Denkmalschutz-Sauereien zum Quadrat
Themenschwerpunkt in Heft 4/2020 der vom Verlag Friedrich Pustet herausgegebenen Zeitschrift "Bayerische Archäologie" ist der "Abriss alter Häuser" wie Stadeln, Bauern- und Wirtshäuser. Anhand von 16 konkreten Beispielen wird dargelegt, mit welcher Leichtig- und Hirnlosigkeit Politiker sowie mutmaßlich kriminelle Immobiliengesellschaften unser historisch-bauliches Erbe unwiederbringlich vernichten, um es durch Parkplätze und neue Häuser im faden Einheitsstil zu ersetzen.
Besondere Bestürzung und große Wut ruft der Fall des im Jahr 1548 errichteten "Rosenzweighauses" im mittelfränkischen Markt Mühlhausen hervor. Trotz einer vom Landesamt für Denkmalpflege als illegal eingestuften Abbruchgenehmigung des baugeschichtlich wertvollen Bürgerhauses und trotz der Tatsache, dass eine Bürgerinitiative die Sanierung übernehmen wollte, ließ der Gemeinderat das Gebäude hastig dem Erdboden gleichmachen. Angeblich sogar gegen den Willen des eigenen Bürgermeisters. Als Grund für diese Eile wird eine 500.000-Euro-Förderung für die "Dorferneuerung" genannt, die man sich nicht entgehen lassen wollte.
Man möchte diese Gemeindepolitiker - vielleicht wäre hier aber auch der Begriff 'Dorfdeppen' probater - für ihre unsagbare Borniertheit gerne mit einem nassen Fetzen traktieren. Was nicht der 2. Weltkrieg vernichtet hat, wird nun ausgerechnet von einer so gerne demonstrativ als Muster-Anti-Nazis posierenden Politikerklasse sukzessive ruiniert. Wenn das mal keine Ironie ist!
Besser ging ein Fall in Bamberg aus. Dort ließ eine Immobilienfirma, die mittlerweile Insolvenz angemeldet hat und gegen die wegen Betrugs ermittelt wird, ein aus zwei Häusern bestehendes Baudenkmal in der Oberen Sandstraße 20 dermaßen verfallen, dass die Fassade durch massive Stützen davor bewahrt werden musste, auf die Straße zu fallen. Eine skandalöse Vernachlässigung, wenn man bedenkt, dass Teile des Komplexes bereits 1358 urkundlich erwähnt worden sind; das bestehende Dachwerk wurde dendrochronologisch in die Jahre 1530/31 datiert; wiederum ein Rückgebäude stammt aus dem 18. Jahrhundert.
Aufgrund von Bürgerprotesten konnten ein weiterer Verfall und ein Abriss jedoch abgewendet werden. Die Stadt kaufte das Vorderhaus von der Immobiliengesellschaft und bezahlte dabei sogar 550.000 weniger, als die Firma selbst bezahlt hatte.
Bezeichnenderweise ist in Bamberg ein weiteres mittelalterliches/frühneuzeitliches Gebäude - der ehemalige "Gasthof zum Roten Ochsen" - aufgrund schwerer Vernachlässigung durch die selbe Immobilienfirma bedroht ...
Beispiele wie die obigen erinnern mich an die Schreinerei von Meister Eder aus der Fernsehserie "Pumuckl". Dieses schöne alte Münchner Hinterhaus, in dem einst die Dreharbeiten stattgefunden haben, wurde ebenfalls abgerissen und durch einen Büroklotz ersetzt.
Funde zum Quadrat - doch Forscher müssen draußen bleiben
In der Tongrube Hammerschmiede bei Pforzen befindet sich eine außergewöhnliche Fundstelle, wo Paläontologen unzählige Überreste von z.T. in Westeuropa längst ausgestorbenen Tieren wie dem Pandabären und dem Riesenkranich ausgraben; auch der bedeutenden Menschenaffenart Danuvius gugenmosi ist man auf der Spur. Erfreulicherweise findet das alles unter Beteiligung begeisterter Bürger statt. Sogar auf eine interessante, von einem Ausgräber selbst gebaute Maschine zum Aussieben von Funden wird dabei zurückgegriffen (etwas in der Art hatte ich noch nie gesehen).
Bemängelt wird vom Artikel-Autor allerdings, dass aufgrund der bayerischen Gesetzgebung nicht mehr von dem Gelände der Tongrube untersucht bzw. unter Schutz gestellt werden kann; vielmehr haben die Wissenschaftler in diesen anderen Bereichen sogar Betretungsverbot.
Verständlich. Das Betretungsverbot meine ich. Der Besitzer wird schließlich kein Interesse daran haben, wegen den archäologischen Maßnahmen, die sich über Jahre oder gar Jahrzehnte hinziehen können, großen finanziellen Schaden zu erleiden. So etwas ist eigentlich immer nur solchen Leuten wurscht, die derartiges selbst nicht treffen kann (weil sie nichts Nennenswertes besitzen, das man ihnen wegnehmen könnte). Forschung kann es ebenso wie Denkmalschutz nicht zum Nulltarif geben.
Heuchler zum Quadrat: Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die in der Heftmitte abgedruckten Mitteilungen der "Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V." haben mich auch diesmal nicht enttäuscht. Im Bericht über die Verleihung eines Archäologiepreises für Schüler des Anne-Frank-Gymnasiums heißt es: "Coronabedingt wurde die Preisverleihung, auch um die geltenden Abstandsregeln einzuhalten, im Erdinger Stadtpark vorgenommen". Daneben prangt ein Bild, auf dem Preisträger und Ehrengäste sich grinsend und ohne Gesichtsvorhang dicht an dicht drängen. 🙄
Um eines klarzustellen, mir persönlich ist jedwede Blockwartmentalität fremd, weshalb es mich an sich auch nicht kratzt, ob diese Leute irgend einen Virensicherheitsabstand einhalten oder nicht. Von mir aus können sie auf offener Bühne auch gerne Lambada tanzen. Aber wenn man schon in einem Artikel die eigene Tugend und Gesetzestreue herausstreicht, dann sollte man dies nicht sogleich mit einem Foto konterkarieren. Es sei denn, man möchte unbedingt in den Augen der Öffentlichkeit als Oberheuchler dastehen.
Fragen zum Quadrat: Ein toter keltischer Bub in der Speichergrube
Zu der absolut bemerkenswerten Funktionsweise von eisenzeitlich-keltischen Speichergruben habe ich im Blog vor ein paar Monaten einen Beitrag veröffentlicht. Darin wies ich auch darauf hin, dass solche Gruben, die sehr häufig archäologisch festgestellt werden, am Ende ihrer primären Nutzungsdauer gerne zur Abfallentsorgung verwendet wurden. Freilich, dass man darin auch Leichen entsorgt hat, war zwar kein übliches Prozedere, kam aber gelegentlich vor. Ein solcher Fall wurde nun in Nördlingen dokumentiert, wo man das in die Latènezeit datierte Skelett eines "9-12jährigen Jungen"* entdeckte.
Der spannende Befund gibt einige Rätsel auf: Handelt es sich vielleicht um die hastige Beseitigung eines Mordopfers? Oder hat man es mit der lieblosen Bestattung eines Menschen von sehr niedrigem sozialem Status zu tun? Etwa einem Kriegsgefangenem bzw. Sklaven? Die vom Autor aufgezählten Befunde sind hier nicht eindeutig, aber in Summe durchaus interessant; verdeutlichen sie doch wie die moderne Archäologie unter Zuhilfenahme naturwissenschaftlicher Methoden in der Lage ist, immer genauere Bilder der Vergangenheit zu entwerfen.
Ein bisschen erinnert mich diese Geschichte übrigens an einen von Archäologen aufgedeckten Fall im antiken Pompeji, der ebenfalls höchst außergewöhnlich ist - siehe meinen Text darüber.
* Warum verwendet das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in einer bayerischen Archäologie-Zeitschrift eigentlich nicht den süddeutschen, aber auch nördlich des Weißwurstäquators verständlichen Begriff "Buben"? Dieses Wort ist schließlich nicht "Dialekt", sondern auch Hochdeutsch.
Es mutet widersprüchlich an, einerseits (zurecht) die Zerstörung von Baudenkmälern zu kritisieren, andererseits aber die ebenfalls schützenswerte Vielfalt der deutschen Sprache gering zu achten und somit genauso dem Verfall preiszugeben.
Weitere Beiträge
- Polder Sulzbach: Archäologie beim Donauausbau
- Reiter im Kreisgraben
- Pandemie in der Altsteinzeit? Krankheitserreger und ihre Ausbreitung unter historischen Jägern und Sammlern (eine interessante Fragestellung, weil schon länger die Theorie herumgeht, erst mit der Sesshaftwerdung seien Pandemien möglich gewesen)
- Nachruf auf Johannes Prammer: Verdient um Sorviodurum
- Neue Bücher
- Ausstellungen
- Veranstaltungen/Abos
- Veranstaltungen/Vorschau
Fazit
Dass im vorliegenden Heft die geradezu böswillige Zerstörung von Baujuwelen anhand besonders aufrüttelnder Beispiele ausführlich dokumentiert worden ist, kann aufgrund der Dringlichkeit des Problems kaum genug gelobt werden. Schließlich arbeiten Zeit und geschichtsvergessene Politignoranten unaufhörlich auf verschiedensten Ebenen an der unwiederbringlichen Vernichtung unserer kulturellen/historischen Erbes. Abseits dieses Schwerpunkts stellen die anderen Themen des Hefts einen abwechslungsreichen Mix dar.
Einen kleinen, aber grundsätzlichen Kritikpunkt kann ich den Machern der Reihe allerdings nicht ersparen - nämlich diese inkonsequent-skurrile Geschlechtergerechtigkeitssprache, bei der man zu Beginn eines Textes pro forma die männliche und weibliche Variante nebeneinander verwendet ("Archäologinnen und Archäologen"), aber bei nächstbester Gelegenheit sofort wieder darauf 'vergisst' ("die Kelten" statt "die Keltinnen und Kelten"), weil der Text anderenfalls schlicht zu anstrengend zu lesen wäre. Möglicherweise findet der geschätzte Herausgeber Roland Gschlößl diese Alibi-Handlungsweise ja so entbehrlich und strohdumm wie ich, traut sich aber nicht gegen den Strom zu schwimmen bzw. konsequent zum generischen Maskulinum zurückzukehren? Was denkt er sich wohl dabei? Mich würde es ehrlich interessieren.
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Weiterführende Informationen:
Weitere interessante Themen:
Am Rosenzweighaus (den Namen habe ich nicht gekannt, aber das Haus) bin ich 31 Jahre lang vorbei gefahren. Als Schuler, als Lehrling, als Angestellter und als Vater. Später ist mein Sohn daran als Schüler vorbeigefahren. Auf einmal war es weg. Ich habe mir zuerst gedacht, dass es eines Unglücks wegen eingestürzt ist, aber wie ich dann Monate später erfahren habe, dass es absichtlich weggerissen worden ist, hat mich das sehr verärgert.
AntwortenLöschenWie viele Menschen haben das schöne alte Häuschen vor mir schon bewundert, und wie viele hätten es nach uns noch bewundern können, wenn wir nicht von Deppen regiert werden würden?
Viele grüße,
Vince
Hilti, Herr Gschlößl würde dir wahrscheinlich sagen, dass er die Berichte so eingereicht bekommt und auch genauso abdrucken muss, damit die Autoren keinen Druck kriegen, wenn sie nicht gendern. Richtige Meinungsfreiheit ist in der Wissenschaft noch nie groß geschrieben worden, vor allem wenn man als Wissenschaftler Erfolg haben möchte. Früher haben die Konservativen die Linken/Progressiven mit der Kommunisten-Keule unterdrückt, heute ist es genau umgekehrt und man wird sofort als Nazi oder "rechts" aus dem Diskursraum gekickt.
AntwortenLöschenC3PO
Gschlößl gendert aber selber genauso inkonsequent und damit blödsinnig.
LöschenAußerdem erscheinen viele der Artikel ohne Nennung der genauen Autorenschaft, das finde ich ebenfalls fragwürdig für so eine Publikation.
Die Hefte sind ansonsten aber nicht schlecht gemacht, bin schon lange Abonnent.
RR
Der Preis stimmt auch, deshalb blicke ich über solchen kleineren Mängel hinweg :-)
LöschenGero
Der Duden will jetzt auch online alles durchgendern.
AntwortenLöschenhttps://reitschuster.de/post/widerstand-gegen-den-gender-duden/
Aber:
>> “Damit widerspricht der Duden nicht nur den Regeln der deutschen Grammatik, sondern auch dem Bundesgerichtshof”, kritisiert der Sprachverein. Der Bundesgerichtshof habe im März 2018 letztinstanzlich festgestellt, dass mit der Bezeichnung “der Kunde” Menschen jeglichen Geschlechts gemeint seien. Er habe damit die Beschwerde einer Klägerin abgewiesen, die von ihrer Sparkasse als “Kundin” bezeichnet werden wollte, führt der Verein aus.<<
Diese Speichergruben sind wirklich eine spannende Sache! LG, Hadi
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