Montag, 15. Februar 2021

📖 Buch: My wicked, wicked ways - Die Autobiographie von Errol Flynn

"Vielleicht ist dies kein Buch, mit dem man seine Tochter zuhause alleine lassen sollte; andererseits war auch Errol Flynn kein Mann, den man mit seiner Tochter zuhause alleine lassen sollte."    Guardian

Warum bespreche ich hier die Autobiographie eines Schauspielers, der vor allem in den 1930ern und 1940ern ein Star war? Passt das thematisch überhaupt zum Blog? Jain 😀
An sich interessiert mich das Privatleben von Unterhaltungskünstlern nicht die Bohne; früher, als ich noch tagtäglich das Fernsehprogramm konsumierte, wurde immer sofort den Kanal gewechselt, sobald Begriffe wie "Star" oder "Promi" auftauchten. Die Umtriebe und Wortspenden dieser Kategorie Mensch waren mir in der Regel einfach zu dümmlich, trivial und weltfremd, als dass ich damit meine Zeit hätte vertrödeln wollen.
Errol Flynn andererseits nimmt bei mir eine Sonderstellung ein: Erstens spielte er nicht nur einen Abenteurer in Filmen, er war es für einige Jahre auch im echten Leben. Und zweitens prägte dieser Mantel-und-Degen-Schauspieler ohne jeden Zweifel maßgeblich mein Interesse für Geschichte. Filme wie "Der Herr der Sieben Meere" begeisterten mich für die Ära der Segelkriegsschiffe, und  "Robin Hood, König der Vagabunden" weckte in mir großes Interesse fürs Mittelalter (so sehr, dass "Ritter-LEGO" lange Zeit einen Stammplatz auf meinen Weihnachtswunschzetteln gehabt hat). Dass Flynns Filme schon uralt waren, als ich sie als Kind in den 1980ern und 1990ern meist im Wochenendprogramm des ORF zum ersten Mal gesehen habe, hat mich damals nicht gestört. Heute wirkt natürlich einiges daran unfreiwillig komisch, aber ich ziehe sie trotzdem den meisten modernen Hollywood-Produktionen vor.

Errol Flynn wurde 1909 auf Tasmanien als Sohn eines renommierten Meeresbiologen geboren - und er war ein eher schwieriges Kind. Nach einigen selbst verschuldeten Schulwechseln entschied er sich dafür, verfrüht und ohne Abschluss ins Berufsleben einzutreten. Sein erster Job endete allerdings schon nach kurzer Zeit abrupt, da er gemeinsam mit einem Arbeitskollegen die Portokasse beim Pferderennen verspielt hatte. Nach einigen weiteren Irrungen und Wirrungen landete er schließlich auf der Insel Neuguinea, die damals z.T. unter australischer Verwaltung stand. Obwohl von nichts eine Ahnung habend, gelang es ihm trotzdem, einen kolonialen Verwaltungsposten zu ergattern; doch auch diesen verlor er bald wieder, da er von seinem Vorgesetzten beim Ehebruch mit dessen gut aussehender Frau auf frischer Tat ertappt wurde (was in einer wüsten Prügelei endete). Nach dieser Episode betätigt sich Flynn auf Neuguinea als Verwalter eine Kokosnussplantage, als Dynamitfischer, als Goldgräber, als eine Art 'Sklavenhändler', als Jäger wertvoller Papageien und einiges mehr. Immer wieder kommt er dabei mit dem Gesetz in Konflikt. Mehr noch: Bei einem Abstecher nach Australien erleichtert er seine reiche und verheiratete Geliebte um wertvollen Schmuck, nur um kurz darauf selbst bestohlen zu werden und wieder mit leeren Taschen dazustehen. Ein Zustand, der seine frühen Jahre prägte.
Man könnte die Aufzählung noch lange fortführen. Alleine die Dinge, die Flynn gemeinsam mit dem österreichischen Arzt und Abenteurer Hermann Friedrich Karl Theodor Erben ("Koets") auf einer langen Reise nach England und später im Spanischen Bürgerkrieg erlebte, wären eine ausführlichere Betrachtung wert. Aber das würde den Rahmen dieser Rezension sprengen.

Mitte 20 wurde Flynn dann von Hollywood entdeckt, stieg in Rekordzeit zum Superstar auf und wurde nicht zuletzt vom weiblichen Publikum immens verehrt. Obschon er viele Frauen hatte (gerne beschreibt er deren anatomische Vorzüge), so war sein Glück mit diesen insgesamt eher bescheiden. Beispielsweise wurde er von seiner ersten Ehefrau, der Schauspielerin Lili Damita, bis zu seinem Tod finanziell gemolken. Überhaupt stand diese Ehe von Anfang an unter keinem guten Stern. Nicht nur, dass ihn die französisch-stämmige Lili in den Pariser Lesben-Club Le Monocle mitschleppte, was für Flynn mit einem Gefängnisaufenthalt endete; vielmehr zog sie ihm im während einer Party zuhause sogar von hinten eine Weinflasche über den Schädel. Während Flynn zu Boden ging, gab er seiner Frau allerdings im Fallen noch einen Haken mit und schlug ihr dabei einen Zahn aus... Rein reflexartig, habe er gehandelt. Eine Frau willentlich zu schlagen, käme ihm nämlich nicht in den Sinn, betont er. Doch dem widerspricht eine andere, höchst bemerkenswerte Episode, von der Flynn berichtet: Während den Dreharbeiten zu dem Film "Günstling einer Königin" sollte ihm Bette Davis bei einer Probe zum Schein eine Ohrfeige verpassen. Doch anstatt vorbeizuschlagen, traf sie ihn mit ihrer Hand, die voller schwerer Juwelenringe war, wuchtig auf den Unterkiefer. Flynn war davon überzeugt, dass dies pure Absicht gewesen ist, denn seine schauspielerisch erfahrenere und durchaus auch begabtere Kollegin sei verärgert darüber gewesen, deutlich weniger Gage als er selbst zu erhalten. Nachdem ihm Bette Davis zu verstehen gegeben hatte, dass sie auch später bei den eigentlichen Filmaufnahmen wieder kräftig hinlangen würde - sie könne es nämlich nicht anders - ging er in seinen Umkleideraum und übergab sich. Auch Flynns wiederholte Versuch einer Aussprache führte zu nichts. Also fasste er den Entschluss, es Davis mit gleicher Münze zurückzuzahlen - egal, ob das für ihn das Karriereende bedeuten würde. Als sich die beiden dann vor den Kameras wieder gegenüberstanden, heißt es weiter, muss Davis aber in Flynns Augen erkannt haben, was ihr gegebenenfalls blüht - und so schlug sie dieses Mal mit allergrößter Geschicklichkeit an ihm vorbei.
Die zweite Hälfte des Buchs ist voll mit solchen unterhaltsamen Anekdoten aus dem Filmgeschäft zu Flynns Zeit. Bemerkenswert fand ich auch, wie oft es damals noch zu schweren Verletzungen und sogar Todesfällen unter Schauspielern und Stuntmen während Dreharbeiten kam. Ganz zu schweigen wie man mit Tieren umging. Viele Pferde wurden, um möglichst spektakuläre Aufnahmen zu erhalten, misshandelt und verendeten, merkt Flynn kritisch an; doch bereits zu seiner Zeit erfolgte hier ein Umdenken.

Errol Flynns Schreibstil ist lebendig, voller Selbstironie und entsprechend unterhaltsam. Er baut etliche Dialoge ein, die er freilich nur recht frei aus seiner Erinnerung wiedergegeben haben konnte; auch Hinzudichtungen sind hier wahrscheinlich. Trotzdem trägt gerade dieser Aspekt maßgeblich zum Lesevergnügen bei. Man hat hier phasenweise weniger das Gefühl, eine Autobiographie zu lesen, sondern vielmehr einen unterhaltsamen Abenteuerroman. Obschon ich sagen muss, dass das Buch im letzten Viertel qualitativ etwas abfällt. Vielleicht auch deshalb, weil das Leben Flynns nun nicht mehr ganz so viele Abenteuer enthielt.

Der Text ist in englischer Sprache. Und es ist das Englisch eines Mannes, der 1909 geboren wurde. Entsprechend habe ich nicht jede Wendung verstanden und musste gelegentlich ein Wörterbuch konsultieren. Allerdings ist es ohnehin ratsam, während dem Lesen ein Tablet oder Smartphone griffbereit zu haben. Viele der Orte, die Flynn beschreibt - so etwa den berüchtigten Lesben-Club "Le Monocle" - kann man heute anhand von im Internet veröffentlichten Fotographien aus den 30er- und 40er-Jahren genauer betrachten. Etwas, das der Autor sich wohl nicht in seinen wildesten Träumen hätte vorstellen können, als er "My wicked, wicked ways" 1959 - seinem letzten Lebensjahr - verfasst hatte.

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4 Kommentare:

  1. Errol Flynn war eine coole Socke und ein Typ, der sehr auf Konventionen gepfiffen hat. Vielleicht kennst du den Film "The Last of Robin Hood" mit Kevin Klein aus dem Jahr 2013? Er spielt darin Errol Flynn in seinen späten Jahren, der eine Beziehung zu einer anfangs erst 15jährigen Nachwuchsschauspielerin hatte. Ein paar Berufskritiker haben gemeckert, aber ich fand den Film gut gemacht.

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    1. Ja, den Film kenne ich. Finde ihn insgesamt ganz ok. Die Macher waren offensichtlich bemüht, Flynn möglichst authentisch darzustellen (das erkennt man an vielen Details, z.B. redet Flynn andere Leute gerne mal mit "Sport" an, was wohl - meines Wissens nach - typisch für seine Ausdrucksweise gewesen sein dürfte).

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  2. Ist ja interessant.Das Taschenbuch kostet nicht die Welt, also hab ichs gleich bestellt. Danke für den Tip, die alten Knacker die sich nicht um den Zeitgeist geschert haben sind immer ein paar Stunden wert.

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    1. So alt ist er gar nicht geworden, wegen seinem Lebensstil ;)

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