Montag, 19. November 2018

📖 Buch: Vespasian - Das Tor zur Macht

Blutige Unterhaltung

"Das Tor zur Macht" ist Robert Fabbris zweiter Roman ĂŒber den Aufstieg des spĂ€teren römischen Kaisers Titus Flavius Vespasianus. Die Handlung schließt - trotz eines zeitlichen Abstandes von ein paar Jahren - relativ nahtlos an den ersten Teil an.
Aus KarrieregrĂŒnden hatten sich Vespasian und sein Bruder Sabinus in die Machenschaften der römischen Eliten verstricken lassen und werden nun immer tiefer in einen Sumpf aus Intrigen, Gier, Mord und Rachedurst hineingezogen. Waren sie anfangs noch weitestgehend anonyme Akteure im Hintergrund, so rĂŒcken sie nun mit ihren AktivitĂ€ten immer stĂ€rker ins Blickfeld der MĂ€chtigen. Dabei geraten sie diesmal nicht nur mit Piraten und Ă€ußerst gefĂ€hrlichen Geten aneinender, sondern auch mit gedungenen Mördern, die auf ihre Familie angesetzt wurden. Schlussendlich kommt außerdem der im ersten Roman begonnene Handlungsbogen mit dem machthungrigen PrĂ€torianer-PrĂ€fekten Seianus zum Abschluss.

Die rund um den Aufsteiger Vespasian erdachte Geschichte wirkt recht stimmig, die Sprache der handelnden Personen ist oft unterhaltsam derb und der Autor verzettelte sich nicht in irgendwelchen NebensĂ€chlichkeiten. Fabbri hat hier gar nicht erst versucht, Literatur fĂŒr Hochdenker zu kreieren sondern will wohl vor allem leichte Unterhaltung bieten. Mir gefĂ€llt das, denn mit Autoren, die z.B. ĂŒber mehrere Seiten hinweg vom Bodenbelag bis zu den Topfpflanzen jedes Detail eines Raumes beschreiben, bevor sie ĂŒberhaupt nur daran denken, endlich die Handlung voranzubringen, kann ich herzlich wenig anfangen.

Ein sicher nicht unwichtiges QulitĂ€tskriterium fĂŒr einen historischen Roman ist das halbwegs korrekte Darstellen des geschichtlichen Rahmens, in dem die erzĂ€hlte Story spielt. Im Großen und Ganzen hat hier Fabbri seine Hausaufgaben gemacht und die wichtigsten ĂŒberlieferten Quellen - wie z.B. Suetons Kaiserbiographien - studiert. Dieser Schluss ergibt sich aus vielen Details  - etwa wenn der jugendliche und (noch) nicht wahnsinnige Caligula sich vorzeitig mit Kopfschmerzen von einem Festmahl zurĂŒckzieht. Das mag ziemlich trivial erscheinen, allerdings litt der spĂ€tere Kaiser tatsĂ€chlich an chronischen Kopfschmerzen und einige moderne Historiker fĂŒhren seine zunehmende Grausamkeit sogar auf ein verstĂ€rktes Auftreten dieses Leidens zurĂŒck. Auch die Charakterisierung von Kaiser Tiberius als Lustmolch und Perversling geht mit biographischen Quellen der Antike konform (ist aber in der modernen Geschichtsforschung nicht ganz unumstritten).
Trotz Fabbris Blick in die Überlieferungen finden sich wie schon im ersten Roman auch diesmal ein paar Patzer. Z.B. wenn es an einer Stelle heißt: "Seianus hat mir kurz zuvor einen Sitz im Senat vereitelt, um einen seiner MĂ€nner ins Amt zu hieven. Zum Trost gab er mir das Kommando ĂŒber die Vierte Scythica". Der Fehler liegt hier darin, dass es in jener Zeit Senatoren vorbehalten war, (als Legat) eine Legion wie die 4. Scythica  zu kommandieren - es sei denn, der Stationierungsort lag in der Provinz Ägypten, was hier aber nicht der Fall ist. An sich sind solche vereinzelt auftretenden Kleinigkeiten ja verheizbar. Wenn dann aber bei einer Beschreibung von Rom ausgerechnet die Caracalla-Thermen erwĂ€hnt werden, welche, wie alleine schon der Name verdeutlicht, erst von einem wesentlich spĂ€ter lebenden Kaiser errichtet wurden, dann ist mir das doch zu viel der Schludrigkeit und fĂŒhrt entsprechend in meiner Bewertung zu PunkteabzĂŒgen.

Ein fĂŒr mich unterhaltsamer Aspekt der Vespasian-BĂŒcher ist der Umstand, dass man darin etlichen historischen Persönlichkeiten begegnet, bevor diese voll ins Licht der Geschichte getreten sind. Dazu zĂ€hlt nicht nur der Protagonist selbst, sondern auch der oben schon erwĂ€hnte Caligula und die beiden (Ex-)Sklaven Pallas und Narcissus (die spĂ€ter unter Kaiser Claudius zu großem Einfluss gelangen sollten). Fabbri hat sich hier einige durchaus plausible und interessante Geschichten ausgedacht, um die mehr oder weniger großen Löcher in den frĂŒhen Abschnitten der LebenslĂ€ufe all dieser Personen zu fĂŒllen.

Fazit: "Vespasian - Das Tor zur Macht" ist keine Welt-, sondern Unterhaltungsliteratur und in gewisser Weise das Äquivalent zu einem modernen Action-Kracher im Kino. Wer mit genau dieser Erwartung an das Buch herangeht, dĂŒrfte trotz kleinerer MĂ€ngel Gefallen daran finden.

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🔊Hinweis: Wie schon beim ersten Teil der Reihe, so gibt es auch diesmal wieder vom auf historische Romane spezialisierten Freiburger Verlag "Audiobuch" eine Hörbuch-Fassung. Und zwar - was meiner Ansicht nach sehr wichtig ist - eine ungekĂŒrzte! Auch die beiden kommenden Vespasian-Romane, die auf Deutsch im Januar und Februar 2019 erscheinen, werden parallel zu Rowohlts Taschenbuchausgaben als HörbĂŒcher erhĂ€ltlich sein.

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WeiterfĂŒhrende Informationen:



3 Kommentare:

  1. Die einzelnen Teile erscheinen ja ganz schön schnell hintereinander. Das ist mal etwas anderes, als ein Jahr oder lĂ€nger auf die Fortsetzung warten zu mĂŒssen wie zB bei Bernard Cornwells Uhtred.

    Gero

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    1. Obwohl es ein Schweizer Autor ist, sind die BĂŒcher alle zuerst in englischer Sprache erschienen. Und jetzt veröffentlicht man quasi in einem Rutsch die deutschen Übersetzungen davon.

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  2. >> Unterhaltungsliteratur <<
    Genau. Jelinek und Musil sollen die selbstzertifizierten Oberschlauen lesen und dann so tun, als hÀtten sie alles verstanden :-)
    JJ

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