologie im Inland aus dem sprichwörtlichen letzten Loch pfeift und sich daher zunehmend auf Notgrabungen beschränken muss?
Darüber entbrannte vor einigen Monaten auch in den Kommentaren zu meinem Interview mit dem Archäologen Raimund Karl eine lesenswerte Diskussion, in der unter anderem das langjährige Engagement des Österreichischen Archäologischen Institutes (ÖAI) in Ephesos (Türkei) kritisiert wurde. Einerseits fließe für dieses Prestigeprojekt österreichisches Steuergeld in die postdemokratische Türkei, andererseits vernachlässige man sei Jahrzehnten viele hochinteressante Fundstätten in der Heimat. Dadurch gebe man diese der Zerstörung durch 'Raubgräber' preis, hieß es.
Aktuelle Entwicklungen könnten nun jedoch dazu führen, dass die österreichische Ephesos-Forschung ohnehin für geraume Zeit zum Erliegen kommt. Aufgrund politischer Differenzen wurde den Archäologen das ÖAI nämlich eine Fortführung der Grabungen vom türkischen Außenministerium (sic!) untersagt.
Darüber - und um weitere interessante Fragen - soll es im folgenden Interview mit der Archäologin Sabine Ladstätter gehen. Sie ist Leiterin des ÖAI und der Grabungen in Ephesos.



Sehr geehrte Frau Ladstätter, was können Sie uns über den von der Türkei verhängten Grabungsstopp berichten? Handelt es sich um einen vorübergehenden oder permanenten Schlussstrich unter dem Engagement des ÖAI in Ephesos?
Es handelt sich um eine vorzeitige Schließung bzw. Absage aller archäologischen Aktivitäten Österreichs in der Türkei, darunter die Grabungen Ephesos und Limyra sowie sämtliche Surveyprojekte. Für 2017 werden wir wie geplant unsere Forschungsanträge stellen. 

Der bekannte Althistoriker Frank Kolb kritisiert seit vielen Jahren scharf, dass sich die deutschen Ausgräber von Troja zum politischen Spielball türkischer Interessen machen lassen. Die jüngsten Entwicklungen legen nahe, dass die Situation in Ephesos vergleichbar ist.
Troja wird seit 2013 nicht mehr unter deutscher, sondern unter türkischer Lizenz durchgeführt. Worauf Sie Bezug nehmen, ist der langjährige, zum Teil sehr heftig und persönlich geführte Diskurs zwischen Kolb und Korfmann, der bald nach dem frühzeitigen und tragischen Tod von Manfred Korfmann ein Ende fand. Ich hatte selbst Gelegenheit, mit beiden Akteuren zu sprechen und war von den klaren Worten, auch wenn ich diese nicht immer teile, von Frank Kolb in seinem Buch „Kampf um Troja“ sehr beeindruckt und habe dies auch mit ihm erörtert. Der Kern der Kolb’schen Kritik liegt weniger in der politischen Vereinnahmung der Archäologie, sondern in politisch motivierten Interpretationsmodellen archäologischer Befunde. Der von ihm in diesem Zusammenhang geprägte Terminus „Anatolismus“ ist tatsächlich ein interessantes Phänomen, das sich insbesondere in der prähistorischen Forschung, aber auch in anderen Epochen finden lässt. Letztendlich ist es aber eine Antwort auf den traditionellen Eurozentrismus, der die klassisch archäologische Forschung lange Zeit beherrschte. Die „orientalische“ Sichtweise auf das Mediterraneum hat den Diskurs in den letzten Jahrzehnten stark befruchtet und verändert. Letztendlich führte es auch zu einer differenzierteren Sicht auf komplexe Prozesse wie Identitätsfindung.
Archäologie und Politik ist ein Bücher füllendes Thema und natürlich liefern aktuelle Ereignisse neue Bausteine, die – hoffentlich – in der Zukunft und mit der nötigen Distanz einer Analyse unterzogen werden. Die Archäologie läuft natürlich sehr schnell Gefahr, politisch instrumentalisiert zu werden, auch aufgrund des ihr zugeschriebenen Legitimationsbezugs. Der politische Missbrauch der Archäologie geht einher mit dem Erstarken nationalistischer Strömungen im 19. Jahrhundert und findet seinen Höhepunkt zwangsweise in den faschistischen und nationalsozialistischen Regimen Europas während des 20. Jahrhunderts. Die SS-Grabungen auf der Karnburg hatten das Ziel, das deutsche Erbe Kärntens zu legitimieren und die Grabungsaktivitäten in Rom unter Mussolini sollten seine Herrschaft in unmittelbare Verbindung zum römischen Kaiserreich setzen. Aber auch Demokratien bedienten und bedienen sich der Archäologie. So ist es kein Zufall, dass die US-amerikanischen Archäologen einen Schwerpunkt auf die Erforschung der Agora von Athen, als urbanistisches Zentrum und Ausgangspunkt demokratischer Prozesse in der Antike, legten.
In Bezug auf Lizenzdiskussionen hilft ein Blick auf die Situation in Griechenland in den 1980-er Jahren, als es heftige politische Debatten um Grabungslizenzen für Ausländer gegeben hat, die letztendlich auch das Fundament der Auslandsschulen in Griechenland gefährdeten. Zwischenzeitlich hat sich in Griechenland ein äußerst praktikables System herausgebildet, in dem nicht griechischen Lizenzträgern eine limitierte Anzahl an Grabungsprojekten genehmigt wird, alle weiteren Projekte werden als Synergien mit griechischen Partnern durchgeführt. Letztendlich etablierte sich Athen durch diesen Weg der Internationalisierung als das Zentrum der griechischen Archäologie mit seinen zahlreichen Auslandsschulen (darunter auch eine österreichische), die heute als Aushängeschild der griechischen Kulturpolitik gelten. In der Türkei wird derzeit eine ganz ähnliche Diskussion geführt. Jüngst nahm der weltweit renommierte türkische Prähistoriker, Mehmet Özdoğan, dazu in den Medien Stellung und verwies auf die Einzigartigkeit des türkischen Systems und den Mehrwert für den türkischen Wissenschaftsbetrieb. Letztendlich ist es ja nicht zufällig, dass das Kapitel „Wissenschaft“ als erstes und bislang einziges bei den EU-Türkei-Beitrittsverhandlungen abgeschlossen wurde. Auch bei den Brexit-Diskussionen wird betont, den Wissenschaftssektor europäisch weiterlaufen lassen zu wollen. Ich kann daher der These nicht zustimmen, dass wir Wissenschafter uns zum Spielball machen lassen, vielmehr wird immer wieder und überall der Versuch unternommen, uns zum Spielball zu machen und dies nicht nur in der Türkei. Nur geeint können wir dieser Vereinnahmung entgegen wirken. 

Sind Ihre türkischen Kollegen nicht in der Lage, die Grabungen in Ephesos weitestgehend alleine zu stemmen? Ist es nötig, dass Österreich - oder eine andere westliche Nation - hierbei 'Entwicklungshilfe' leistet? Sie wissen, dass es auch in der Türkei immer wieder Stimmen gibt, die diesen 'Forschungskolonialismus' kritisieren?  Aus rein wissenschaftlicher Sicht ist es ja ohnehin egal, welche Nation bei der Ephesos-Forschung den Ton angibt. Daher könnte man den Eindruck gewinnen, dass hier auch eine gehörige Portion Prestigedenken mit im Spiel ist, oder? 
Niemand ist heute in der Lage, Spitzenforschung auf nationaler Ebene durchzuführen. Forschung ist immer international und immer interdisziplinär. Ebenso wie die Rosetta-Mission oder die CERN-Beteiligung gehört Ephesos zu Österreichs Großforschungsprojekten, deren erfolgreiche Durchführung durch internationale Konsortien gewährleistet ist. Ephesos ist – organisatorisch gesprochen – keine „Ausgrabung“, sondern eine Forschungsplattform, die die Möglichkeit zur Durchführung archäologischer Projekte bietet. Die Transformation von einem kulturimperialistischem Unternehmen, für das die von Ihnen angeführten Begriffe „Entwicklungshilfe“ und „Forschungskolonialismus“ durchaus zutreffend sind, zu einem modernen, grenzüberschreitenden Projekt ist längst abgeschlossen. In den letzten Jahren hat sich die Grabung zu einer europäischen Plattform für archäologische Grundlagenforschung und als Kompetenzzentrum für interdisziplinäre Anwendungen in der Archäologie entwickelt. Die Forschungsansätze vereinen geisteswissenschaftliche Fragestellungen mit naturwissenschaftlichen Analyseverfahren sowie digitalen Dokumentationsmethoden. Durchschnittlich arbeiten 200 Wissenschafter aus über 20 Ländern in Ephesos. Jeder mit einer interessanten Forschungsfrage, dem geeigneten Personal und einer mitgebrachten Finanzierung ist herzlich eingeladen, sich zu bewerben und mitzuarbeiten. In unserem Team ist die Herkunft völlig unerheblich, was zählt ist Fachwissen und Engagement. Die Attraktivität des Forschungsplatzes Ephesos ist sehr hoch, was sich allein an den beteiligten Institutionen, der hohen Anzahl an kompetitiv eingeworbenen, geförderten Projekten und den zahlreichen Nachwuchswissenschaftern ablesen lässt.
Forschungsgrabungen sind längerfristige Unternehmungen und bestehen aus vielen unterschiedlichen, zeitlich befristeten Einzelprojekten, wobei Ephesos heute zu den größten archäologischen Feldprojekten weltweit gehört. Als Forschungsgegenstand steht eine Stadtanlage mit ihrem Umland zur Verfügung, die vom Neolithikum bis in die frühe Neuzeit durchgehend besiedelt war, und zwar immer als Zentralort der Region. Die im Rahmen der durchgeführten Projekte chronologisch wie topographisch übergreifenden Problemstellungen fordern eine Vernetzung unterschiedlicher Forschungsansätze, Disziplinen und Methoden, wodurch sinnvolle Synergien erzielt werden können. Dadurch kann die Beschränkung auf einen Fundplatz bzw. einen Zeithorizont zugunsten einer diachronen und räumlich weit gefassten Betrachtungsweise überwunden werden. Dafür ist nicht nur eine Vernetzung der archäologischen bzw. altertumswissenschaftlichen Spezialdisziplinen unbedingt notwendig, sondern auch die weitgehende Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden und technischer Anwendungen erforderlich. Darüber hinaus ist eine trans- und interdisziplinäre Kooperation mit fachverwandten Disziplinen sowie mit Komplementärwissenschaften der Regelfall. Ein weiterer integraler Bestandteil des Forschungsprogramms die die evidenzbasierte Restaurierungswissenschaft und die Denkmalpflege. Natürlich kann Ephesos gerade auf diesem Feld die Möglichkeit bieten, konservierungs- und restaurierungswissenschaftliche Methodenentwicklung zu betreiben. Die produktive Rolle in der internationalen Wissenschaftslandschaft, die Attraktivität für renommierte Forschungseinrichtungen, hohe Akzeptanz in der internationalen scientific community, aber auch die zahlreichen Auszeichnungen für Forscher und exzellente Nachwuchswissenschafter mit herausragenden Karrieren stehen für die ungebrochene Relevanz der Unternehmung.
Wenn Sie nun das Prestigedenken ins Spiel bringen, dann darf ich eingangs mit einer Frage beginnen: wenn jemand ihrem Blog hohes Prestige zuspräche, würden Sie dies a priori als negativ empfinden? Ephesos verfügt tatsächlich über ein sehr hohes Prestige in der Fachwelt und zwar einerseits aufgrund der Forschungstradition und –intensität, des hervorragenden Publikationsstands und natürlich primär aufgrund seiner hohen kulturhistorischen Relevanz. Lassen Sie mich nur eines von vielen Beispielen und zwar die Bedeutung von Ephesos für die Religionsgeschichte der Menschheit hervorheben: Ephesos zeichnet sich durch eine über Jahrtausende gewachsene und aufgrund unterschiedlicher Kulturen hoch komplexe Sakrallandschaft aus. Gerade in dieser Vielfalt und Heterogenität liegt aber auch die Einzigartigkeit und unterscheidet Ephesos von anderen hellenistisch-römischen Städten. Trotz wechselnder Kultinhaber (heidnisch-christlich-muslimisch) bleiben spirituelle Traditionen von der Prähistorie bis in die Gegenwart aufrecht. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Pilgerwesen, das sich bereits im frühen 1. Jahrtausend für die ephesische Artemis entwickelt, in die christliche Tradition übernommen und letztendlich auch von der muslimischen Bevölkerung des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit weiter geführt wird. Die heute gemeinsame, interreligiöse Verehrung des Sieben Schläfer-Coemeteriums und Meryemana ist ein bleibendes Zeugnis einer über Jahrhunderte gewachsenen kulturellen Interdependenz.
Um Ihre Gegenfrage zu beantworten, die mir durchaus wichtig erscheint, muss ich etwas weiter ausholen: 
1. Mir ging es nicht darum, ob Ephesos ein prestigeträchtiger Forschungsplatz ist (das steht außer Zweifel), sondern um möglicherweise individuelles Heischen nach Prestige sowie den Einfluss, den persönlichen Befindlichkeiten auf das hartnäckige Festhalten an dem Projekt haben könnten.
2. Prestigedenken ist ein wichtiges Merkmal von Positionsgesellschaften. In diesen ist es üblich, dass nicht die tatsächliche Leistung einer Person primärer Gegenstand der Beurteilung ist, sondern die Position dessen, der die Leistung erbringt; Stichwort argumentum ad verecundiam (Autoritätsargument). Für die Wissenschaft, und ganz besonders für die nur mäßig exakten Geisteswissenschaften, sind die Folgen gravierend, da es in einer auf Prestigedenken aufbauenden Positionsgesellschaft herausgehobenen Einzelpersonen relativ leicht möglich ist, als Experten, Gutachter oder Wissenschaftler sowohl Forschung wie auch Diskurs in eine bestimmte Richtung zu lenken, die nicht zwingend objektiven, sondern häufig stark subjektiven Kriterien und mitunter sogar unethischen Motiven folgt. Ganz zu schweigen von jenen geschickt agierenden Wissenschafts-Scharlatanen, die mit einer Positionsgesellschaft die perfekte Bühne für Selbstdarstellung und Täuschung geboten bekommen - siehe etwa den 14C-Münchhausen Rainer Protsch


Wie hoch sind - über den Daumen gepeilt - sämtliche Geldmittel der Öffentlichen Hand, die jährlich von Österreich nach Ephesos fließen? Und in welchem Ausmaß beteiligen sich private Geldgeber an der Finanzierung?
Eine auf den ersten Blick einfache Frage, die allerdings keine einfache Antwort nach sich zieht. Um sie nämlich wirklich seriös beantworten zu können, müssen die Parameter definiert werden. Was ist genau mit der Frage „nach Ephesos fließen“ gemeint? Am Österreichischen Archäologischen Institut arbeiten Bibliothekare, die mit dem Tausch der Reihe „Forschungen in Ephesos“ mit Reihen anderer Grabungen (national und international) betraut sind und somit erst das Bestehen der im Übrigen öffentlichen Bibliothek gewährleisten. Ebenso arbeiten Redakteure an der Herausgabe von Ephesos-Publikationen, Sekretärinnen beantworten Telefonate aus der Türkei und Buchhalter rechnen die Grabungskampagnen ab. Sind diese Personalkosten nun dem „Geldfluss nach Ephesos“ zuzurechnen? In der Praxis ist eine Zuordnung nicht leicht zu bewerkstelligen, weil natürlich auch Anrufe aus Klagenfurt kommen, Publikationen aus Ägypten zum Druck gebracht und die Abrechnungen eines Surveyprojekts aus dem Burgenland abgeschlossen werden müssen. Wie verhält es sich mit dem wissenschaftlichen Personal, das neben seinen Forschungsagenden, die im Übrigen nie ausschließlich Ephesos umfassen, auch administrative Aufgaben, wie beispielsweise die IT-Betreuung, erledigen muss. Wir sollen diese Leistungen „verbucht“ werden? Was ist eigentlich mit „öffentlicher Hand“ genau gemeint? Sind darunter auch die kompetitiv eingeworbenen Mittel bei FWF und OeNB zu berücksichtigen und wie handhaben wir es mit den ERC-Mitteln? Soll hier der österreichische Anteil an europäischen Fördermitteln herausgerechnet werden? Wie gehen wir weiter vor, wenn es sich um ERC-Mittel ausländischer Forschungseinrichtungen handelt? Sollen wir auch in diesem Fall den prozentual anfallenden österreichischen Anteil berücksichtigen? Wie sieht es mit einer österreichischen Forscherin aus, die in Wien sitzend byzantinischen Schmuck aus Ephesos bearbeitet und hier publiziert? Gehen wir einen Schritt weiter. Keramikmaterial, das in Ephesos vor Ort gewaschen wird, dann von einer österreichischen Dissertantin der Universität Wien vor Ort dokumentiert wird und letztendlich in eine Doktorarbeit einfließt. Wo liegt die Wertschöpfung dieser Ausgaben? Außer dem ÖAI arbeiten zahlreiche andere österreichische Forschungseinrichtungen in Ephesos, die auch von der öffentlichen Hand (teil-)finanziert werden. Sind diese Ausgaben auch zu berücksichtigen? Letztendlich gehören dazu auch die Aufwendungen für den Betrieb des Ephesos-Museum in der Hofburg in Wien. Je nach Berechnungsgrundlage kommt man zu völlig anderen Zahlen.
Privates Sponsoring ist ein wichtiger Bestandteil der Ephesos-Finanzierung, zumal die Restaurierungsprojekte über private Geldgeber abgewickelt werden. Es gibt drei Säulen und zwar die Gesellschaft der Freunde von Ephesos, ein Verein der über Mitgliedsbeiträge und Spenden organisiert ist, die American Society of Ephesos, die ebenfalls auf privaten Spenden beruht und die Ephesus Foundation in Istanbul, ein Zusammenschluss von türkischen Industriellen, die die großen Restaurierungsprojekte finanziell tragen. 

Österreich ist eine Art archäologische Bananenrepublik. Der Archäologe Gerhard Tomedi sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem "Schurkenstaat". Für die Erforschung und Erhaltung heimatlicher Bodendenkmäler fehlt nämlich hinten und vorne das Geld - siehe etwa das überaus anschauliche Beispiel 'Noreia'. Ist es im Angesicht der tristen Finanzlage vertretbar, Grabungen im Ausland mit Steuergeld zu finanzieren? Warum wird nicht der ernsthafte Versuch unternommen, zumindest einen Teil des für archäologische Auslandsforschung benötigten Geldes mittels Crowdfunding-Initiativen zu organisieren?
Eine Trennung von Auslands- und Inlandsforschung ist längst Vergangenheit. Sämtliche universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Österreich führen sowohl nationale als auch internationale Forschungsprojekte durch. In der Archäologie werden Kulturräume erforscht, die sich in den seltensten Fällen an nationale Grenzen halten. Ausgehend von Forschungsfragen werden das Untersuchungsobjekt, der Ort und natürlich die Methode gewählt. Die Stärke der österreichischen Archäologie ist genau die von mir hier beschriebene disziplinübergreifende Betrachtungsweise. Man wird die Peripherie des römischen Reiches nicht verstehen, wenn man sich nicht mit den Zentren, speziell mit der Stadt Rom auseinander gesetzt hat und man wird andererseits die Transformation des römischen Reiches im Frühmittelalter nicht verstehen, wenn man das Barbaricum nicht kennt. Beides ist wichtig und beides ist notwendig. Ich hielte es auch für verkehrt, Studien wie Klassische Archäologie (und somit auch griechische Archäologie), aber auch beispielsweise die Ägyptologie anzubieten, andererseits aber die Durchführung von Forschungsprojekten in den für diese Disziplinen relevanten Regionen zu unterbinden.
Ich kenne den Kontext der Aussage von Kollegen Tomedi, den ich sehr schätze, im Detail nicht, entnehme aber der Datenbank des FWF, dass er selbst in den letzten zwei Jahren Fördergelder für „Auslandsprojekte“ eingeworben hat. Ich gehe daher davon aus, dass seine Argumentation keinesfalls auf eine Konfrontation zwischen Inlands- und Auslandsforschung, sondern sich auf die generelle Unterfinanzierung archäologischer Projekte in Österreich bzw. den Mangel einer Cultural Heritage Strategie im Land bezogen hat. Was die archäologischen Projekte in Österreich betrifft, plädiere ich sehr stark für eine offensive Internationalisierung. Die Attraktivität des Forschungsstandortes zu steigern, starke Partner ins Boot zu holen und auf diesem Weg in der kompetitiven Förderungsstruktur bestehen zu können, muss das erklärte Ziel sein. Es wäre eine Vision für die Archäologie dieses Landes, wenn internationale Teams archäologische Projekte durchführen und es auf diese Weise auch zu Methodenvielfalt und neuen Sichtweisen beitragen würden. Was die von Ihnen angesprochene triste Finanzlage betrifft, so sind hier in Österreich doch gravierende regionale Unterschiede zu verzeichnen. Diese föderalistische Struktur in der Forschungs- und Kulturfinanzierung bringt es mit sich, dass einzelne Bundesländer hervorragend ausgestattete Feldprojekte aufweisen können und auch die Museumslandschaft beeindruckt, während es in anderen großen Aufholbedarf gibt. Was in Österreich tatsächlich fehlt, sind einschlägige Ausbildungsmöglichkeiten für Archäologische Denkmalpflege als auch für Grabungstechnik und dies ist sicherlich auch Ausdruck einer zu geringen Wertschätzung dieser Fachbereiche.
Zum Thema Crowd-Funding: Die privaten Förderinstitutionen organisieren ihre Zuwendungen autonom (s.o.). Spenden spielen eine sehr große Rolle und werden für spezifische Projekte eingesetzt.

Viel Geld der öffentlichen Hand floss im Laufe der letzten Jahrzehnte in die Erforschung von Ephesos. Wird dem österreichischen Steuerzahler im Gegenzug freier Zugang zu den Forschungsergebnissen bzw.  Publikationen gewährt? Ist beispielsweise das in Ephesos entstandene Bildmaterial des ÖAI gemeinfrei? 
Das ÖAI verfolgt eine möglichst freie Publikationsstrategie. Die Grabungsergebnisse werden jährlich in einem Grabungsbericht publiziert, der online abrufbar ist. In diesem Jahresbericht werden sämtliche im Berichtsjahr erschienen Publikationen, ebenso wie Vorträge, Posterpräsentationen, etc. aufgelistet. In den letzten fünf Jahren erschienen von Ephesos-Mitarbeitern verfasst 38 Monographien und 275 Artikel in Zeitschriften. 45 akademische Arbeiten resultierten aus den Forschungen seit 2010.
Bei den Zeitschriftenartikeln richtet sich die Publikationsart natürlich immer nach der Ausrichtung der Zeitschrift selbst (online, analog, OA), allerdings wählen zudem praktisch alle Mitarbeiter den grünen OA-Weg, in dem sie ihre eigenen Ergebnisse auf Online-Portale wie beispielsweise academia.edu hochladen. Die monographische Reihe Forschungen in Ephesos erscheint im Verlag der ÖAW und wird durch den FWF finanziert. Somit unterliegt die Reihe den strengen OA-Richtlinien dieser beiden Einrichtungen. 
In einem großen Digitalisierungsprojekt wird derzeit das gesamte Bildmaterial des ÖAI (nicht nur Ephesos) erfasst und nach Abschluss dieser Arbeiten online gestellt. Bislang wurden über 200.000 Bilddaten digitalisiert und verschlagwortet. Ziel ist eine freie Zugänglichkeit sämtlicher Daten unter Wahrung der Urheberrechte. 

Wie lange dauert es im Schnitt, bis neue Forschungsergebnisse/Grabungsberichte von der Ausgrabung in Ephesos publiziert werden? 
Natürlich gibt es auch in Ephesos diesbezüglich gravierende Unterschiede, wie bei jedem anderen wissenschaftlichen Projekt auch. Gerade die vielen prekären Arbeitsverhältnisse und das enge Zeitkorsett bei befristeten Forschungsprojekten führen letztendlich dazu, dass Forschungsergebnisse nur unzureichend oder zeitlich verzögert publiziert werden. Dem entgegenwirkend versuchen wir dem Nachwuchs durch spezielle Dienstverhältnisse für die Publikation von Forschungsergebnissen Zeit und eine Lebensgrundlage zu geben. Diese Strategie trägt durchaus Früchte, derzeit befinden sich mehrere Monographien im Peer Review, die aus Dissertationen resultieren und die für die Autoren eine solide Grundlage für eine Karriere in der Wissenschaft sein sollen. Für mein eigenes Projekt (Türbe im Artemision), das ich im Jahr 2011 begonnen habe, kann ich berichten, dass mit Ende 2015 eine 600-seitige Monographie vorlag. Aber sicherlich hat auch Ephesos Altlasten, die sukzessive abgebaut werden müssen. So freut es uns, dass der in den 1950-er Jahren ausgegrabene und wieder aufgerichtete Hadrianstempel an der Kuretenstraße nun endlich auch monographisch publiziert vorliegen wird.

Das Goethe-Institut kritisierte mehrfach, dass Wissenschaftler deutscher Muttersprache zunehmend das Publizieren auf Deutsch vernachlässigen.  Wie stellt sich die diesbezügliche Situation bei Projekten des ÖAI dar?
Der Rückgang muttersprachlichen Publizierens zugunsten des Englischen als Wissenschaftssprache ist tatsächlich ein Problem, dem sich viele europäische Staaten derzeit stellen müssen. Es besteht nämlich die große Gefahr, dass mit der Sprache auch wissenschaftliche Traditionen verloren gehen. Am ÖAI ist die Vorgangsweise ganz klar. Bei Zeitschriftenartikeln kann in jeder Sprache publiziert werden, je nach Muttersprache des Verfassenden sowie den Vorgaben der Herausgeber. Unterschiede gibt es natürlich auch bei den einzelnen Disziplinen. Während in der Bauforschung das Deutsche die dominierende Fachsprache ist, wird in den Bereichen Archäometrie oder Paläogeographie beinahe ausschließlich englisch publiziert. Auf diese disziplinimmanenten Eigenheiten muss natürlich Rücksicht genommen werden. Für die Reihe Forschungen in Ephesos gibt es die Möglichkeit der Publikation in deutscher oder englischer Sprache. In überwiegendem Maß wird (weil Muttersprache) deutsch publiziert. 

Ich habe schon mehrfach mit archäologischen Laien gesprochen, die gerne bei Grabungen - auch im Ausland - mithelfen würden. Wie groß ist der Bedarf an solchen Freiwilligen?
Für die Grabungen in Ephesos können sich Laien bewerben, ein diesbezüglicher Link befindet sich auf unserer Homepage. Das Angebot wird jährlich von 2-3 Personen tatsächlich in Anspruch genommen. Je nach verfügbaren Stellen erfolgt in weiterer Folge dann die Zuteilung zu den einzelnen Projekten.

Was zählt für Sie zu den interessantesten Entdeckungen, die in Ephesos unter Ihrer Leitung gemacht wurden?
Schön, dass Sie mich am Ende dieses Interviews auch nach dem wissenschaftlichen Output der Ephesos-Grabung fragen! Mich fasziniert allerdings weniger die Entdeckung als die Erkenntnis. Mein großes Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Transformation von Ephesos von einer (spät)antiken Großstadt hin zu einer türkischen Provinzstadt des 15./16. Jahrhunderts n. Chr. Dabei war insbesondere die Erforschung der dark ages, also des Zeitraums zwischen dem 8.-10. Jahrhundert n. Chr. eine große Herausforderung. Als das Fundmaterial unserer Grabung in der spätantiken Residenz südlich der Marienkirche erstmals den Beweis einer kontinuierlichen Besiedlung über die Antike bis weit in die byzantinische Zeit erbrachte, war mir klar, dass nun die Siedlungsgeschichte einer Epoche neu geschrieben werden muss. Fern jeder Monumentalität ist es hoch spannend zu beobachten, wie sich die Bewohner der nun vergleichsweise kleinen Stadt ihr Lebensumfeld gestalteten. Das Wohnen in und mit Ruinen, der Umgang mit alter Bausubstanz, aber auch die neuen Herausforderungen, deren sich die Menschen zu stellen hatten, ist ein faszinierender Aspekt in der Ephesos-Forschung, der erst in den letzten Jahren wirklich zum Tragen gekommen ist. Der Grund, warum gerade ich mich damit beschäftige, geht mit Sicherheit auf meine Wurzeln in der „Inlandsarchäologie“ zurück, wo ich mich intensiv mit der Transformation des Alpenraumes zwischen Antike und Mittelalter auseinander gesetzt habe. Damit befinde ich mich übrigens in bester Gesellschaft mit meinen Vorgängern. Bereits Otto Benndorf, erster Grabungsleiter in Ephesos, hat sich nach seinem freiwilligen Rückzug aus Ephesos mit der Provinzialarchäologie beschäftigt, ihm folgten Franz Miltner und Hermann Vetters. Die österreichische Archäologie hat immer von der gegenseitigen Befruchtung sowohl inhaltlich als auch methodisch profitiert. 

Vielen Dank, Frau Ladstätter, dass Sie meinen Lesern und mir so ausführlich Auskunft gegeben haben. 

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19 Kommentare:

  1. 1. Teil

    Überaus interessanter Lesestoff, der allerdings bei mir ein gewisses Maß an Widerspruch hervorruft.

    Ich zitiere: "Worauf Sie Bezug nehmen, ist der langjährige, zum Teil sehr heftig und persönlich geführte Diskurs zwischen Kolb und Korfmann, der bald nach dem frühzeitigen und tragischen Tod von Manfred Korfmann ein Ende fand."
    Das ist nachweislich falsch: Korfmann verstarb 2005, Kolb veröffentlichte sein Buch "Tatort Troja" hingegen erst 2010 und gibt bis heute keine Ruhe. Kolbs Kritik zielt auch nicht ausschließlich auf den Archäologen Korfmann ab, sondern ebenso auf den Althistoriker Joachim Latacz und einige weitere Personen, die in der Troja-Forschung tätig sind. Die Kritik auf eine persönliche Animosität zwischen zwei Wissenschaftlern herunterzubrechen, wird der Thematik daher nicht gerecht.

    Innerhalb von zehn Jahren Erdogan-Herrschaft sind in der Türkei unfassbare 8.985 neue Moscheen errichtet worden: http://religion.orf.at/stories/2797155/
    Glaubt Frau Ladenstätter ernsthaft, die islamistisch-nationalistische AKP und jene Bevölkerungsmehrheit, die sie seit Jahren immer wieder wählt, sieht in der Erforschung der vortürkischen Vergangenheit Kleinasiens wesentlich mehr als ein Mittel, um dem für das Land wirtschaftlich so wichtigen Tourismus zuzuarbeiten?
    Der gebrachte Vergleich mit Griechenland hinkt, demm die Türkei kann heute nicht mehr guten Gewissens als Demokratie bezeichnet werden: Sie ist postdemokratisch. Ein rationaler Diskurs ist mit Islamisten nicht möglich. Da können sich noch so viele türkische Intelektuelle zu Wort melden, diese Leute haben in der Türkei Erdogans einfach nichts mehr zu melden und laufen zunehmend Gefahr, weggesperrt oder zumindest beruflich ruiniert zu werden. Wer das immer noch nicht erkennt, betreibt genauso Realitätsverweigerung wie jene Journalisten, die den sogenannten "Arabischen Frühling" als beginnende Demokratisierung des Nahen Ostens feierten, während in den gesendeten Videoaufnahmen von den Zentren des Protestes ständig bärtige Männer zu sehen waren, die mit Schaum vor dem Mund "Allahu akbar!" plärrten. Jeder Hilfsarbeiter ohne Hauptschulabschluss hätte daraus die richtigen Schlüsse ziehen können, aber nicht unsere Journalisten, die gemeinsam mit vielen Wissenschaftlern in einer Blase leben, in der man sich die Welt indeologiegerecht schönredet. Im Englischen würde man diese Attitüde folgendermaßen beschreiben: Don't bother me with facts, my opinion stands.

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    1. 2. Teil

      Zu dem Rauswurf aus Ephesos (Selçuk) kann man nur konstatieren: Wer sich mit Hunden ins Bett legt, wacht mit Flöhen auf.
      Regelrecht peinlich ist aber, dass das ÖAI nicht das Rückgrat besitzten, aus dem kindischen und boshaften Verhalten der Türkei die Konsequenzen zu ziehen und die Beteiligung an der Ephesos-Forschung von sich aus für zumindest einige Jahre auszusetzen. Stattdessen wird antichambriert, via ORF leises Verständnis für die Position des türkischen Regimes geäußert und um eine neue Grabungslizenz gebettelt. Dabei würden andere Nationen sofort für Österreich einspringen, so dass der so gerne im Munde geführte wissenschaftliche Erkentnisgewinn gegebenenfalls bestimmt keinen Schaden nimmt. Höchstens die persönlichen Karrierepläne einiger beteiligter Archäologen aus Österreich könnten in Mitleidenschaft gezogen werden, was ja auch aus den den Wortspenden des ÖAI immer wieder durchscheint. Um diese Damen und Herren dürfte es in Wirklichkeit bei der (Selbst-)Erniedrigung Österreichs durch das ÖAI auch gehen, nicht um die ach so edel daherkommende Wissenschaft, die halt wieder einmal als wohlfeiles Alibiargument vorgeschoben wird, um persönlichen Egoismen zu tarnen.

      Der Hinweis auf die NS-Zeit durfte selbstverständlich in Frau Ladstätters Ausführungen nicht fehlen. Diesen rhetorischen Trick hat hier schon der geschätzte Prof. Karl gebracht. Kritk an der Verteilungspolitik innerhalb der staatlichen österreichischen Archäologie soll damit vorsorglich in den Bereich des anrüchigen Nationalismsus gerückt werden, so dass in den maßgeblichen Kreisen erst gar keine Diskussion aufkommt. Willkommener Nebeneffekt ist die eigene moralische Selbsterhöhung. Doch gerade Frau Ladstätter ist in der Hinsicht unglaubwürdig bis dort hinaus, da sie sich selbst bei ihrer beruflichen Tätigkeit im Ausland ständig freiwillig zu Nationalisten ins Bett legt, und zwar zu waschechten, nicht nur zu rhetorisch herbeifantasierten.

      MfG,
      David Storck

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  2. ich finde es sehr informativ, was frau ladstätter über ihre tätigkeit in ephesos berichtet. einfach ist die situation in der türkei sicher nicht. hoffentlich darf man im nächsten jahr weiterarbeiten!
    karin

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  3. Tja, da wird immer so gerne von der Notwendigkeit internationaler Forschung schwadroniert, was eine undifferenzierte Binsenweisheit aus dem vom Steuerzahler alimentierten Elfenbeinturm ist, während gleichzeitig in Österreich Bodendenkmäler en masse wissenschaftlich unbeackert bleiben und so lange von Raubgräbern leergeräumt und zerstört werden, bis kaum noch etwas übrig ist.
    Was ist das nur für eine schlimme Denkschranke, die es bei Ladstätter und Freunden verhindert, die Prioritätensetzung der archäologischen Forschung mit ihren endlichen Geldmitteln kritisch zu hinterfragen? Wer kann denn ernsthaft annehmen, dass in Ephesos nicht auch nach einem Ausstieg Österreichs eine fruchtbare internationale Zusammenarbeit möglich ist? Muss man, einer Rampensau gleich, überall dabei sein? Warum überlässt man Ephesos nicht Akteuren, die leichter die nötigen Geldmittel aufbringen können, wie z.B. US-Universitäten? Was wäre falsch daran, wenn sich das kleine Österreich stattdessen auf die heimatliche Erforschung der menschlichen Urgeschichte spezialisieren würde? Auch aus Grabungen in Österreich kann die internationale Forschergemeinde erheblichen Nutzen ziehen, denn schließlich spielte sich historisch bedeutsame Kultur nicht nur im Mittelmeerraum ab. Gegenteilige Sichtweisen, die sich Ladstätter hoffentlich nicht zu eigen gemacht hat, stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
    Und woher rührt eigentlich diese dreiste Erwartungshaltung vieler Archäologen, dass der Steuerzahler für ihre privaten Spezialinteressen die Rechnung bezahlen muss? Was hindert denn einen qualifizierten Klassischen Archäologen daran, sich auch abseits des mit Steuergeld finanzierten ÖAI an internationaler Forschung zu beteiligen?
    Die große Mehrheit der Archäologen und Historiker ist, da pragmatisiert oder zumindest staatsnah, noch jedem Zeitgeist und jeder Ideologie in den Hintern gekrochen, das hat Ladstätter richtig erkannt und dargestellt, obschon sie den Kommunismus vergessen hat, der im Gegensatz zum Faschismus auch heute noch in Restbeständen weiterspukt und das Seinige zur Geschichtsklitterung beiträgt. Vor allem aber übersieht sie, dass auch sie selbst nichts anderes als ein Kind ihrer Zeit ist. Deshalb ist ihr engagiertes Klimpern auf der Klaviatur von Globalisierung und Internationalismus für sie genauso wenig hinterfragenswert, wie der Germanen-Fetisch für Archäologen, die unter dem Hakenkreuz ihre Brötchen verdienten. Warten wir also ab, wie in 100 Jahren darüber geurteilt wird, dass man die heimischen Bodendenkmäler zugunsten von Ländern wie der Türkei übelst vernachlässigt hat. Archäologen haben ja leider nie gelernt, ihre persönlichen Neigungen vom öffentlichen Interesse zu trennen. Vielmehr setzen sie diese Dinge gleich, und weil sie sich schon vor langer Zeit die Deutungshoheit angeeignet haben, kommen sie damit durch. Aber das wird es nicht auf Dauer spielen, die Zeiten ändern sich nämlich. Die noch obrigkeitlich geprägte Denkmalpflege und Archäologie wird sich in nicht allzu ferner Zukunft verändern müssen. Einfach die Hand aufzuhalten und dem Steuerzahler, einem Automatismus gleich, das Geld aus dem Kreuz zu leiern, ist in Zeiten explodierender Staatsverschuldung kein zukunftsfähiges Finanzierungsmodell für die Forschung. Denn Archäologie ist eine Wissenschaft, die sich nur reiche Gesellschaften leisten können. Europa befindet sich jedoch in einer steilen Abwärtsspirale.

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  4. Das erste Mal war ich vor 18 Jahren in Ephesos, mit meinen Eltern. Das zweite Mal vor zwei Jahren, mit Frau und Kindern. Und sogar schon meine Großeltern waren in den 70er-Jahren dort zu Besuch. In all den Jahren hat sich sehr viel getan und zum Positiven verändert. Aber welche Organisation aus welcher Nation dort die Leitung inne hat, kann doch nicht ernsthaft von Belang sein, solange die Qualität stimmt.

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  5. Ich sag mal so: Die Grabungen in Ephesos werden in Österreich anscheinend nicht gut vermarktet. Was wäre z.B. dabei, auf Youtube wöchentlich ein Grabungstagebuch zu publizieren? Der Aufwand wäre minimal, sofern man nicht meint, alles perfekt machen zu müssen.

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  6. Ja apropos Rainer Protsch, hoffentlich hat der nicht auch Funde aus Ephesos oder Troia datiert :D
    Lg,
    Erwin

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  7. Ich glaube, mir geht gerade die Hutschnur hoch!!
    Was in drei Teufels Namen bedeutet "Wahrung der Urheberrechte" im Zusammenhang mit der geplanten Bilddatenbank? Das ÖAI ist keine verdammte private Firma, sondern eine staatlich finanzierte Intistutin. Deshalb ist der Souverän, also das Volk, auch Eigentümer der Urheberrechte auf denen das ÖAI sitzt! Wieso sollte der Bürger also untertänigst nachfragen müssen, wenn er das mit seinem Steuergeld finanzierte Material verwenden möchte wie er will?!
    Gerade das von Ladstätter erwähnte CERN stellt viel von seinen Daten frei und zur uneingeschränkten Verwendung ins Netz!

    Phipps

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    1. Ich stimme der Kritik im Kern zu, bitte aber darum, trotzdem cool zu bleiben.

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    2. Tut mir leid, Hilti, für die drastische Wortwahl, mir liegt das Thema halt nur schon seit Jahren sehr am Herzen. Ich gebe der Frau ansonsten ja auch größtenteils recht.

      Phipps

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    3. @ Phipps Ganz sinnlos ist die Bilddatenbank trotz eines Copyrights nicht, weil frei zugänglich. Zumindest für die wissenschaftliche Recherche reicht das.

      Liebe Grüße,
      Britta

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    4. --- verschoben ---

      Urheberrecht und Eigentumsrecht an Bildern sind zwei verschiedene Dinge.
      Leser

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  8. Interessant und um eine umfassende Darstellung des Sachverhaltes bemüht; an einigen Stellen leider ausweichend.

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    1. So ist es, z B die Kostenfrage wurde nicht befriedigend beantwortet.
      "Je nach Berechnungsgrundlage kommt man zu völlig anderen Zahlen", schreibt Sabine Ladstätter. No na, aber kann oder möchte sie diese unterschiedlichen Zahlen nicht nennen? Fehlt beim ÖAI gar der Überblick? Dann wäre vielleicht wieder eine Evaluierung durch den Rechnungshof fällig ;-)

      Gero

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  9. "Niemand ist heute in der Lage, Spitzenforschung auf nationaler Ebene durchzuführen. "

    Viele Technnologieunternehmen forschen nicht einmal national, sondern hinter verschlossenen Türen des jeweiligen Konzerns, um ihr geisitges Eigentum besser schützen zu können.

    Gero

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  10. Seid mal nicht so streng. Ich bin sicher, die Grabungsleiterin versucht das Beste aus der Situation zu machen. Ich finde, für die bisher geleistete Arbeit in Ephesos gebührt den österreichischen Archäologen großes Lob.

    Grüßle,
    Maria

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    1. Liebe Maria, niemand zweifelt hier die Kompetenz und das Engagement der Frau Ladstätter an, denke ich. Im Kern geht es bei der Kritik um die Prioritätensetzung innerhalb der archäologischen Forschung sowie das eingeforderte Mitspracherecht der Gesellschaft an dieser Prioritätensetzung.

      Gero

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  11. Klasse Interview! Dass sich die Veröffentlichung von Grabungsberichten und sonstigen Forschungsergebnissen leider manchmal sehr in die Länge zieht, kann man überall beobachten. Da ist im Laufe der Jahrzehnte viel liegen geblieben. Aber ich denke, die moderne Technik kann hier deutlich etwas zur Verbesserung der Situation beitragen. Es müssen nur halt erst einmal die Altlasten aufgearbeitet werden.
    Ludwig Hopper

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  12. Auch Österreichs größter Politik-Blog, der von Andreas Unterberger, dem ehemaligen Chefredakteur der Zeitung "Die Presse" betrieben wird, widmet sich jetzt dem Thema Ephesos und spricht von einer "entwürdigenden Haltung", einem "erbärmlichen Schauspiel" und "persönlichen Profilierungs-Interessen von von ein paar Archäologen".

    http://www.andreas-unterberger.at/2016/10/erdogan-und-hitler-verlogene-gerichte-und-ephesos/

    MfG,
    David Storck

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