Der in mancherlei Hinsicht nonkonforme Archäologie-Professor Raimund Karl schreibt auf seinem Blog hinsichtlich des "immateriellen Kulturerbes Schatzsuche" (!!!) folgendes:
Ein System, wie wir es derzeit nahezu im ganzen deutschen Sprachraum haben, bei dem die von uns als ‚böse‘ betrachteten Schatzsucher und Privatsammler zur Achtung unserer Werte und unseres kulturellen Erbes verpflichtet sind, während wir sie, ihre Werte und ihr kulturelles Erbe mit absoluter Verachtung strafen dürfen, mag uns zwar gefallen und uns nutzen, aber hat in den Gesellschaften, in denen wir leben, und deren Verfassungsordnung, die sie sich selbst gegeben haben, keinen Platz. Es ist ein solches System nicht mehr und nicht weniger als ein Missbrauch der Idee des Kulturgüterschutzes zur Förderung unserer eigenen kulturellen Interessen und Werte auf Kosten derer (wenigstens mancher) unserer MitbürgerInnen, und das ist im höchsten Grade unethisch; selbst für ArchäologInnen, denen der Staat keine denkmalpflegerischen Machtbefugnisse eingeräumt hat; und noch viel mehr für staatliche DenkmalpflegerInnen, die vom Staat mit Machtbefugnissen betraut wurden, um die vom Staat verfolgten Ziele – dem gerechten und ausgewogenen Schutz der Interessen aller seiner BürgerInnen – zum Wohle aller zu verwirklichen.
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Huiuiui, dieser Text dürfte wieder einmal bei einigen seiner Berufskollegen - die hinsichtlich des Sondengehens bzw. Schatzsuchens eine Schwarz-Weiß-Sicht bevorzugen - die Hutschnur reißen lassen. Oder wie man hier auch sagt: Da geht der Feitl im Hosensack auf! 😄
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Aus dem Wolkenkuckucksheim: Archäologische Rekonstruktion im Industriegebiet
Die deutsche Gemeinde Herxheim - die als Fundort unzähliger grausig zu Tode gekommener Menschen der Jungsteinzeit von sich Reden machte - hat eine Art Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Hauses spendiert bekommen. Errichtet wurde der Holzpfosten-Bau direkt an einer stark befahrenen Straße neben einem Industriegebiet - wie u.a. dieses Video eindrücklich dokumentiert.
Wer wählt denn bitteschön so einen Standort aus? Schließlich ist es doch nicht dermaßen wichtig, dass eine Rekonstruktion genau an dem Platz errichtet wird, wo die Archäologen ursprünglich gegraben haben. Praktischen keinen Besucher stört es, wenn man den Bau in einer ruhigeren Ecke in z.B. 500 oder 1000 m Entfernung ansiedelt. Ganz im Gegenteil, das Ambiente ist schließlich von zentraler Bedeutung für den Gesamteindruck. Wie soll man sich denn bei all dem Straßenlärm, der mit Abgasen verpesten Luft und dieser hässlichen Kulisse gedanklich in die Jungsteinzeit zurückversetzen? Wer bleibt denn freiwillig länger als ein paar Minuten an so einem Ort?
Die bei diesem Fall zutage tretende Ignoranz der Verantwortlichen ist nach meinem Dafürhalten beachtlich. Aber jede Wette, es mangelt wie üblich nicht an blumigen Ausreden Begründungen. Ich höre schon förmlich, wie diese Schlauberger aus ihrem Wolkenkuckucksheim heraus irgendwas von "Sichtbarmachen im öffentlichen Raum" oder einen ähnlichen Unsinn verzapfen.
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Campus Galli: Im Dunkeln ist gut munkeln
Auf der Schweizer Website Baublatt.ch fühlte sich jemand bemüßigt, der Mittelalterbaustelle Campus Galli eine unkritische 'Apologie' zu widmen. Darin heißt es:
So gesehen sind beim Campus Galli nicht nur historische Quellen sondern immer wieder Improvisationstalent gefragt. Das kommt in der Mittelalterszene nicht bei allen gut an. So hat sich beispielsweise der österreichische Blogger und selbsternannte Wanderer zwischen Antike und Mittelalter «Hiltibold» regelrecht auf den Campus eingeschossen und bezeichnet ihn gerne mal als «verkapptes Disneyland».
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Wer sonst, außer ich selbst, sollte das Blog - dem Inhalt entsprechend - benennen? Oder gibt es neuerdings auch externe Stellen, die das für einen übernehmen? 😊
Freilich, mit dem Wort "selbsternannt" soll hier wenig subtil angedeutet werden, dass dieser Hiltibold wahrscheinlich nicht über die nötige Bescheidwisserschaft verfügt. Und der vage Hinweis auf die doch recht bunte Mittelalterszene - anstatt in meinem Fall korrekt von 'Living History' zu sprechen - dient dem Zweck, mich in die Nähe schräger Vögel zu rücken, die nicht ernst genommen werden müssen. Gleichzeitige wurde auf die von mir am Campus Galli geäußerte Kritik nicht ein einziges Mal konkret eingegangen. Ganz schön schwach.
Apropos "Campus Galli" und "schwach": Den Betreibern dieser experimentalarchäologischen Gehschule ist es in der Saison 2018 trotz üppiger Fördergelder nicht einmal mehr dem Anschein nach gelungen, 'positiv' zu bilanzieren. Vielmehr fehlen satte 170.000 Euro in der Kasse. Selbst der Südkurier - seit jeher ein medialer Cheerleader des Projekts - tut sich trotz augenscheinlichem Bemühen schwer, diesen unguten Sachverhalt in einem aktuellen Artikel schönzuschreiben.
Man beachte auch, mit welcher frechen Selbstverständlichkeit der verantwortliche Geschäftsführer des Campus Galli - laut einem Bericht der Schwäbischen Zeitung - verlangt, die Standortgemeinde Meßkirch solle nicht nur für den oben erwähnten Fehlbetrag mit Steuergeld gerade stehen, sondern zukünftig gleich gar keine konkreten Erwartungen mehr an das massiv defizitäre Bauprojekt stellen.
Der wahre Grund für dieses Ansinnen ist nicht schwer zu erraten: Werden keine klaren wirtschaftlichen Ziele definiert, so können diese auch nicht verfehlt werden. Will heißen, man nimmt Kritikern des Projekts einen legitimen Angriffspunkt, ohne jedoch die ursächlichen Probleme zu beheben.
Die bisher schon nicht gerade um echte Transparenz bemühten Verantwortlichen des Campus Galli agieren immer offensichtlicher wie ein Obskurantenzirkel.
Der wahre Grund für dieses Ansinnen ist nicht schwer zu erraten: Werden keine klaren wirtschaftlichen Ziele definiert, so können diese auch nicht verfehlt werden. Will heißen, man nimmt Kritikern des Projekts einen legitimen Angriffspunkt, ohne jedoch die ursächlichen Probleme zu beheben.
Die bisher schon nicht gerade um echte Transparenz bemühten Verantwortlichen des Campus Galli agieren immer offensichtlicher wie ein Obskurantenzirkel.
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Fake-Rezensionen
Viel halte ich von Fake-Rezensionen bei Amazon ja nicht. Wenn sie aber lustig sind, dann will ich ein Auge zudrücken. So etwa im Fall eines Champagners, der mit wohlfeilen 2.414 Euro zu Buche schlägt. Da haben sich im Rezensionsbereich einige Spaßvögel geradezu einen Wettbewerb geliefert 😃 Klick mich
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Weitere interessante Themen:
- Die Evolution der römischen Toga
- Der überraschend komplexe Aufbau frühmittelalterlicher Schwertklingen
- Buch: Die konstantinische Petersbasilika am Vatikan in Rom
Dieser Campus Knalli sorgt wirklich unablässig für gute Unterhaltung ;-)
AntwortenLöschenDer Wanderschmied
Ich bin mir sicher, es handelt sich bei diesem Projekt in Wirklichkeit um eine Satire. Es muss einfach so sein ...
LöschenMir ist das Lachen schon lange vergangen. Es geht mit dem CG so weiter wie bisher. Dass der Rat der Stadt den Fehlbetrag begleicht, steht außer Zweifel. Was bleibt ihm auch anderes übrig? Den Betrieb schließen und eingestehen, dass man Millionen vernichtet hat? Im Gegensatz zu Meßkirchs triumphaler Großmoschee wird die Klosterstadt ja nicht aus irgendwelchen ausländischen Quellen finanziert ...
LöschenQX
@ QX Sehr richtig! Der Antrag von Geschäftsführer Napierala war selbstverständlich eine reine Formalie. Hinter den Kulissen ist längst ausgemacht, dass die Stadt immer für die Verluste des Campus Galli aufkommen wird. Nur für die Öffentlichkeit spielt man Demokratie-Theater.
LöschenAber vielleicht, um auf den Vergleich mit der Moscheefinanzierung zu kommen, spendet ja die Piusbruderschaft für den Campus Galli? Man müsste als Gegenleistung vielleicht nur einen Vertreter der Bruderschaft das Hochamt in der Klosterkirche leiten lassen.
Mr. Frog
Zu Herxheim: das ist eine 10000-Einwohner-Gemeinde mit einem zentral gelegenem Museum, früher war hier viel Tabakanbau, auf der Hinfahrt waren schon mal viele Spargelfelder zu sehen, wir waren mal an einem Festtag im Museum mit abgesperrten Straßen in der Innenstadt, verkaufsoffenen Läden, Hoffesten von Weinbauern und diversen Ständen.
AntwortenLöschenIch glaube nicht, daß mittlerweile für Herxheim der Bandkeramiker-Kannibalismus unstrittig nachgewiesen wurde. Ich glaube die Option mit den schon Toten, die hierher gebracht und nach bizarren Riten in die Gräben geworfen wurden, gibt es immer noch. Jedenfalls muß Herxheim damals eine überregionale Bedeutung gehabt haben und das heutige Herxheim hat sie nun durch die Funde für die Archäologie ebenfalls.
In einem alten Blogeintrag von mir (Suche via "Herxheim, Teil 1 – Bandkeramiker-Kultplatz") gibts ein Foto aus dem Museum, das sehr schön zeigt, wie man sich die Lage der Gräben um den Kreisel vorstellt. Die gehen nach der Vorstellung nicht nur um den Kreisel, sondern auch noch um das im Hintergrund davon im Video zu sehende Möbelhaus herum. Das Dilemma ist wohl, daß das fußgänger- und verweilunfreundliche Industriegebiet Hand in Hand mit der erkannten Bedeutung und der internationalen Bekanntheit des archäologischen Fundorts entstand.
Vermutlich wird man heute auch nicht hinreichend gut feststellen können, welchen Stellenwert die in Herxheim sichtbar gewordene relativ kurze Phase bei den Bandkeramikern hatte. Vielleicht war es ja wirklich die Endphase einer europäisch bedeutsamen Epoche, dann hätte man eigentlich den Kreiselbau und das Industriegebiet soweit möglich rückgängig machen und ein entsprechend gewidmetes Museum reinpflanzen müssen. Vielleicht mit Gängen entlang Schnitten durch die Gräben im Keller und draußen mit Steinzeit-Rekonstruktionen.
Anderseits, wenn ich mich versuche in einen "normalen" Herxheimer ohne besondere Steinzeit-Affinität reinzuversetzen, dann hätte ich das natürlich nicht bezahlen wollen. Auch das bestehende, jetzt schon stark steinzeitlastige Museum im Zentrum müßte sich immer wieder durch Veranstaltungen rechtfertigen, die auch mich interessieren.
So gesehen würde ich die Innenstadt nicht durch Steinzeitrekonstruktionen "belasten" wollen und halte einen Erinnerungsort am Ort der Grabung für sinnvoll. Vielleicht mit einem Rundweg, der irgendwie verkehrssicher gemacht wird. Und lokale Führungen in Kombination mit dem zentralen Museum, wo man dann einen ruhigen Saal mit einem Vortrag oder einer Filmvorführung auslasten kann.
Wir haben in Herxheim immer die originale Fundstelle angesteuert, auch wenn wir keine Zeit mehr fürs Museum hatten. So etwas ist jetzt auch nicht mehr zu verhindern. Da bringt ein 500 oder 1000 m entferner Standort fürs Steinzeithaus nicht mehr viel. Ein dritter Standort wäre vielleicht via einer anderen Ausgrabung denkbar, ein Hügelgräberfeld hätte Herxheim auch noch anzubieten, wobei ich aber zweifle ob so ein dritter Standort die notwendige Anziehungskraft entwickeln könnte.
Viele Grüße
Jürgen
Beliebt macht er sich der Archäologe mit solchen Analysen sicher nicht. Vor allem weil er sehr ausführlich argumentiert, was Hardliner im Denkmalschutz ja fast nie tun, einfach weil sie es nicht müssen, da sie sowieso am längeren Ast sitzen. Jetzt sind diese Leute natürlich intellektuell schwer überfordert, wenn plötzlich wer daherkommt, der mehr drauf hat als sie. Und Sprachlosigkeit macht einfache Gemüter, die kompetente Widerworte nicht gewohnt sind, immer wütend.
AntwortenLöschenLG,
Erwin
Ich halte diese unfertige Bude in Herxheim schlicht und ergreifend für die übliche kommunale Steuergeldvernichtung. Wenn man den Grabungsort hätte gut sichtbar markieren wollen, dann hätte dieses überdimensionale Beil, das man in dem Video sieht, allemal ausgereicht.
AntwortenLöschenJedes Kuhdorf, das mal wegen der Archäologie in die Schlagzeilen gekommen ist, baut sich mittlerweile sein eigenes Museum oder Denkmal. Oft nicht einmal um Originalfunde zu beherbergen, sondern irgend eine Kopie, wie z.B. in Nebra. So gut wie alle diese Pseudoattraktionen verheizen Unmengen Steuergeld und locken kaum Besucher an. Ich bin deshalb schon lange strickt gegen diesen Blödsinn. Die Kosten stehen in keinem akzeptablen Verhältnis zum Nutzen.
Betrachte ich Satellitenbilder von Herxheim, dann gäbe es dort tatsächlich genügend bessere Alternativstandorte. Aber letztendlich muss ich vor allem meinem Vorredner zustimmen: Steuergeldverschwendung. Es fehlt der Gemeinde das Geld, etwas Vernünftiges bzw. Ansehnliches zu bauen, aber weil man sich einbildet, die Geschichte unbedingt touristisch verwerten zu müssen, lässt man sich wie so oft eine halbe Sache ein.
AntwortenLöschenWas könnte man doch für tolle regionale Freilichtmuseen finanzieren, wenn nicht jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kochen würde!
Wünsche eine schöne Adventszeit!