Mittwoch, 3. Juni 2020

Krimskrams: Das erfundene Mittelalter und Wikipedia -- Meine nicht normgerechten Quellenangaben -- usw.

Das erfundene Mittelalter und Wikipedia

Heribert Illig, der berühmt-berüchtigte Erfinder des "Erfundenen Mittelalters", gibt sich in einem aktuellen Text über Wikipedia verstimmt.

Hier wird noch einmal, gewissermaßen im historischen Rückblick, der Umgang bei Wikipedia mit abweichenden Meinungen dokumentiert und kommentiert. Wenn man sich erinnert, wie die Wissenschaftler und die Wikipedia, in diesem Fall zum Teil in Personalunion, ihren Kontrahenten verleumdet haben, dann bestätigt sich: Wer keine guten Argumente hat, muss untergriffig werden.


Der gewohnt eloquent formulierte Text von Heribert Illig ist insofern interessant, weil er darin die von viel Kritik geprägte, immerhin bereits drei Jahrzehnte umfassende Rezeptionsgeschichte seiner These Revue passieren lässt.

Nun halte ich von Illigs "erfundenem Mittelalter" bzw. der rund 300jährigen "Phantomzeit" nicht übermäßig viel. Einfach weil er dabei z.T. genauso schludrig wie jene Historiker argumentiert, die er seit Jahren publizistisch aufs Korn nimmt. Das wurde von mir im Rahmen des Blogs ja schon einmal etwas näher anhand einiger Beispiele erörtert: Ich erinnere nur an Illigs Behauptung, römische Reitersoldaten hätten Kurzschwerter benutzt, damit sie nicht beim Ausholen aufgrund fehlender Steigbügel aus dem Sattel kippen; das ist gleich in mehrfacher Hinsicht nachweislich Unsinn. Trotzdem, sowohl ein Illig wie auch seine Theorie verdienen eine faire und kompetente lexikalische Behandlung. Ich weiß natürlich, das überlastet das Emotionsgerüst und den Verstand jener, die es gewöhnt sind in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken und meinen, der Zweck heilige die Mittel. Da diese Sorte Mensch die Wikipedia schon seit einigen Jahren dominiert, ist der Wunsch nach Fairness dort per se völlig illusorisch. Da könnte man genauso gut den Mond anheulen, er möge doch heller scheinen.

Wer sich jedoch ungefiltert ein tiefergehendes Bild von der Phantomzeit-These und dem Drumherum machen möchte, der findet - neben dem oben verlinkten Text - vor allem im Online-Archiv des von Illig und Kollegen herausgegeben Periodikums "Zeitensprünge" reichhaltiges Informationsmaterial. Und bitte nicht vorab "bäähh" sagen; es findet sich unter den Artikeln nämlich durchaus auch Interessantes, das zum kritischen Nachdenken anregt. Nur weil die Phantomzeit-These zu weit gegriffen scheint, trifft dies nicht automatisch für jede der von Illig geäußerten Kritiken an der arrivierten Geschichtsforschung zu. Diese Ansicht vertreten vorsichtig sogar einige  hauptberufliche Historiker, so etwa vor ein paar Jahren im Rahmen einer Diskussionsrunde an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Letztendlich ist es so, dass unsere Geschichte zwar ein interessantes und abwechslungsreiches Themengebiet ist, doch die Geschichtswissenschaft selbst besteht primär aus subjektiven Meinungen - kurz gesagt, sie ist eine 'Meinungswissenschaft' und als solche auch nur eingeschränkt wissenschaftlich. Zugeben werden das freilich nur wenige Historiker, schließlich würden sie damit ihren eigenen Deutungsanspruch und ihren sozialen Status gehörig umterminieren.

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Meine "nicht normgerechten Quellenangaben" ...

... wurden von einer Leserin angesprochen (siehe z.B. die Quellenangaben hier). Nur welche Norm? Ich kenne diesbezüglich keine, sondern bloß verschiedene empfohlene Varianten, von denen manche gebräuchlicher sind als andere. Zusätzlich dazu habe ich eben meine eigene entwickelt, die ich persönlich für übersichtlicher und hinsichtlich des Blogs auch für zweckdienlicher halte. 

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Eine fleißige Biene und vier Penner

Eine größere Anschaffung in Sachen Living History stand an: Fünf Händler/Handwerker für höherwertiges Zubehör habe ich daher ungefähr zeitgleich angeschrieben, um Auskunft zu ihrer feilgebotenen Ware zu erbitten. Einer hat flink nach einem Arbeitstag geantwortet (und nach erfolgter Bestellung auch zügig geliefert). Doch ein anderer erst nach sechs Arbeitstagen und ein dritter benötigte gar acht. Zwei haben sich gleich gar nicht gerührt.
Grrr, wie mir solche unprofessionellen Penner auf den Wecker gehen - obwohl ich dieses Verhalten nach all den Jahren ja längst gewöhnt sein müsste. Was mich diesmal aber besonders erstaunt: Diese Handwerker sollten doch eigentlich froh darüber sein, wenn sie gerade jetzt - nach der Absage von zig Living-History- bzw. Museums-Veranstaltungen - ihren Krempel wenigstens übers Netz verhökern können. Warum also der augenscheinliche Mangel an Elan?

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3 Kommentare:

  1. Eine Quellenangabe, die nicht "normgerecht" ist, ist immer noch viel besser als gar keine, wie das bei der Mehrzahl der professionellen Medienerzeugnissen der Fall ist.
    C3PO

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  2. Für mich ist Heribert Illig mit seinen Thesen einerseits zu einem geschätzten Sparringpartner geworden. Will man ihn inhaltlich widerlegen, muss man sich schon ein wenig Mühe geben. Ich habe, dank der Auseinandersetzung mit Illigs Thesen, viel gelernt.

    Andererseits sind Leute wie Illig ein Lackmustest, wie es um Fairness und Denkfaulheit innerhalb einer wissenschaftlichen Gemeinschaft bestellt ist. Jeder Historiker, der sich mit Illig inhaltlich auseinandersetzt, anstatt ihn pauschal als Trottel abzustempeln, steigt daher in meiner Achtung und Wertschätzung beträchtlich.

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  3. Von den Repliken auf Herbert Illig habe ich im Grunde sehr wenig mitbekommen, da ich durch den Ductus regelmäßig abgeschreckt war und abgeschaltet habe. In Erinnerung geblieben ist mir lediglich eine Kindersendung des Bayerischen Rundfunks, in der eine Archäologin ein blitzblankes goldenes Artefakt aus einem Erdloch holte und den sie umringenden Kindern mitteilte, "eindeutig zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts". Interessanterweise ist mir aus meinem Examensklausurenkurs in Erinnerung geblieben, dass die Wortwahl "eindeutig","zweifellos" oder so ähnlich als "Lügenzeichen"zu betrachten wäre, mit dem das grundlegende Kernproblem umschifft werden soll...

    Ich persönlich hege ja die Vermutung, dass sich die "verschwundenen"Jahrhunderte im Konzil von Nicäa verstecken (bzw. in der dortigen ersten Korrektur des Julianischen Kalenders). Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich das nicht recht verstanden habe, ist leider erheblich...

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