Samstag, 28. April 2018

Die Fernsehserie "Tut" - Der größte Unsinn aller Zeiten?

Da ich erst kürzlich einen schönen Bildband über das alte Ägypten gelesen habe, erschien mir der Zeitpunkt genau richtig, die im Jahr 2015 vom US-Fernsehsender Spike produzierte Mini-Serie "Tut - Der größte Pharao aller Zeiten" anzusehen (gibts z.B. bei Amazon). Im Nachhinein stellt sich mir allerdings die Frage, ob Tutanchamun über die Darstellung seiner Person und seiner Zeit in dieser Serie lachen oder doch eher weinen würde. Ich jedenfalls habe gelacht, und zwar ausgiebig!

Natürlich ist es legitim, wenn Filmemacher Lücken in der historischen Überlieferung füllen. Allerdings sollte diesen Lückenfüller plausibel bleiben und nicht ins Dümmliche abgleiten. Genau das ist aber leider bei "Tut" oft der Fall. Beispielsweise irrt der Pharao in der ersten Folge als Otto-Normal-Ägypter verkleidet durch sein Reich (Shakespeares Heinrich V. lässt grüßen!) und verliebt sich dabei in eine Schönheit vom Lande. Bei erstbester Gelegenheit holt er das Mädel in seinen Palast, um dort mit Ihr ausgiebig Liebe zu machen; sehr zum Ärger seiner Halbschwester und Ehefrau Anchesenamun, die versucht, ihre Nebenbuhlerin um die Ecke zu bringen.
Ich will den Lesern eine ausführliche Schilderung der trivialen Handlung ersparen. Nur noch so viel: Einige Sex-, Blut- und Kampfszenen weiter (ich habe mehrmals entnervt 'vorgespult'), gibt Tutanchamun endlich den Löffel ab und wird samt seiner berühmten Totenmaske in jenen Sarkophag gepackt, den rund 3000 Jahre später Howard Carter im Tal der Könige entdecken sollte (zu Carter gibt es übrigens ebenfalls eine relativ aktuelle Mini-Serie - und selbstverständlich ist auch diese nur mäßig historisch korrekt).

Nicht alles war schlecht. Diese Binsenweisheit gilt nicht nur für die DDR und ähnliche Knuddeldiktaturen, sondern selbstverständlich auch für Fernseh-Junk, in dem ein historisches Thema verfilmt wurde. So sind mir bei "Tut" hinsichtlich der Ausstattung einige Details aufgefallen, die tatsächlich auf archäologischen Funden beruhen. Z.B. fand eine optisch ziemlich genaue Reproduktion jenes Dolchs aus Gold und 'Meteoriteneisen' Verwendung, der zum Inventar der Grabkammer des echten Tutanchamun gehörte. Auch für viele der als Kulissen verwendeten Möbelstücke finden sich historische Vorlagen. Inwieweit die gezeigte mehrstöckige Palastarchitektur die geschichtliche Realität abbildet, sei allerdings dahingestellt. Und ganz ohne Zweifel massiv geschlampt wurde bei den Kostümen und Waffen. Vieles davon sieht dermaßen krude aus, dass man dem verantwortlichen Kostümdesigner wünscht, der berühmte Fluch des Pharao möge auch ihn heimsuchen 😉. Die folgenden Screenshot zeigen eine kleine Auswahl dieser Absonderlichkeiten.

Bildzitat | Urheber: Spike | Quelle: Youtube
Auf dem obigen Bild kann ich nur einen einzigen Ausrüstungsgegenstand erkennen, der hinsichtlich der dargestellten späten Bronzezeit zumindest annähern authentisch wirkt - und das ist der längliche (schlüssellochförmige) Schild links. Der restliche Krempel sieht überwiegend danach aus, als ob er auf einem drittklassigen Mittelaltermarkt gemopst wurde. Man beachte beispielsweise den 'Kopfschutz', der stark an Brillenhelme aus der Vendelzeit erinnert; oder auch an einen 'Übergangshelme' des späten 12. Jahrhunderts, als man vom (eleganten) konischen Nasalhelm zum (klobigen) Topfhelm wechselte. Apropos Topfhelm: Besonders der Helm ganz rechts sieht schwer danach aus, als ob er aus Teilen eines solchen gefertigt wurde 😊. Ebenfalls spannend sind die Gürtel, die an eine primitive Variante des römischen cingulum militare erinnern, wie es ab spätaugusteischer Zeit aufkam - also ebenfalls lange nach Tutanchamuns Zeit.

Bildzitat | Urheber: Spike | Quelle: Youtube
Dunkel umlackierte Rund- und Ovalschilde mit eisernen Schildbuckeln à la römischer Clipeus oder 'Wikingerschild' 😃

Bildzitat | Urheber: Spike | Quelle: Youtube
Schon wieder eine Anleihe bei den Römern: Dieser Rüstung aus Leder wurden im Schulterbereich Elemente hinzugefügt, die offensichtlich von einem weit über 1000 Jahre später aufkommenden römischen Metallschienenpanzer (Lorica Segmentata) inspiriert sind. Praktischer Nebeneffekt dieser anachronistischen Hinzufügung: Die Schultern des Schauspielers wirken breiter und männlicher (Russell Crow in Gladiator war in dieser Hinsicht wohl das schlechte Vorbild für viele Sandalenfilme neueren Datums)
Der größte Anachronismus ist hier freilich der Schauspieler selbst. Mit seinen blaugrauen Augen und seiner hellen Haut geht er nicht als Ägypter der Bronzezeit durch. Die Besetzung der Rolle eines Offiziers des Pharao mit ihm ist daher absurd. Ich kann es mir nur so erklären, dass hier für das überwiegend westliche Publikum dieser Serie zwecks Identifikationsmöglichkeit ein weißer Mann eingebaut wurden, der quasi die Aufgabe einer umgekehrten Uhura (Star Trek TOS) erfüllt ...

Bildzitat | Urheber: Spike | Quelle: Youtube
Selbstverständlich ist das Besetzen von Rollen mit - aus historischer Sicht - unpassenden 'Ethnien' keine Einbahnstraße. So werden beispielsweise die Mittani, mit denen sich Tutanchamun herumzuschlagen hat, von einem Schwarzen angeführt. Und das obwohl selbst die historische Beraterin der Serie in einem Making-Of-Video unmissverständlich erklärt, dass die Mittani eine Ethnie waren, die damals ein Gebiet besiedelte, dass teilweise mit dem des heutigen Syrien übereinstimmt. Es handelte sich dabei also um keine Schwarzafrikaner.
Übrigens, auch Haremhab, der General des Tutanchamun, wird von einem schwarzen Schauspieler verkörpert. Nun könnte man hier vorschnell einwenden, dass es sich beim historischen Haremhab vielleicht um einen Nubier gehandelt hat. Nubien stand nämlich zeitweise unter ägyptischer Herrschaft; ja, Nubier errangen sogar kurzzeitig die Herrschaft über Ägypten. Doch war dies lange nach dem Tod Tutanchamuns. Und von Haremhab, der später zu einem der Nachfolger Tutanchamuns aufstieg, wissen wir, dass er sicher kein Schwarzafrikaner war. 

Bildzitat | Urheber: Spike | Quelle: Youtube
Zu sehen ist auf diesem Screenshot das Schuhwerk des Tutanchamun. Es erinnert ein bisschen an bestimmte Bauformen des römischen calceus. Offenbar um eine Art Schnabelschuh zu imitieren, wurde hier ein Stück gold-glänzend lackiertes Leder zwischen Sohle und Oberleder geklebt. Haarsträubend.


Abschließend noch eine Video, das den von mir gescholtenen Kostümdesigner bei der Arbeit zeigt. Er behauptet, dass er sich hinsichtlich des Alten Ägyptens viel Wissen angeeignet hat. Was ja sein mag. In die Praxis umgesetzt hat er davon offensichtlich aber nur sehr wenig 😉



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4 Kommentare:

  1. Verglichen damit ist sogar "Cleopatra" mit Liz Taylor ein Musterbeispiel für eine historisch akkurate Umsetzung ;-)

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    1. Das stimmt leider wirklich.
      Traurig, dass Hollywood in über 50 Jahren nichts dazugelernt hat.

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  2. Der hochgeschätzte Geschichtslehrer unserer Tochter hat die Serie mit den Schülern gemeinsam im Unterricht angesehen und gemeint, die Handlung selbst ist zwar phantasievoll, aber die Ausstattung ist historisch weitestgehend gut recherchiert.
    Ich sollte im wohl am besten mal den Link zu diesem Blogartikel schicken. ;-)
    Allerbeste Grüße
    Hanno

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    1. Nur zu. Man lernt schließlich nie aus, auch nicht als Geschichtslehrer :)

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