Samstag, 10. April 2021

🎧 Hörbares: Der neue (ideologieschwangere) Blick auf die Völkerwanderung -- Hightech gegen den Verfall -- Die Rabbiner sind große und heilige Männer -- usw.



 Kein Kampf um Rom - Der neue Blick auf die Völkerwanderung | Spieldauer 44 Minuten | SWR/ARD | Stream & Info | Direkter Download
Man muss nicht Theodor Mommsen heißen, um zu erraten warum die spätantike /frühmittelalterliche Völkerwanderungszeit ausgerechnet jetzt stark uminterpretiert bzw. beschönigt werden soll. Ein Tipp: Es hat mit Entwicklungen in den letzten Jahren und diversen damit einhergehenden (zutreffenden und unzutreffenden) historischen Vergleichen zu tun. Dass hinter den aktuellen Aktivitäten von Buchautoren, Journalisten und Historikern natürlich ein gerüttelt Maß an Ideologie steck, sieht man an verräterisch autoritären Formulierungen wie DIE Forschung fordert ein radikales Umdenken. Semantisch wird hier unübersehbar bereits in der üblichen Manier darauf hingearbeitet, dass nur eine einzige Meinung zulässig ist und sich Andersmeinende zukünftig außerhalb des akzeptablen wissenschaftlichen Diskursraums begeben. Um eine differenzierte Betrachtung der Völkerwanderungszeit geht es demnach sicher nicht. Davon abgesehen ist vieles von dem Gesagten ein alter Hut, aber nicht radikal oder neu (selbst im 19. Jahrhundert war bereits völlig klar, dass es keinen scharfen Schnitt zwischen Antike und Frühmittelalter gab  - siehe das obige Gemälde von Alma Tadema aus dem Jahr 1861). Man gewichtet nun allerdings mittels selektiver Quellenauswahl in einer Weise, die mit dem Zeitgeist in akademisch-politischen Kreisen (Politik=Geldgeber) kompatibler ist: Z.B. die archäologisch nahezu überall anzutreffenden Zerstörungshorizonte (und der damit einhergehende Zusammenbruch der antiken urbanen Kultur in unseren Breiten) werden in den einschlägigen Thesen (mehr ist das Gelaber ja nicht) marginalisiert. Gleichzeitig überbetont man etwa, dass ein paar Merowinger-Herrscher den von dem Römern bekannten Bau mit Stein/Mörtel doch nicht völlig verlernt sowie manchmal noch eine Zeit lang geraubte römische Landgüter weiterbewirtschaftet haben. Diese partielle handwerkliche Traditionsverbundenheit und das 'nachhaltige' Wirtschaften durch die Eindringlinge wird den unzähligen drangsalierten, enteigneten, vertriebenen, versklavten und abgemurksten Römern gewiss ein Quell des Trostes gewesen sein.
Und eines noch: Wenn ausgerechnet heutige deutsche Geisteswissenschaftler sich an einer Definition des Begriffs "Volk" versuchen, dann ist das ungefähr so wie wenn ein Veganer über Fleischgerichte referiert: Will heißen, da ist fast immer von Vornherein ein neurotisch-ideologischer Wurm drinnen.

 Wie nannte man das "Mittelalter" im Mittelalter? | Spieldauer 3 Minuten | SWR/ARD | Stream & Info | Direkter Download

 "Die Rabbiner sind große und heilige Männer" - Die mittelalterliche jüdische Gemeinde von Regensburg | Spieldauer 23 Minuten | BR/ARD | Stream & Info | Direkter Download

 Hightech gegen den Verfall: So schützt Italien wertvolle Kulturstätten | Spieldauer 6 Minuten | SWR/ARD | Stream & Info | Direkter Download

 Hans von Trotha: "Pollaks Arm" | Spieldauer 5 Minuten | WDR/ARD | Stream & Info | Direkter Download


4 Kommentare:

  1. Die Frankfurter Schule hat über den Umweg der USA ganze Arbeit geleistet.

    Ich stelle mir gerade vor, was da los wäre, wenn die gleichen Leute behaupten würden, die jüdische Diaspora wäre ja auch nur halb so wild gewesen. Das könnte man nämlich tatsächlich argumentieren, sofern man sich die wissenschaftlichen Mickey-Mouse-Maßstäbe dieser Historikerdarsteller zu eigen machen würde.

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    1. Mehr oder weniger schwindlige Theorien gibt es gerade zum Ausmaß der jüdischen Diaspora zuhauf. Und fast jede davon hat einen politischen Hintergedanken, der davon abhängt auf welcher Seite der Autor im ewigen Match zwischen Juden und Arabern/Palästinensern steht.
      Die redliche Wissenschaft ist dort schon lange auf der Strecke geblieben.

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  2. Hat nicht nur mit Ideologie zu tun, sondern auch ordentlich damit, dass sich die Herren Professoren immer wieder etwas Neues einfallen lassen müssen, um relevant zu bleiben. Deshalb erfindet man die Geschichte immer wieder neu. Anderenfalls würde die Bevölkerung auf die Idee kommen, dass man ihnen eigentlich problemlos die fetten Gagen und üppigen Fördergelder zusammenstreichen könnte, ohne dass das ernsthaft negative Auswirkungen hat. Historiker sind eben nicht systemrelevant oder gar unverzichtbar. Eigentlich braucht die niemand so richtig, das ist mir schon während dem eigenen Geschichtsstudium aufgefallen und deshalb habe ich auf ein nützlicheres Fach umgesattelt.
    RR

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    1. Ganz unnütz ist die Geschichtsforschung auch nicht, aber es gibt definitiv zu viele studierte Historiker, die keinen Job in ihrem Fach finden. Die Studienplätze gehören deshalb meiner Ansicht nach zumindest stark begrenzt, kombiniert mit einer scharfen Aufnahmeprüfung.

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