Donnerstag, 25. Februar 2021

⛏️ Nennt mich Howard Carter! Ich habe wohl tatsächlich ein römisches 'Landgut' südlich von Graz entdeckt!

Gebäuderekonstruktion in der Römerstadt Carnuntum (Niederösterreich) | Keine Rechte vorbehalten, doch um die Nennung der Quelle wird gebeten: HILTIBOLD.Blogspot.com

Im November 2018 und im Mai 2019 wurde von mir hier im Blog darüber berichtet, dass ich auf einem Acker in einer südlich von Graz gelegenen Gemeinde ein bisher unbekanntes römerzeitliches 'Landgut' (villa rustica) vermute. Gründe für diese Vermutung waren u.a:
  1. Kleinere Keramikfunde, die mir beim Joggen immer wieder unterkamen.
  2. Die räumliche Nähe zu mehreren römerzeitlichen Hügelgräbern - das nächstgelegene ist sogar außerordentlich groß, was die Vermutung aufkommen lässt, dass der Erbauer wohlhabend war und über ein entsprechendes Landgut verfügte (solche Grabmäler wurden aus Praktikabilitätsgründen  nicht weit vom eigenen Haus errichtet).
  3. Luftaufnahmen, in denen Bewuchsmerkmale auf menschgemachte Strukturen hindeuten. Siehe z.B. das erste der beiden nachfolgenden Bilder.
  4. Die fast schon typische Platzierung in mittlerer Lage auf einem sanft abfallenden Hang in einem Seitental. Hier war man einerseits vor Hochwässern sicher, andererseits entstehen durch das oberhalb versickernde Wasser bereits auf ungefähr halber Hanghöhe Quellen, die von den Römern mit geringem Aufwand angezapft werden konnten (Quellen/Brunnen wurden Fließgewässern als Trinkwasserlieferanten vorgezogen, da sie weniger leicht verunreinigt werden konnten). Unten, entlang des Bachs, waren aufgrund der dort vorherrschenden Bodenfeuchtigkeit oft saftige Viehweiden, weiter oben wurde das feuchtigkeitsempfindlichere Getreide angebaut.
  5. Mutmaßliche Klaubsteinhaufen befinden sich am Rande des betreffenden Ackers. Und zwar nur dort, hingegen bei keinem anderen Acker in der Umgebung.
  6. Lange Zeit wurde am Fundplatz kein Ackerbau betrieben, so als ob alte Steinfundamente im Boden das Pflügen mit dem Pferd verhinderten (siehe dazu den ersten der beiden oben verlinkten Blogbeiträge).
  7. Eine Geländeanomalie, die wie eine künstliche Terrassierung wirkt (zweites der nachfolgenden Bilder). Diese befindet sich ca. dort, wo ich die Bauten anhand von Bewuchsmerkmalen vermute. Dass sich die Terrassierung heute an ihrem unteren Rand wie angenagt präsentiert, könnte auf Erosion durch die beschriebenen Quellen zurückzuführen sei. Besonders wenn es regnet, tritt nämlich an dem Hang an verschiedenen Stellen Wasser aus. Ich muss allerdings einräumen, dass es sich hier auch um eine natürliche geologische Formation handeln könnte oder das verwendete Gelände-3D-Modell von Google Earth fehlerhaft ist.


Quelle: Goole Earth

Nachdem ich ausreichend viele Informationen zusammengetragen hatte - die Suppe also dick genug war - wollte ich das Bundesdenkmalamt darüber informieren. Ärgerlicherweise konnte ich niemanden erreichen - weder per Telefon noch per E-Mail. Doch dann trudelte plötzlich eine E-Mail bei mir ein. Rund zwei Jahre (!) nach meiner versuchten Kontaktaufnahme reagierte man auf einmal und bat mich, nähere Infos rüberwachsen zu lassen. Kurios! Ich kam dem trotzdem gleich nach und erhielt nun, ein paar Wochen später, von einer Archäologin die Bestätigung, dass ich wahrscheinlich wirklich die Reste von bisher undokumentierten baulichen Strukturen aus der Römerzeit entdeckt habe. Hier nun das Schreiben, wobei ich genaue Ortsangaben entfernt habe, da ich nicht möchte, dass der Platz von Metallsuchern abgegrast wird (unser hirnlos-kontraproduktives Denkmalschutzgesetz verunmöglicht es, dass Metallsucher mit den Behörden zusammenarbeiten und Funde melden können, ohne sich einer großen Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen).

Dr. Hebert hat ihre Fundmeldung zum „römischen Landgut“ an mich zur Bearbeitung weitergeleitet. Ich möchte mich herzlich bedanken, da es sich um eine neue Fundstelle handelt, von der bislang kein Fundmaterial bekannt war. Die Strukturen erinnern an eine römerzeitliche Fundstelle in der KG XX (ebenfalls Gemeinde XY), welche über mehrere Jahre hinweg partiell ergraben wurde. Es handelt sich um ländliche Siedlungsspuren (Ständerbauten, Speichergruben), die in Zusammenhang mit einem in unmittelbarer Nähe liegenden Hügelgräberfeld stehen dürften. Auch letzteres zu vergleichen mit ihrer Fundstelle, für die sich ebenfalls Hinweise auf Hügelgräberfelder im Nordosten (Fundstelle „Hügelgräber im XZwald“) und Nordwesten (Fundstelle „Hügelgräber XX-Bahn“) finden. Das im Blog präsentierte Fundmaterial könnte – mit aller Vorsicht ohne tatsächliche „Live“-Begutachtung – zeitlich zu einem solchen Befund passen. Die im Franziszeischen Kataster ersichtliche Aussparung aus dem Weide- und Wiesenland sowie die entdeckten Klaubsteinhaufen würde auch ich als Hinweis auf mögliche ehemals vorhandene Steinbauten bzw. steinerne Fundamente werten.
[...]
Ich hoffe Ihnen damit auch meinerseits weitergeholfen zu haben!

Wer ebenfalls z.B. nach römischen Landgütern suchen möchte, der berücksichtige einfach meine hier beschriebene Vorgehens- und Denkweise. Vor allem nach Hügelgräbern - als relativ leicht zu identifizierenden Hinweisgebern für eine Besiedlung - sollte man in unseren Breiten zu Beginn Ausschau halten. Kartendienste, die entsprechende LIDAR-Aufnahmen (Relief-Darstellungen) zur Verfügung stellen (z.B. GIS für die Steiermark), sind oft frei zugänglich. 
Im nächsten Schritt sucht man auf den Äckern und Wiesen rund um das Hügelgrab mit verschiedenen Kartendienste (Google Maps, Bing Maps usw.) nach Bewuchsmerkmalen. Hier ist es wichtig, sich möglichst viele verschiedene Aufnahmen anzusehen, da nicht unbedingt jede davon menschgemachte Strukturen enthüllt, die im Untergrund schlummern. Die Qualität entsprechender Bewuchsmerkmale hängt von verschiedenen Faktoren ab; so etwa der Jahreszeit, in der ein Foto entstand sowie der Bepflanzungsart (Mais ist eher schlecht, Weizen und ähnliche dicht gesetzte Getreidearten sind gut).
Zum Schluss - wenn man also meint, etwas auf dem Karten- und Bildmaterial entdeckt zu haben - sollte man sich vor Ort persönlich ein Bild machen und nach verstreuten Funden Ausschau halten. Dazu ist es nicht unbedingt nötig, quer über den (am besten frisch gepflügten) Acker zu laufen (das mag der Bauer oft nicht), sondern ein intensives Begutachten der Ränder kann schon ausreichen. Wobei es durchaus sinnvoll sein kann, das an verschiedenen Tagen zu wiederholen. Mit etwas Glück sammeln sich so im Laufe der Zeit Funde an, die konkretere Rückschlüsse auf eine einstige Besiedlung sowie die dazugehörende zeitlichen Einordnung zulassen..



4 Kommentare:

  1. " Unten, entlang des Bachs, waren aufgrund der dort vorherrschenden Bodenfeuchtigkeit oft saftige Viehweiden, weiter oben wurde das feuchtigkeitsempfindlichere Getreide angebaut. "

    Wirklich sehr interessant, auch die anderen Details. Auf das alles muss man erst einmal kommen!

    Gratulation zur Entdeckung !

    Ladimo

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  2. Hallo, gibts bei euch in der Steiermark so viele Sondler?
    Hier in Vorarlberg bei mir habe ich in meinem ganzen Leben noch nie einen gesehen, obwohl ich oft durch die Pampa streife :-)
    Schaut auf jeden Fall gut aus, was du da bei Graz entdeckt hast. Ich würde auch sagen, dass dort etwas sein muss, die Indizien sprechen dafür.

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    1. Laut Schätzung des Archäologen Raimund Karl gibts einige Tausend Metallsucher in Österreich. Wie sich die auf die Bundesländer verteilen, weiß ich nicht. Vorsicht ist allerdings die Mutter der Porzellankiste ;)

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